13.06.2014: Am Mittwoch letzter Woche endete in der Historischen Stadthalle Wuppertal die erste Verhandlungsrunde für die Eisen- und Stahlindustrie in Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen ohne ein Angebot für die 82.400 Beschäftigten. Die IG Metall fordert 5% mehr Lohn und Gehalt sowie Verlängerung des Tarifvertrags zur Altersteilzeit mit Anpassung an das Gesetz zur Rente für Langzeitbeschäftigte ab 63 Jahren, Verlängerung der Beschäftigungssicherung und der Vereinbarung der grundsätzlich unbefristeten Übernahme Ausgebildeter über 2016 hinaus, die überproportionale Steigerung der Ausbildungsvergütung sowie die „faire Gestaltung“ von Werkverträgen. Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW, wird auf „Tarifrunde-Stahl.de“ zitiert: „Mit unserer Forderung nach 5 Prozent mehr Geld tragen wir der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Stahlindustrie und der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Rechnung.“ Den Stahlarbeitern stehe ein Ausgleich für die Preissteigerung ebenso zu wie ein Anteil an der Produktivkraftsteigerung, heißt es seitens der IGM an anderer Stelle. Von einer volkswirtschaftlich notwendigen Umverteilung ist aber nicht die Rede.
Wie kaum anders zu erwarten, klagten die Unternehmervertreter am Verhandlungstisch, die Stahlindustrie führe einen Existenzkampf, es herrsche absolute Unsicherheit und die Forderungen der IG Metall könnten so nicht erfüllt werden. Dabei klagen sie auf hohen Niveau. Der Absatz stieg um 3%, auch durch die verstärkte Nachfrage der Automobilindustrie und deren Zulieferer, des Maschinenbaus und der Bauindustrie. Nach 42,6 Mio. Tonnen Rohstahl ist für 2014 mit einer Produktion von 43 Mio. zu rechnen. Zwar sind durch Preisrückgänge die Umsätze etwas gefallen, aber auch die Preise für die Rohstoffe, wodurch von einem Einbruch der bilanzierten Gewinne oder gar der Profite keine Rede sein kann, zumal die Produktivität ständig erhöht wird.
Dabei profitieren die Stahlkonzerne auch von ihrer faktischen Befreiung von der EEG-Abgabe als Großverbraucher elektrischer Energie. Hier subventionieren Millionen Privatkunden der Stromkonzerne mit ihrer Abgabe von 6,24 Cent pro Kilowatt/Stunde diverse Industriezweige mit 5 Milliarden Euro im Jahr. Die vollmundig von Minister Gabriel (SPD) angekündigte Entlastung der Privatkunden, darunter Niedriglöhner, Minirentner, BAföG-Bezieher und Arbeitslosen, blieb aus, auch zu Gunsten von ThyssenKrupp als größtem Stahlkonzern in Deutschland.
Mit 43 Mio. Tonnen Rohstahl bei einer Weltproduktion von rund 1.600 Mio. ist die deutsche Stahlindustrie rein mengenmäßig nicht so bedeutend, im Vergleich beispielsweise zur Volksrepublik China mit rund 700 Mio. Aber allein mit in Europa registrierten 2.400 Sorten ist der Stahl einer der vielfältigsten Rohstoffe und die heimische Stahlindustrie großteils auf hochwertige Stähle spezialisiert. Während noch 1961 420.000 Beschäftigte mit 80 Tonnen pro Kopf 33 Mio. herstellten, sind es heute mit 540 Tonnen das Siebenfache. Auch diese Zahlen zeigen, daß die Stahlarbeiter keinen Grund für eine falsche Bescheidenheit haben.
Die IG Metall will in dieser Tarifrunde bessere Arbeits- und Bezahlungsbedingungen für Werkvertragsnehmer schaffen, auch für die bei Fremdfirmen Angestellten. Sie fordert dazu auch die Zuständigkeit der Personal- statt der Einkaufsabteilungen, was eine Voraussetzung dafür sei, daß die Betriebsräte umfassend informiert werden. Nur so könnten sie Einsatzplanungen, Arbeitszeiten, Arbeitssicherheit, Überstunden etc. wirksam kontrollieren.
Am 12. Juni begann die zweite Verhandlungsrunde. Auch sie endete ohne ein Arbeitgeberangebot. Dritter Verhandlungstermin soll der 30. Juni 2014 sein. Bereits am Freitag, den 13. Juni 2014 kommen die Mitglieder der Tarifkommission in Gelsenkirchen zusammen, um sich über das weitere Vorgehen in der Tarifrunde abzustimmen.
Der Tarifrunde Stahl wird trotz des Rückgangs der Beschäftigten um 80% in den vergangenen Jahrzehnten eine große Bedeutung zugemessen, hatten ihre Abschlüsse doch häufig eine gewisse Pilotfunktion für andere Branchen und insbesondere für die Metall- und Elektroindustrie. In der Vergangenheit wurden von den Stahlkochern oft Wege geöffnet, ob hin zur Verkürzung der Wochenarbeitszeit wie in den 80er Jahren oder aber auch bei der Übernahme der Auszubildenden und in Richtung Angleichung der Bezahlung von Leiharbeitern an die der Stammbelegschaften. Auch 2014 können vom Verlauf der Tarifrunde in diesem Kernbereich der materiellen Produktion wichtige Signale ausgehen.
Text: Volker Metzroth (dieser Artikel erscheint auch in der UZ vom 13.06.14) Foto: Stahl-Nachrichten der IGM
Jetzt ein UZ-Probeabo bestellen...
weitere Informationen: www.tarifrunde-stahl.de