10.03.2015: Mit dem Abschluss von 3,4% Lohnerhöhung in der Metall- und Elektroindustrie für fast 4 Millionen Beschäftigte hat IG Metall angesichts der niedrigen Inflationsrate eine Reallohnsteigerung erreicht. Angriffe der Unternehmer auf die bisherigen Altersteilzeitregelungen konnten abgewehrt werden, in Fragen Bildungsteilzeit konnte kein Durchbruch erzielt werden. Maßgeblich trugen zu dem Ergebnis die Warnstreiks bei, an denen sich fast 900.000 Beschäftigte beteiligten.
Der Tarifvertrag wurde für 15 Monate abgeschlossen, die prozentuale Lohnerhöhung gibt es erst ab April. Für das erste Quartal erhalten die Metaller*innen 150 Euro, Auszubildende 55 Euro. Das Volumen liegt damit je nach der individuellen Einkommenshöhe bei um die 3% mit steigender Tendenz bei niedrigen Lohngruppen. Wichtig ist, dass 3,4% tabellenwirksam sind, d.h. die Grundlage für Lohnerhöhungen ab 2016 bilden. Mit dem Abschluss wird der Anschluss an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung gehalten, eine Umverteilung zu Gunsten der Arbeitenden fand nicht statt.
Bei der Altersteilzeit (ATZ) wollten die Unternehmer weg von der derzeitigen 4%-Quote der Anspruchsberechtigten. Leichten Verbesserungen bezüglich des Zugangs für besonders Belastete (z.B. Schichtarbeiter*innen) steht eine Erhöhung des Eintrittsalters in die Passivphase von 60 auf 60 ½ Jahre gegenüber. Bei der von den Unternehmern vehement abgelehnten Weiterbildungsteilzeit kam es nur zu einer auf Freiwilligkeit basierenden Regel dort, wo ATZ-Kontingente nicht ausgeschöpft werden.
Mit fast 900.000 Beteiligten folgten mehr Kolleg*innen den Warnstreikaufrufen der IGM als in der vorherigen Tarifrunde. Die Beteiligung schwankte aber nach Regionen und oft auch nach Betrieben stark. Die These, dass eine Ausschöpfung der Kampfkraft mehr gebracht hätte steht wieder im Raum, zu beweisen ist sie nicht. Es kann nicht von der Bereitschaft zu Warnstreiks 1:1 darauf geschlossen werden, dass auch Aufrufe zu längerfristigen Streiks die gleiche Resonanz gefunden hätten.
Zumal in einigen der potentiell kampfstärksten Betrieben mal wieder nicht unerhebliche Jahresprämien gezahlt wurden. 4.350 Euro pro Kopf bei Daimler sind halt rund das Zehnfache von einem Prozent Lohnerhöhung per annum und nicht unbedingt ein Motivator für einen Streik um ein Prozent mehr. An eine volle Durchsetzung der Forderung glaubt eh niemand. Diese Prämien, zumeist durch Betriebsvereinbarungen abgesichert, erhöhen die Löhne zu Lasten der Profite, haben aber auch – wie andere Erfolge im Kapitalismus – auf Teile der Belegschaften einen „befriedenden“ Charakter.
Die auch vor dem Hintergrund der ökonomischen Disproportionen in der EU und vor allem im Euro-Raum notwendige Umverteilung, fand nicht statt. Ihre Notwendigkeit wird von der Wirtschaftsabteilung keiner Gewerkschaft bestritten. Innergewerkschaftlich ist sie derzeit aber zumeist nur Thema von Insiderdiskussionen, die Forderungen danach in Infos und Mitgliederzeitungen finden bei der Masse der Mitglieder derzeit noch viel zu wenig Anklang. Hier ist noch viel zu tun von linken Gewerkschaftern innerhalb ihrer Organisation. Appelle von außen verhallen da eher oder werden gar als oberlehrerhaft empfunden. Das umso mehr, wenn die Gewerkschaftsmitglieder mit einem Abschluss überwiegend zufrieden sind, wie das hier wohl der Fall ist.
Text: Volker Metzroth Fotos: Werner Rauch