Wirtschaft

15.03.2023: "Austern | Champagner | Kaviar" wird in den wenigen verbliebenen Galeria-Markthallen im März/April angeboten. Luxus statt Salami-Schnittchen. ++ in 52 Warenhäusern wird demnächst gar nichts mehr angeboten. 5.000 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz.

"Austern | Champagner | Kaviar" wird in den wenigen verbliebenen Galeria-Markthallen im März/April angeboten. Luxus statt Salami-Schnittchen. Der große Teil der Lebensmittelabteilungen von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) ist schon lange Geschichte.

Die Speisen passen ins Bild, denn René Benko, der Inhaber von Galeria Karstadt Kaufhof, setzt mit dem Immobilienbereich Signa Real Estate auf luxuriöse Häuser in profitablen Innenstädten. Nur wegen der lukrativen Immobilien, so sagen Benko-Kritiker, habe er die Warenhauskette gekauft.

Den Beschäftigten von Galeria Karstadt Kaufhof wird dieses Menü nicht serviert. Seit der Fusion der Warenhäuser müssen sie sich gegen den scheibchenweisen Ausverkauf ihrer Arbeitsplätze wehren.

Am 13. März 2023 wurde bekannt, dass Benko´s Signa Retail von den noch bestehenden 129 Filialen 52 schließen will. Von den heute noch 17.400 Beschäftigten sollen 5.000 Kolleginnen und Kollegen entlassen werden.

Typisch für den Umgang der Konzernleitung mit den Beschäftigten und die intransparente Öffentlichkeitsarbeit: Nicht GKK, Benko oder der Deutschland-Chef haben die Hiobsbotschaft von den Schließungen den Medien mitgeteilt. Der Gesamtbetriebsrat von Galerie Karstadt Kaufhof ist, nach übereinstimmenden Medienberichten, vor die Presse getreten und hat das geplante Aus von 52 Häusern verkündet. [1]

Eigentlich sollte es ein "No-Go" für Betriebsräte und Gewerkschafter*innen sein, schlechte Nachrichten dieser Art öffentlich zu machen. Aber anscheinend wollte der GBR wohl die Kolleg*innen nicht länger in der Luft hängen lassen, mit der Frage nach der Zukunft ihrer Arbeitsplätze.

Dass GKK entgegen der gern gepriesenen "Unternehmenskultur" geschwiegen hat, zeigt die Ignoranz und Härte gegenüber Belegschaft und Öffentlichkeit. Möglicherweise wird in der Chefetage schon nach dem Sprichwort "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert" gearbeitet.

Abtauchen und Schweigen ist für Benko nicht neu.

Bereits nach der Bekanntgabe der erneuten Insolvenz Ende Oktober wurde von ver.di berichtet: «"Die Frage ist: Wo ist jetzt René Benko? Den Beschäftigten jedenfalls stellt er sich nicht", wunderte sich Frank Werneke über das laute Schweigen des Chefs der Signa-Holding, zu dem GKK gehört. Doch der mit dem Ausbau von Dachgeschossen in Innsbruck und Immobiliengeschäften reich gewordene Investor hat zurzeit noch eine andere Baustelle. In Österreich folgt ihm der Vorwurf der Bestechung, seine Büros wurden schon durchsucht. Mit Fremdgeld und Gemauschel hat Benko ein geschätztes Vermögen von 4,6 Milliarden Euro angehäuft: "Eines ist schon beachtlich", umriss er einst sein Geschäftsmodell, "es gibt kein Investment, wo ich je einen Euro draufgezahlt hätte"- Noch heute brüstet er sich damit, bei seinen Investments noch nie Geld verloren zu haben. Jetzt wissen wir auch, warum.» [2]

Galeria Karstadt Kaufhof: Entlassungen, "Waffenstillstand", Lohnverzicht, Entlassungen, ...

Nach der ersten Insolvenz im Jahr 2020 wurden die Tarife für Galeria Karstadt Kaufhof abgesenkt, auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld wird seitdem verzichtet. Nach ver.di-Berechnungen bedeutet das für eine Vollzeitstelle im Verkauf einen jährlichen Verlust von rund 5.500 Euro. Geld, mit dem die Beschäftigten zusätzlich zu ihrer Arbeitsleistung, ihren Arbeitsplatz finanzieren und auch den Profit des Milliardärs Benko vermehren.

Außerdem wurde Signa Holding von Herrn Benko zum Weitermachen mit einem Betrag von 680 Millionen Euro Steuergeld aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschenkt.

Dennoch gab es bereits 2020 rund 4.000 Entlassungen und die Schließung von 40 Filialen. Im Oktober 2022 stellte GKK erneut den Antrag auf ein sogenanntes "Schutzgeldverfahren".

In einem dazu stattgefundenen Dezembertreffen 2022, gab es eine erste Einigung zwischen Signa Retail und der ver.di-Tarifkommission. Festgehalten wurde: Sollten Zahlungen als Insolvenzgeld fließen, dann nach den gültigen Flächentarifverträgen. Und zwar für alle Beschäftigten, denen gekündigt wird. Ver.di spricht hier von einer erfolgreichen Vereinbarung, denn Signa wollte diese Regel nur den Kolleg*innen geben, die wegen einer Filialschließung gekündigt werden.

Die Gewerkschaft kämpfte um die rückwirkende Zahlung des Flächentarifvertrags für die gesamte Belegschaft. Hier setzte Signa durch, dass für 12 Monate rückwirkend tariflich gezahlt wird, allerdings nur gekündigten Beschäftigten.

Vereinbart wurden Tarifverhandlungen für den Jahresbeginn 2023. GKK hatte im Oktober den abgesenkten Tarifvertrag gekündigt, hoffte aber wohl ohne neue Verhandlung die Insolvenz abwickeln zu können.

Der Gesamtbetriebsrat von Galeria Karstadt Kaufhof war ebenfalls nach dem Insolvenzantrag des Konzerns aktiv geworden. Das Handelsblatt vom 1.2.2023 gab bekannt: "Im Interessenausgleich, den das Management und der Betriebsrat in der vergangenen Woche geschlossen haben, ist festgelegt, dass es zwei Monatsgehälter als Abfindung geben soll – maximal allerdings 7.500 Euro. Das bestätigte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ettl dem Handelsblatt." [3] 

Die Bundestarifkommission fordert hingegen für die mehr als 17.400 Beschäftigten den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages zu den regionalen Flächentarifverträgen der Länder. Diese Rückkehr in den Flächentarifvertrag des Einzelhandels möchte Galeria Karstadt Kaufhof auf jeden Fall verhindern. In einem Schreiben an die Beschäftigten wurde Anfang Februar mitgeteilt, dies stehe "nach erster Bewertung nicht mit dem vom Unternehmen vorgelegten Insolvenzplan in Einklang". Zu einer Zeit, als noch nichts über die Schließung der Filialen bekannt war.

Zum ersten Tag der Tarifverhandlung mit GKK am 10. Februar erklärte ver.di-Verhandlungsführer Marcel Schäuble in einer Pressemitteilung:
"Alles, was wir bisher mitkriegen, deutet darauf hin, dass die Arbeitgeberseite weiter an den Beschäftigten sparen will. Die Menschen bei Galeria können sich nicht mehr leisten, immer weiter die Zeche zu zahlen. Es muss Schluss sein damit, dass die Managementfehler auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Verzicht hat noch nie einen Arbeitsplatz gerettet."

Verzichtet, s.o., haben die Beschäftigten bereits in den vergangenen Jahren. Arbeitsplätze von 4.000 Kolleg*innen wurden dennoch vernichtet. Jetzt erfolgt der nächste sogenannte "Schutzschirm", unter den der Konzern sich duckt. Es darf also erwartet werden, dass die Kolleg*innen sich nicht mehr mit Almosen abspeisen lassen.

Die ersten Tarifverhandlungen sind gescheitert. Ein nächster Termin wurde vereinbart. Bereits im Januar wurden Unterschriftensammlungen vor den Warenhäusern zur Solidarität mit den Beschäftigten durchgeführt. Jetzt organisierten Beschäftigte von Galeria Karstadt Kaufhof mit Unterstützung der Gewerkschaft Aktionen in den Städten. Eine Bus-Agitationstour quer durch die Stadt zu den Galerie Karstadt Kaufhof Filialen in Berlin war dabei. "Wir kämpfen für unsere Jobs bei Galeria!" stand groß und breit auf ihrem Bus.

Ende Februar fand die nächste Tarifrunde statt. Doch auch diese endete ergebnislos. Zwar wurden weitere Verhandlungen vereinbart, doch es gibt bisher keinen Termin für diese Verhandlungen.

Statt Angebote in den Tarifverhandlungen zu unterbreiten, wurde nun vom Konzern die Schließung von 52 Warenhäusern beschlossen. Davon werden 21 Filialen zum 30. Juni 2023 und 31 Filialen zum 31. Januar 2024 die Türen dicht machen.

"Herr Benko ist ja als der große Retter aufgetreten und jetzt sehen wir, dass das alles hohle Ankündigung war. Der Mann hat hier wirklich eine Show abgeliefert, die völlig inakzeptabel ist - und zwar auf dem Rücken derjenigen, die jetzt entlassen werden sollen.“
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE im Bundestag [4]

Kaufhof MUC Lechner

 

Die zwei Schließungstermine sollen zur Entsolidarisierung führen, die Kraft der Solidarität unter den Beschäftigten unterbinden oder zumindest schwächen. Denn die Hoffnung auf den möglichen Erhalt des "eigenen" Hauses mit dem Arbeitsplatz kann zur Ruhe beitragen. So denkt vielleicht René Benko und sein Troß.

Zu wünschen ist, dass die Kampfkraft um den Erhalt der Filialen und der Arbeitsplätze nicht schwächer wird. Zu wünschen ist, dass die Solidarität mit den Kolleg*innen größer wird.

77 Filialen sollen erhalten bleiben. Doch bereits jetzt wird darüber geredet, dass viele Häuser in der Verkaufsfläche verkleinert werden. Dies wird sicher nicht mit gleichem Personaleinsatz erfolgen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass auch in den noch verbleibenden Filialen Entlassungen bevorstehen. Die bisher genannte Zahl von 4.000 Kündigungen kann sich also noch erhöhen. Oder Benko versucht die Arbeitsstunden der Beschäftigten zu drücken, was ebenfalls finanzielle Auswirkungen für die Beschäftigten haben wird.

Benko, der Immobilien-Hai

Kaufhof Benko 1Benko wird den Verlust der Warenhäuser ohne Zweifel verkraften. Als Immobilienhai weiß er geschlossenen Häuser zu verwerten, entweder durch Verkauf oder Vermietung. Auch für die übrigbleibenden verkleinerten Warenhäuser gibt es bereits Ideen. Die freiwerdenden Verkaufsflächen sollen profitabel vermietet werden für Einzelhandel, kleinere Handwerksbetriebe wie Friseure, Kunst- und Ausstellungsräume, Gastronomie oder auch als Büroräume. Die Immobilien werden weiterhin unter Benko-Regie gewinnträchtig genutzt.

Überraschen sollte das nicht. Benko weiß wie er aus den Warenhäusern das Geld saugt. Auch die Steuergelder, die in den Konzern geflossen sind, machen dies deutlich. Benko geht es nicht um den Handel mit Gebrauchsgütern, ihm geht es um Geld und die Macht des Geldes.

Signa Holding wurde im Jahr 2000 als Immobilienunternehmen von René Benko gegründet, wirkt seit 2013 als Signa Real Estate für Immobilien und Signa Retail für den Handel. Der Zusammenschluss der Karstadt Warenhaus GmbH und Galeria Kaufhof im Jahr 2018 wurde von den Anteilseignern Signa Holding (50,01%) und Hudson´s Bay Company (49,99%) geführt. Schon ein Jahr später verkaufte Hudson´s Bay Company seine Anteile für eine Milliarde Euro an Signa, die seitdem alleinige Eigentümerin von Galeria Karstadt Kaufhof ist. In München hat sich René Benko seit 2011 begehrte Immobilien in der Innenstadt geschnappt - Filetstück für Filetstück, wie bei einem namhaften Brettspiel.

Die öffentlich rechtliche Tagesschau hat es bereits 2021 beschrieben:
"Benko scheint davon überzeugt, dass künftig nur Luxuskaufhäuser in ausgewählten Metropolen wie das KaDeWe in Berlin oder das Alsterhaus in Hamburg überleben werden." Und weiter: "Wie sich Signa künftig den Einzelhandel vorstellt und erreichen will, dass die Innenstädte auch ohne Kaufhäuser beliebte und belebte Orte bleiben, zeigt das jüngste Projekt in Hamburg. Dort will der Konzern am Standort der heutigen Gänsemarktpassage in den kommenden Jahren ein gemischt genutztes Gebäude errichten - mit direktem Zugang zu den Colonnaden.
Schöne, offene Höfe und ein vielfältiger Mix an Nutzungen, Wohnen eingeschlossen, werde diesem wichtigen Ort der Hamburger Innenstadt neues Leben einhauchen, heißt es in der Mitteilung von Signa. Baubeginn ist nach dem Abbruch der heutigen Passage für April 2023 geplant, die Fertigstellung für April 2025." [5]

Es liegt auch an uns, ob dort "Austern | Champagner | Kaviar" gereicht wird oder ob das Leben, das Wohnen und die Freizeit für Alle dort Einzug hält. Mit Waren- und Kaufhäusern, in denen es sichere Arbeit und Tarif gibt! Unterstützen wir die Beschäftigten im Kampf um ihre Arbeitsplätze!

txt: Bettina Jürgensen
foto oben: flickr,  Björn Láczay 

Anmerkungen

[1] https://www.t-online.de/finanzen/aktuelles/verbraucher/id_100143346/galeria-schliesst-52-filialen-diese-standorte-sind-betroffen.html

[2] https://www.verdi.de/themen/nachrichten/++co++a0b625b4-5ab2-11ed-a5f0-001a4a160129?fbclid=IwAR0KBy1JvgaQdxel4yNPuYkRDrshGe_ujK6I3yrbDSmeltnndGDy_GDzqo0

[3] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/galeria-karstadt-kaufhof-worauf-sich-galeria-beschaeftigte-jetzt-einstellen-muessen/28948992.html

[4] RTL News, 14.3.2023: Galeria-Schließungen: "Milliardär Benko soll seinen Beitrag leisten"
https://www.rtl.de/cms/galeria-schliessungen-dietmar-bartsch-kritisiert-eigentuemer-rene-benko-soll-seinen-beitrag-leisten-5034394.html

[5] tagesschau.de, 27.01.2021 19:57 Uhr: Galeria Karstadt Kaufhof: Was Benko an Kaufhäusern reizt
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/rene-benko-signa-kaufhaeuser-101.html


 

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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