marxistische linke - Partnerin der Europäischen Linken

bettina jrgensen31.12.2016: Ein Kommentar von Bettina Jürgensen

Flucht.
In der Tendenz, so eine aktuelle Mitteilung, sind die Zahlen der ankommenden Geflüchteten in der BRD rückläufig. Was nicht gleichzeitig heißt, dass es keine Flucht oder Geflüchtete mehr gibt. Die Abschottungspolitik der EU, das Zurückdrängen bzw. "Auffangen“ der Menschen in Lagern in Süd- und Südosteuropa haben dazu beigetragen. Die Geflüchteten werden dort zunächst an der Weiterreise gehindert, der Weg nach Deutschland ist zunächst versperrt.

Die Herrschenden in Politik und Wirtschaft denken sich immer "neue Lösungen“ aus, um Menschen auf der Flucht vom Ankommen hier abzuhalten. Lager nahe der Herkunftsländer, Lager im Süden Europas – wo die Bevölkerungen mit der Austeritätspolitik am stärksten geknebelt werden, Rückführung in Erstaufnahmeländer, Grenzen weiter abschotten, Gerettete im Mittelmeer werden nach Afrika, in den Nahen oder Mittleren Osten zurückgeführt – niemand soll den Weg nach Zentraleuropa nehmen. Transitzonen gibt bereits an den EU Außengrenzen: bei den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zwischen den dort errichteten meterhohen Zäunen. Die Logik der Abschottung ist dem Profit und der vermeintlichen "Ruhe“ in den reichen Länder Europas geschuldet, sie ist rechte und reaktionäre Politik. Sie hilft keinem Geflüchteten, hält niemanden von der Flucht aus Kriegs- und Hungerregionen ab.

Eine freie Entscheidung, das Herkunftsland zu verlassen, haben Geflüchtete nicht. Sie wollen Leben! Sie riskieren alles, nicht wissend was sie erwartet auf der Flucht, noch in dem Ankunftsland. Fast 5000 Menschen sind 2016 auf ihrer Flucht im Mittelmeer ertrunken. Eine traurige Rekordzahl! Die Regierungen der EU-Länder nutzen diese Zahl zur Abschreckung für Geflüchtete und gleichzeitig als Begründung für den Aufbau weiterer Lager in Nordafrika. Und sie preisen dies als humanitäre Hilfe – verlogener geht`s nicht.

Damit die neuen Asyl-Richtlinien der EU hier angewendet werden, gibt es nun das Gesetz zur "Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“. Damit können über "Grenzverfahren“ die Asylanträge an den Landesgrenzen geprüft werden. Voraussetzung ist, dass Grenzkontrollen nach dem Schengener Grenzkodex durchgeführt werden. Mit diesem Sonderverfahren kann der Bundespolizei die Asyl-Anhörung übertragen werden, wenn die Polizisten eine "Grundschulung“ im Asylrecht erhalten. Wer an dieser Grenze als Geflüchteter "durchfällt“ darf nicht weiterreisen.

Flucht geschieht nicht freiwillig!

Die Fluchtursachen müssen beseitigt werden: Das Ende der Kriege, Stopp der Ausbeutung der Ressourcen und der Umwelt, Stopp des Klimawandels. Die gesellschaftlichen Veränderungen der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Ende der Verfolgung wegen Geschlecht, Herkunft, politischer Orientierung und Sexualität müssen folgen.

Solange dies nicht umgesetzt ist, gibt es gegen den Tod auf der Flucht nur: Die Schaffung legaler Fluchtwege!

Asyl.
»Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.« (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 14)

Noch vor einem Jahr verging kein Tag, an dem nicht über die Unterstützung für Geflüchtete in den Medien berichtet wurde. In den Kommunen entstanden Netzwerke von Initiativen und Organisationen, gemeinsam wurden Projekte entwickelt, um die Menschen auf der Suche nach Unterkunft, bei Behördengängen, im alltäglichen Leben zu unterstützen, gemeinsam das Zusammenleben im Stadtteil zu organisieren.

Inzwischen scheint sich Routine im Umgang mit Geflüchteten zu entwickeln, eine Routine, mit der sich Kommunen und Länder gut arrangieren – kostet es sie doch weniger, als sich von Amts wegen mit den alltäglichen Fragen des Lebens- und Überlebens der Menschen zu befassen. Die Initiativen können viele Erfahrungen in ihre Arbeit einfließen lassen, auch die, wie Forderungen an die Kommunen gestellt und teilweise erfüllt werden. Von der örtlichen Politik werden sie ernst genommen, auch weil auf ihre Arbeit nicht verzichtet werden kann. Die Aktiven, die gemeinsam mit den Geflüchteten für Veränderungen der persönlichen und der politischen Lage arbeiten, lassen sich ohnehin nicht aufhalten. Viele sind in den vergangenen zwei Jahren erstmals politisch aktiv geworden, obwohl sie ihr Engagement selbst oft nicht als politisch verstehen, sondern ihrem humanistischen Anspruch folgen. Über ihre Unterstützung für die Geflüchteten haben sie jedoch auch die Probleme dieser Gesellschaft näher an sich herankommen lassen, Probleme, die vorher für viele unbedeutend waren.

Dazu zählt das Asylrecht mit seinen Verschärfungen. Mit Asylschnellverfahren sollen bestimmte Gruppen von Asylsuchenden schneller abgeschoben werden können. Die Verschärfung der sogenannten Residenzpflicht und die Leistungskürzungen für Asylsuchende wurden beschlossen. Die Abschiebung kranker Menschen wurde erleichtert und das Recht auf Familiennachzug beschnitten. Das hat Folgen auf das Leben Geflüchteter, aber auch auf die Art und Weise der Unterstützung. Asylverfahren, die Unterbringung, die soziale und medizinische Versorgung, die Drohung von Abschiebung bestimmen die Zusammenarbeit dieser Menschen. Das gesellschaftliche Klima wird damit gegen Flucht und Asyl verändert. Genau das Gegenteil von dem, was Unterstützer*innen fordern.

Jedoch auch die Kriegspolitik, Umweltpolitik, Arbeitslosigkeit, Hartz IV, Gesundheitswesen, gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen am sozialen, kulturellen und politischen Leben werden als Probleme erkannt. Spätestens die Angriffe auf Unterkünfte für Geflüchtete, die Demonstrationen von Pegida & Co., die Angriffe auf Unterstützer*innen selbst, tragen zur Diskussion innerhalb der Initiativen, oft auch mit den Geflüchteten, bei. Daraus entwickelt sich Solidarität, die über die Unterstützung in den Initiativen hinausgeht, die bis zur (gemeinsamen) Teilnahme an Veranstaltungen und Demonstrationen gegen rechte Aufmärsche, gegen Kriegspolitik reicht.

Und ein organisiertes Kirchenasyl, um Menschen vor drohender Abschiebung zu retten, ist schließlich eine Form des zivilen Ungehorsams.

Abschiebung
Wie nach der "Silvesternacht in Köln“ zum Beginn 2016 sind ebenfalls nach dem Anschlag in Berlin die Forderungen zur Verschärfung des Asylrechts und dem Abbau von Demokratie auf dem Tisch. Politiker aus AfD, CSU und CDU tragen mit ihren Debatten erneut zur die Stigmatisierung der Geflüchteten und aller Menschen, die hier leben und nicht "normal deutsch“ daherkommen, bei. Wieder einmal soll Kriminalität benutzt werden, um die Rechte von Menschen abzubauen.

Erklärtes Ziel der Regierenden ist es, die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen. Dazu müssen die Hürden für Asyl noch höher gesetzt werden.

Dies geschieht über sogenannte "sichere Herkunftsstaaten“. Mit dem "Asylkompromiss“ von CDU/CSU/FDP und SPD trat am 1.7.1993 die Regelung der "sicheren Herkunftsstaaten“ in Kraft. Eine politische Verfolgung in diesen Ländern wird negiert. Serbien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina wurden 2014 als sicher erklärt, 2015 folgten Albanien, Kosovo und Montenegro. Geflüchtete aus diesen Ländern haben so gut wie keine Chance auf Asyl, Abschiebungen in diese Staaten stehen regelmäßig an. "Unser Asylsystem trägt auf Dauer nur, wenn wir nicht nur anerkennen, sondern im Falle einer Ablehnung genauso konsequent zurückführen", begründete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bereits im Juli 2016 die Abschiebungen.

Zu den 2016 ausgewählten Staaten Tunesien, Marokko und Algerien fehlt noch die Zustimmung des Bundesrats. Mit Blick auf den Berliner Anschlag hat Bundesinnenminister de Maizière in der Bild am Sonntag (24.12.16) gesagt: "Wären die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft, würden Asylverfahren auch bei Tunesiern schneller und einfacher verlaufen als bisher.“ Und er fordert: "Asylbewerber, die nicht an ihrem Verfahren mitwirken, (bekommen) keine Duldung mehr, sondern nur noch eine Ausreisebescheinigung.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel meint, die Rückführungen müssten "deutlich" beschleunigt und "die Zahl der Zurückgeführten weiter" erhöht werden. "Dort, wo Bedarf für politische und gesetzliche Veränderungen gesehen wird, werden wir notwendige Maßnahmen in der Bundesregierung zügig verabreden und umsetzen" fügte Merkel hinzu.

Hat sie dabei an das neue Rückübernahmeabkommen zwischen Afghanistan und Deutschland gedacht? Nach über 12 Jahren fanden am 14.12. erstmals Sammelabschiebungen nach Afghanistan statt.

Bund und Länder wollen 2017 ein gemeinsames Zentrum für koordinierte Rückführung einrichten. Die Zahl der Abschiebungen soll deutlich steigen. Zusätzlich werden 40 Millionen Euro für freiwillige Ausreisen bereitgestellt. In 2016 haben bereits mehr als 55.000 Menschen aus sogenannten "sicheren Herkunftsländern“ das angebotene Geld, statt erzwungener Abschiebungen und mehrjähriger Einreisesperre, gewählt. Kann das noch Freiwilligkeit genannt werden, oder ist es Abschiebung um jeden Preis?

Weitere und neue Vorschläge zur Überwachung der Gefährder (und anderer Menschen) liegen bereits vor, teilte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums den Medien mit. Ein Gesetzentwurf für die Ausweitung der elektronischen Fußfessel ist in Arbeit. Wer jedoch Gefährder ist, bestimmen die zuständigen Behörden – und es geht dabei nicht nur um IS-Gefährder.

CSU-Chef Horst Seehofer kritisiert in der Welt am Sonntag, dass es oft nur formalisierte Fragebogen ohne Gespräche und Einbindung des Verfassungsschutzes gibt. Sein innenpolitischer Sprecher Stephan Mayer (CSU) fordert die Dauer der Abschiebehaft zu erhöhen und sprach für einen neuen Abschiebehaftgrund "Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, denn "Es gibt sehr wohl eine Verbindung zwischen der Flüchtlingskrise und einer erhöhten Terrorgefahr“, so der CSU-Sprecher.

Der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein stellt fest:
" …..Nicht nur die Hetze von Rassisten und sogenannten Rechtspopulisten ("Merkels Tote"), sondern auch derjenigen in etablierten Parteien, die die Themen Innere Sicherheit und Flüchtlingsaufnahme gebetsmühlenhaft gegeneinander ausspielen, und die in Sorge vor anstehenden Wahlen zunehmend feststellbare Uneindeutigkeit nicht weniger der anderen Parteienvertreter*innen, müssen uns Sorgen machen.
Doch wir werden auch weiterhin "Willkommenskultur" praktizieren und den Schutz der Menschenrechte einfordern, und wir werden uns gegenüber Gesellschaft und politischer Klasse dafür engagieren, an den Zielen einer grundrechtskonformen und integrationsorientierten Flüchtlingsaufnahme, Chancengerechtigkeit und Solidarität festzuhalten - auch wenn uns und den hierzulande Schutz Suchenden der Wind noch mehr ins Gesicht blasen wird.
Nie - und das ist nicht floskelhaft gemeint - war das Asylrecht so gefährdet wie heute.“

Bettina Jürgensen, Vorstandsmitglied marxistische linke

siehe auch: Flucht nach Europa – und die Linke

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
Vereint in Menschlichkeit, vereint in Aktion

Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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