Analysen

Aktienkurse Handvon Michael Roberts    

04.02.2021: Während des COVID-Jahres brachen Produktion, Investitionen und Beschäftigung in fast allen Volkswirtschaften der Welt ein, da Lockdowns, gesellschaftliche Abschottung und kollabierendes internationalen Handels die Produktion und die Nachfrage schrumpfen ließen. Für die Aktien- und Anleihemärkte der großen Volkswirtschaften war jedoch das Gegenteil der Fall. Die US-Börsenindizes (zusammen mit anderen) beendeten das Jahr 2020 auf Allzeithochs. Nach dem anfänglichen Schock durch die COVID-Pandemie und die darauf folgenden Schließungen, als die US-Aktienmarktindizes um 40 % einbrachen, erholten sich die Märkte dramatisch und übertrafen schließlich das Niveau vor der Pandemie.

Es ist klar, warum dies geschah. Es war die Injektion von Kreditgeld in die Volkswirtschaften. Die Federal Reserve und andere große Banken pumpten riesige Mengen an Bargeld/Krediten in das Bankensystem und sogar direkt in die Unternehmen durch den Kauf von Staatsanleihen von den Banken und Unternehmensanleihen; sowie durch direkte staatlich unterstützte COVID-Kredite an Unternehmen. Die Zinssätze für diese Kredite fielen gegen Null und bei so genannten "sicheren Anlagen" wie Staatsanleihen wurden die Zinssätze sogar negativ. Die Käufer von Anleihen zahlten den Regierungen Zinsen, um ihre Papiere zu kaufen!

 

Ein Großteil dieser Kredit-Großzügigkeit wurde nicht dazu verwendet, die Beschäftigten in Lohn und Brot zu halten oder den Betrieb der Unternehmen aufrechtzuerhalten. Stattdessen wurden die sehr billigen oder fast zum Nulltarif aufgenommene Kredite genutzt, um mit Finanzanlagen zu spekulieren. Die so genannte "Margin Debt" misst, wie viele der Börsenkäufe durch Kreditaufnahme finanziert wurden. Der jüngste Stand der Margin Debt ist im Vergleich zum Vormonat um 7,7% gestiegen und befindet sich auf einem Rekordhoch.

Marx nannte Finanzanlagen, Aktien und Anleihen, "fiktives Kapital". Engels hat diesen Begriff zum ersten Mal in seinem frühen ökonomischen Werk ″Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie″ verwendet; und Marx hat ihn im Kapital Band 3 (Kapitel 25 und 29) weiterentwickelt, wo er ihn als die akkumulierten Ansprüche oder Rechtstitel auf zukünftige Erträge in der kapitalistischen Produktion definierte; mit anderen Worten, Ansprüche auf "reales" Kapital, d. h. Kapital, das tatsächlich in physische Produktionsmittel und Arbeitskraft investiert wird; oder Geldkapital, Barmittel, die gehalten werden. Ein Unternehmen nimmt Mittel für Investitionen usw. auf, indem es Aktien und/oder Anleihen ausgibt. Die Besitzer der Aktien oder Anleihen haben dann einen Anspruch auf die zukünftigen Erträge des Unternehmens. Es gibt einen "sekundären" Markt für diese Ansprüche, d. h. den Kauf und Verkauf dieser bestehenden Aktien oder Anleihen; einen Markt für die Zirkulation dieser Eigentumsrechte.

Aktien und Anleihen fungieren nicht als reales Kapital; sie sind lediglich ein Anspruch auf zukünftige Gewinne, so dass "der Kapitalwert eines solchen Papiers ... völlig illusorisch ist ... Das Papier dient als Eigentumstitel, der dieses Kapital repräsentiert." Wie Marx es ausdrückte: "Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schiffahrts- etc. Gesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unternehmungen angelegte und fungierende Kapital oder die Geldsumme, welche von den Teilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in solchen Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keineswegs ausgeschlossen ist, daß sie auch bloßen Schwindel vorstellen. Aber dies Kapital existiert nicht doppelt, einmal als Kapitalwert der Eigentumstitel, der Aktien, und das andre Mal als das in jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder anzulegende Kapital. Es existiert nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts als ein Eigentumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu realisierenden Mehrwert.

″… bloße Eigentumstitel, die zur Empfangnahme von künftigem Mehrwert berechtigen. Alle diese Dinge sind kein wirkliches Kapital, bilden keine Bestandteile des Kapitals, und sind auch an sich keine Werte.″

Investoren (Spekulanten) auf den Finanzmärkten kaufen und verkaufen diese finanziellen Vermögenswerte und treiben die Preise nach oben und unten. Wenn Bargeld (Liquidität) im Überfluss vorhanden ist, können die Preise von Aktien und Anleihen in die Höhe schießen, während Banken und Finanzinstitute immer neue Finanz "instrumente" erfinden, in die sie investieren können. Wie Marx es ausdrückte: "Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kreditsystems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen Händen unter verschiednen Formen erscheint. Der größte Teil dieses 'Geldkapitals' ist rein fiktiv."

Die Zentralbanken werden zu den Haupttriebkräften eines jeden Booms von Finanzwerten. Noch einmal, wie Marx es vor etwa 150 Jahren formulierte: "Indem die Bank Noten ausgibt, die nicht durch die Metallreserve in ihren Tresoren gedeckt sind, schafft sie Wertmarken, die nicht nur Zirkulationsmittel sind, sondern für sie ein zusätzliches - wenn auch fiktives - Kapital zum Nominalwert dieser Treuhandnoten bilden, und dieses zusätzliche Kapital bringt ihr einen Extraprofit ein." Die Schöpfung oder das "Drucken" von Geld durch die Zentralbanken liefert die Liquidität für die Spekulation an den Aktien- und Rentenmärkten - wie wir im COVID-Jahr gesehen haben.

Marx meinte, dass das, was die Börsenkurse antreibt, die Differenz zwischen den Zinsen und der allgemeinen Profitrate ist. Als die Profitrate im Jahr 2020 sank, war das, was die Börsenkurse steigen ließ, das sehr niedrige Niveau der langfristigen Zinsen, das von Zentralbanken wie der Federal Reserve auf der ganzen Welt absichtlich herbeigeführt wurde. Die "quantitative Lockerung" (Kauf von Finanzanlagen mit Kreditspritzen) hat sich in diesem COVID-Jahr verdoppelt und verdreifacht. Die Kluft zwischen den Renditen für Investitionen am Aktienmarkt und den Kosten für die Kreditaufnahme ist also erhalten geblieben.

Aber hier ist der Knackpunkt. Der Aktienkurs eines Unternehmens muss schließlich in einem gewissen Verhältnis zu den erzielten oder zu erwartenden Gewinnen über einen bestimmten Zeitraum stehen. Investoren messen den Wert eines Unternehmens anhand des Aktienkurses geteilt durch den Jahresgewinn. Wenn Sie alle von einem Unternehmen ausgegebenen Aktien zusammenzählen und mit dem Aktienkurs multiplizieren, erhalten Sie die "Marktkapitalisierung" des Unternehmens - mit anderen Worten, was der Markt denkt, was das Unternehmen wert ist. Diese "Marktkapitalisierung" kann das Zehn-, 20-, 30-fache oder noch mehr des Jahresgewinns betragen. Wenn die Marktkapitalisierung eines Unternehmens das 20-fache des Gewinns beträgt und Sie dessen Aktien gekauft haben, gehen Sie davon aus, dass Sie 20 Jahre lang Gewinne in Form von Dividenden ernten müssten, die dem Preis Ihrer Investition entsprechen.

Sie können aus dieser (CAPE Shiller) Grafik unten ersehen, dass mit dem Sinken der langfristigen Zinssätze der Preis der Marktkapitalisierung von Unternehmensaktien im Verhältnis zu den Gewinnen (Einnahmen) gestiegen ist. Derzeit ist er auf einem Niveau, das nur 1929 und während des Dot.com-Booms im Jahr 2000 übertroffen wurde.

CAPE Shiller Grafik

Wenn Gewinne die Aktienkurse von Unternehmen antreiben, dann würden wir erwarten, dass, wenn die Profitrate im Kapitalismus steigt oder fällt, auch die Aktienkurse entsprechend steigen oder fallen würden. Um das zu messen, können wir eine Art Durchschnittspreis aller Unternehmensaktien auf einem Aktienmarkt erhalten, indem wir einen Korb von Aktienpreisen aus einer Reihe von Unternehmen verwenden und diesen indexieren. So erhalten wir einen Aktienmarktindex.

Bewegt sich also der Börsenpreisindex mit der Profitrate im Kapitalismus auf und ab? Die Antwort lautet: Ja, und zwar über einen längeren Zeitraum - nämlich über die Dauer des Profitzyklus, der aber auch 15-20 Jahre dauern kann. Auf kürzere Sicht fällt der Börsenzyklus nicht unbedingt mit dem Profitzyklus zusammen. Tatsächlich können die Finanzmärkte extreme Preisniveaus im Verhältnis zu den zugrundeliegenden Gewinnen, die in einer Volkswirtschaft entstehen, erreichen.

Die gängigste Methode, um zu messen, wie weit der Aktienmarkt von der Realwirtschaft und den Gewinnen aus produktiven Investitionen abweicht, ist die Messung der Marktkapitalisierung von Unternehmen im Verhältnis zu den akkumulierten realen Vermögenswerten, die Unternehmen besitzen. Dieses Maß wird Tobin's Q genannt, benannt nach dem linken Ökonomen James Tobin. Es nimmt die "Marktkapitalisierung" der Unternehmen auf dem Aktienmarkt (z.B. der Top-500-Unternehmen im so genannten S&P-500-Index) und teilt diese durch den Wiederbeschaffungswert der von diesen Unternehmen akkumulierten Sachwerte. Der Wiederbeschaffungswert ist der Preis, den Unternehmen zahlen müssten, um alle materiellen (und "immateriellen"?) Vermögenswerte zu ersetzen, die sie besitzen (Anlagen, Ausrüstung, Software usw.).

Für die letzten etwa 100 Jahre liegt der durchschnittliche Mittelwert der Q Ratio bei etwa 0,78. Der Höchststand der Q Ratio war auf dem Höhepunkt der Tech-Blase im Jahr 2000 und erreichte 2,17 - oder 174% über dem historischen Durchschnitt. Die Tiefststände waren in den Einbrüchen von 1921, 1932 und 1982 mit etwa 0,28 oder 62% unter dem Durchschnitt. Aber in diesem COVID-Jahr hat Tobin's Q 233% über dem Mittelwert erreicht - ein neuer Rekord.

Ein weiteres nützliches Maß für den Wert des Aktienmarktes im Verhältnis zur Realwirtschaft ist der Buffett-Index. Benannt nach dem berühmten milliardenschweren Finanzinvestor, der sich an diesem Index orientiert, misst er den Geldwert aller Aktien und Anteile im Verhältnis zur aktuellen Wirtschaftsleistung der Realwirtschaft (BIP). Auch hier zeigt sich, dass der Aktienmarkt im COVID-Jahr ein Rekordhoch im Verhältnis zur "Realwirtschaft" erreicht hat.

In der Tat bleiben die Finanzspekulanten in totaler "Euphorie", da sie weiterhin erwarten, dass die Zentralbanken noch mehr Kredite und Bargeld in die Banken und Institutionen pumpen werden, zusammen mit einem wahrscheinlichen Abklingen der COVID-Pandemie im Jahr 2021, wenn die Impfungen verabreicht werden. Man geht davon aus, dass sich die Unternehmensgewinne stark erholen werden, um die aktuellen Rekordstände der Aktienkurse zu rechtfertigen.

Citi Research hat einen "Euphorie/Panik"-Index, der eine Reihe von Marktstimmungsindikatoren kombiniert. Seit 1987 hat der Markt in der Regel seinen Höhepunkt erreicht, wenn sich dieser Index der Euphorielinie näherte. Die beiden Ausnahmen waren während des Technologiebooms um die Jahrhundertwende, als er etwa drei Jahre in der Euphorie-Zone verbrachte, und jetzt gerade.

Dieser "Euphorie"-Index ergänzt die Ansichten der mächtigsten Investmentbank der Welt, Goldman Sachs. Deren Experten prognostizieren für das Jahr 2021 einen weiteren Anstieg des US-Aktienmarktes um 15%.

Aktienkurs SuP500 2022

Aber wie Marx erklärte, müssen sich irgendwann die Investitionen in Finanzanlagen den Erträgen der Realwirtschaft anpassen. Im COVID-Jahr brachen die Gewinne der meisten Unternehmen um 25-30% ein.

Goldmans und andere Anlegerspekulanten scheinen davon überzeugt zu sein, dass die Gewinne in diesem Jahr wieder ansteigen werden, damit sich der Preis des fiktiven Kapitals nicht als fiktiv herausstellt. Aber das scheint unwahrscheinlich. COVID-19 ist noch nicht vorbei und die Verteilung der Impfungen wird bis weit in dieses Jahr hinein dauern, um das Niveau der notwendigen sogenannten "Herdenimmunität" zu erreichen, und das setzt voraus, dass die Impfstoffe auch mit den neuen COVID-Varianten fertig werden.

Außerdem war der Börsenboom des Jahres 2020 wirklich nur auf einige wenige Unternehmen beschränkt. Im COVID-Jahr stieg der S&P 500 Index um 18,4%, aber das Portfolio von FAAAM (Facebook, Alphabet, Amazon, Apple, Microsoft) plus Netflix stieg um 55%. Der Beitrag dieser letzteren Gruppe zum Wachstum des S&P 500 betrug 14,35%. Der Rest der S&P-Unternehmen legte also nur 4,05% zu.

Die meisten Unternehmen haben im Jahr 2020 Geld verloren. Und es gibt eine Menge von Unternehmen, meist außerhalb der Top 500, aber nicht ganz, die sich in großen Schwierigkeiten befinden. Die Erträge sind niedrig oder negativ und selbst bei Kreditkosten nahe Null verdienen diese "Zombie"-Firmen nicht genug, um die Zinsen für bestehende und neue Kredite zu decken. Diese "finanziell herausgeforderten" Zombies machen in den meisten Volkswirtschaften etwa 20% der Unternehmen aus.

Schon vor der Pandemie trugen die Zombie-Unternehmen zu einer deutlichen Verlangsamung der Unternehmensinvestitionen bei. Da so viele Unternehmen in Schwierigkeiten sind, gibt es kaum Aussichten auf einen großen Sprung bei Investitionen und Gewinnen in diesem Jahr.

Die Zentralbanken werden den Banken und Unternehmen weiterhin "Liquidität" zur Verfügung stellen, um an den Finanzmärkten zu spekulieren. Das fiktive Kapital wird sich also weiter vergrößern - schließlich ist die Spekulation an den Finanzmärkten, wie Engels schon sagte, ein wichtiger Gegenfaktor zur sinkenden Rentabilität in der "Realwirtschaft".

Aber alle guten Dinge müssen ein Ende haben. Vermutlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 werden die Regierungen versuchen, ihre Fiskalausgaben zu drosseln, und die Zentralbanken werden das Tempo ihrer Großzügigkeit drosseln. Dann werden sich die extremen Niveaus der Aktien- und Anleihekurse im Verhältnis zu den Gewinnen und dem Sachkapital wahrscheinlich umkehren, so wie es ein Jo-Jo tut, wenn die Schnur zurück in die Realität gezogen wird, in der es an einem Haltepunkt (Realkapital) befestigt ist.

Übernommen von https://thenextrecession.wordpress.com/2021/01/25/covid-and-fictitious-capital/
eigene Übersetzung

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

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Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

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