23.06.2023: Referat von Ditte Gerns beim Zweiten Ratschlag marxistische Politik am Samstag, 17. Juni 2023 in Frankfurt a.M.
Etwa 60 Menschen waren am 17. Juni der Einladung von Heinz Bierbaum, Frank Deppe, Bettina Jürgensen, Ingar Solty und Heinz Stehr in das Frankfurter Haus von medico international gefolgt und diskutierten über den Krieg in und um die Ukraine, seine Auswirkungen auf gesellschaftliche Entwicklungen und über die Machtverhältnisse im heutigen Russland. (siehe kommunisten.de: "Das war der Ratschlag marxistische Politik : Charakter des Krieges in und um die Ukraine")
In zwei Referaten wurden aktuelle Aussagen als Diskussionsgrundlage gegeben.
Ingar Solty, Referent für Friedens-, Außen- und Sicherheitspolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, nahm, aufgrund einer kurzfristigen Konferenzteilnahme in Rom, digital am Ratschlag teil und stellte "Eckpunkte einer marxistischen Analyse des Charakter des Krieges“ vor.
Ditte Gerns, Politologin, Historikerin mit früheren Arbeiten zur Entwicklung Russlands und der Sowjetunion, legte ihre Kenntnisse "Zu Machtverhältnissen im heutigen Russland“ dar:
1. Einordnung des herrschenden Gesellschaftssystems
Ausgangspunkt für die Betrachtung der Machtverhältnisse im heutigen Russland muss m.E. die Einschätzung der in der Russischen Föderation herrschenden Eigentumsverhältnisse sein, auf denen die Macht des Staates basiert. Nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems und der Auflösung der Sowjetunion etablierte sich in kürzester Zeit auf den Trümmern ein kapitalistisches System mit weitreichenden monopolistischen Strukturen. Diese waren kein Ergebnis eines langandauernden Entwicklungs- und Konzentrationsprozesses, sondern Resultat der Übernahme großer Kombinate durch deren Manager oder Vertreter der alten Nomenklatura, die ihre Netzwerke aus sowjetischer Zeit in Politik und Wirtschaft für ihre Interessen nutzen konnten.[1] Es bildeten sich große einheimische Finanz-Industriekonglomerate, die bei ihrer Entstehung durch den Staat dadurch geschützt waren, dass ausländische Unternehmen nicht an den großen Privatisierungen teilnahmen. Über ihre engen Kontakte zum Jelzin-Clan und ihre finanziellen Hebel hatte die entstehende Oligarchie in den 90er Jahren großen Einfluss auf die Politik.
Diese spezifische russische Turboakkumulation des Kapitals und die auf ihrer Grundlage entstehende "wilde" Form des staatsmonopolistischen Kapitalismus stießen Ende der 90er Jahre an ihre Grenzen, da sie auf Dauer kein erfolgversprechendes Entwicklungsmodell darstellen konnten. Nachdem Putin im März 2000 zum Präsidenten gewählt wurde, begann die staatsmonopolistische Entwicklung in mehr oder weniger geordneten Bahnen zu verlaufen. Er formierte eine politische Koalition, die es ihm ermöglichen sollte, die nach der Zerrüttung Russlands in der Jelzin-Periode entstandenen Konflikten zu lösen und die Politik des Landes dauerhaft zu stabilisieren.
Einerseits gelang es ihm, die Bevölkerung durch das Versprechen einzubinden, soziale und wirtschaftliche Stabilität wiederherzustellen und damit die Lebensverhältnisse kontinuierlich zu verbessern, sowie das Ansehen und die Stellung Russlands in der Welt wiederherzustellen, d.h., den Menschen ihr in den Jelzin-Jahren verlorenes Selbstwertgefühl zurückzugeben. Diese Strategie war im Großen und Ganzen erfolgreich. So ist der Anteil der Bevölkerung, der unter der Armutsgrenze lebt von 33,5 % 1992 auf 13,5 % 2019 gesunken.[2] Bedrohlicher Widerstand blieb aus.
Andererseits ist ihm die Umsetzung einer "Vertikale der Macht" gelungen. Es handelt sich dabei um ein Prinzip des Staatsaufbaus, nach dem alle Institutionen, Strukturen und Akteure in Politik und Wirtschaft auf die Person des Präsidenten ausgerichtet sind. Ein wichtiger Schritt war dabei die Beschneidung der Macht der unter Jelzin einflussreichen Gouverneure und die Konsolidierung der uneingeschränkten Vorherrschaft des föderalen Zentrums. [3]
Parallel dazu wurde der direkte politische Einfluss der Oligarchen zurückgedrängt. Dazu wurden zum einen die Medienimperien zerschlagen. Zum anderen sicherte sich der Staat die Kontrollmehrheit über die strategisch wichtigen Bereiche der Wirtschaft. Dabei handelte es sich um wichtige Teile der Gas-, Erdöl- und Energiegewinnung, die in den 90er Jahren durch die Privatisierungen teilweise in private Hände gelangt waren sowie um den systemrelevanten Teil des Bankensystems und des militärisch-industriellen Komplexes. Sie erfolgte vor allem durch die Übernahme von kleineren Oligarchenclans. Die Übernahme von Chodorkowskijs Jukos-Konzern durch Rosneft war politisch bedingt. Um den staatlichen Einfluss abzusichern, übernahmen hochrangige Beamte und Geheimdienstler (Silowiki) aus Putins vertrautem Kreis die Chefetagen der staatlich dominierten Konzerne. Damit begannen sie faktisch als Oligarchen im Auftrag des Staates, eine bedeutende Rolle im polit-ökonomischen Komplex des Landes zu spielen und gewannen an politischem Einfluss.
Die meisten Oligarchen ließen sich auf die neuen Verhältnisse ein. Und die Loyalität zeichnete sich aus. Die Zahl der russischen Milliardäre stieg in der zweiten Amtszeit Putins von 25 auf 87 und lag zum Beginn seiner vierten Amtszeit 2018 bei 101. Wer sich nicht an die neuen Spielregeln halten wollte, bekam die unter Putin gestärkte staatliche Macht zu spüren, siehe z.B. Chodorkowskij, Beresowskij und Gusinskij.[4] Im Gegenzug sicherte der russische Staat das rohstoffbasierte Akkumulationsregime, den Oligarchen ihre einträglichen Verwertungsbedingungen und eine Politik in ihrem Interesse.
Die "privaten" Oligarchen sind vor allem in der lukrativen Rohstoffförderung, Metallurgie und Düngemittelproduktion aktiv. Hinzukommen das Bankenwesen und die Telekommunikation. In ihren Unternehmenskonglomeraten verschmelzen Finanz- und Industriekapital. Sie tätigen Investitionen im Ausland, wenn auch nicht in dem Umfang, wie die großen Industrieländer [5] , gründen Tochterfirmen im Ausland und sind vielfältig mit ausländischen Konzernen verflochten. So berichtet die FR im Mai 2022: "Insgesamt bis zu einer Billion Dollar an russischem Vermögen sind Wirtschaftsstudien zufolge in Offshore-Firmen gelagert – ein erheblicher Teil der russischen Wirtschaft. Weiter wird davon ausgegangen, dass die reichsten Menschen Russlands im Ausland so viel Finanzvermögen haben wie die gesamte Bevölkerung im eigenen Land."[6] Diese engen Verflechtungen führten bei einigen Oligarchen dazu, dass sie selbst ihren Hauptwohnsitz im Ausland haben, dazu die doppelte Staatsbürgerschaft.
Ein Report des unternehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft von 2022 kommt im Gegensatz zu einigen Politologen, die den Machtverlust der Oligarchen überbewerten, zu dem Schluss: "Trotz des Machtverlusts der früheren Oligarchen ist Russland weiterhin ein oligarchisch organisiertes Machtsystem, da eine exklusive Elite mit Hilfe extraktiver politischer und wirtschaftlicher Institutionen maßgeblich die Schwerpunkte in der Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik bestimmt. Diversifizierungen der Wirtschaft und technologische Sprünge in innovative Sektoren fanden nicht statt, denn diese Umstrukturierung wäre nur unter der Hinzunahme von neuem, externem Know-how möglich gewesen, was zwangsläufig zur Umschichtung von Ressourcen, zur Streuung von Profiten und zur Neuverteilung von Macht geführt hätte. Das konnte nicht im Interesse der exklusiven Elite sein, die mit dem Export von Rohstoffen weiterhin hohe Renten erwirtschaftete."[7]
Als Beispiel für die enge Verzahnung von Staat und Oligarchie sein hier die Steuereinnahmen genannt. Einige Zahlen:
- 2016 betrug der Umfang der Steuereinnahmen der RF 28,2 Bio. Rubel, wovon 11,4 Bio. Rubel oder gut 40 % aus der Besteuerung von Unternehmen stammen.[8]
- Die 50 größten russischen Zahler von Unternehmenssteuern kamen auf einen Anteil von 47 % am Gesamtumfang der Unternehmenssteuern, die 10 größten auf 38 %. Von ihnen stammten sieben aus dem Öl- und Gassektor. Die 3 größten kamen auf 27%, wovon Rosneft mit 12 % der größte Zahler von Unternehmenssteuern war, gefolgt von Gazprom mit 10 %, und Lukoil, gegenüber den ersten in Privatbesitz, mit 5 %.
- Nach Branchen differenziert kommt man zu folgenden Anteilen an den 50 größten Steuerzahlern:
73 % kamen aus der Öl- und Gasbranche, es folgte weit abgeschlagen die Finanzbranche mit 6 % auf dem zweiten Platz, dann Metallurgie und Bergbau, das Transportwesen und die übrige Energiewirtschaft ohne Öl und Gas. - Damit trug die Öl- und Gasbrache mit gut 34 % zum gesamten Unternehmenssteuer- und mit knapp 13 % zum gesamten Steueraufkommen bei.[9]
Diese Daten verweisen auf die Kapitalkonzentration in Russland, einerseits den hohen Anteil des staatlich dominierten Öl- und Gassektors an den Staatseinnahmen und damit seine herausgehobene Bedeutung für den Staat und andererseits die unbedeutende Rolle der kleinen und mittleren Unternehmen. Generell kann man sagen, dass die größten Steuerzahler vollständig oder teilweise unter staatlicher Kontrolle stehen. Mit den von ihnen generierten Einnahmen kann der Staat strategisch steuernd auf die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft einwirken. Damit geht die Tendenz einher, dass das Problem, Lücken im Staatshaushalt zu füllen, bisher immer mehr auf Kosten der großen Steuerzahler aus den staatlich dominierten Bereichen der Öl- und Gasförderung, gelöst wird.[10] Private Oligarchen werden geschont.
Wenn der Staat einen signifikanten Teil seiner Einnahmen von einer Hand voll vor allem rohstofffördernder Unternehmen bezieht, macht er sich damit vom volatilen Weltmarktgeschehen, Devisenschwankungen und politischem Druck abhängig. Seit Beginn des Ukrainekriegs werden die Nachteile dieses Systems deutlich. Von Januar bis April 2023 gingen die russischen Öl- und Gaseinnahmen um 52 % auf 2.282 Milliarden Rubel im Vergleich zum Vorjahr um zurück. Als Gründe dafür gibt das Finanzministerium eine hohe Vergleichsbasis zum Vorjahr, den Rückgang der Preise für Öl der Marke Urals, und gesunkene Erdgasexporte an. Da nach Zahlen des russischen Statistikamts Rosstat die Gewinne bei Unternehmen mit einem Staatsanteil von über 25 Prozent im letzten Jahr sich mehr als halbierten, während sich die Unternehmensgewinne insgesamt nur um knapp 13 Prozent verringerten, wird deutlich, dass private Unternehmen weniger Verluste einfuhren.
Der Präsident und Vorstandsvorsitzende der Außenhandelsbank VTB Andrej Kostin nutzte diese Situation, um für eine erneute Privatisierungsetappe zu werben, die auf diesem Weg Gelder für die Einrichtung neuer Logistikkorridore, die Wiederinbetriebnahme ganzer Industriezweige und die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit des Landes bringen solle.[11] Die Ursache des großen Gewinneinbruchs bei den staatlich dominierten, vor allem in der Rohstoffförderung aktiven Unternehmen werden bewusst ausgeblendet. Aber die Zwickmühle wird deutlich: Während es für die bisherigen großen Steuerzahler wirtschaftlich enger wird, lehnen die privaten Unternehmen Steuererhöhungen ab.
Im Gegensatz zu den von der Oligarchie dominierten Wirtschaftszweigen, vor allem dem Rohstoffsektor, ist die verarbeitende Industrie schwach entwickelt. Ein Grund hierfür ist einerseits die Marktöffnung in den neunziger Jahren, wo einheimische Produkte durch Importe vom Markt verdrängt wurden, andererseits die geringere Profitabilität gegenüber der Rohstoffgewinnung. So wurde die Industriestruktur des Landes nur wenig diversifiziert und Russland vom Import zahlreicher wichtiger Güter u.a. komplexe Endprodukte wie Maschinen, Elektronik, selbst für die Rüstungsindustrie, und Kraftfahrzeuge abhängig. Die Tatsache, dass die spätestens seit den westlichen Sanktionen nach der Übernahme der Krim proklamierte Offensive zur Importsubstitution bisher keine großen Erfolge gezeitigt hat, ist dieser geringeren Profitabilität geschuldet. Sie wurde nur halbherzig verfolgt, worauf die KPRF stets warnend hinweist.[12]
Auf Grundlage der beschriebenen Wirtschaftsstruktur kann festgestellt werden, das Russland ökonomisch nicht in der ersten Liga der hochentwickelten imperialistischen Länder spielt.
2. Politische Herrschaftsstrukturen in Russland
Vor dem Hintergrund dieses staatsmonopolistischen Systems in der Russischen Föderation sind die dortigen politischen Herrschaftsstrukturen zu sehen. Das Zusammenwachsen der politischen Macht von Staatsbürokratie mit der Oligarchie wird in der 2012 durchgeführten und 2017 erneuerten Untersuchung der Consulting Group Mintschenko mit ihrem Modell des "Politbüro 2.0" verdeutlicht. Die herrschende politische Elite in Russland besteht aus einem Konglomerat von Clans und Gruppen, die um die Ressourcen des Landes konkurrieren.
Das Politbüro 2.0 ist als informelles Organ, dass sich nach dem Machtantritt Putins herausgebildet hat, dazu da, die bestehenden Widersprüche zu lösen. Dabei tritt Putin in der Rolle des Schiedsrichters und Moderators auf. Um das "Politbüro 2.0" mit Vertretern von Staat und Oligarchie als Mitgliedern, hat sich eine Reihe konkurrierender Gruppen formiert, die als Silowiki (Militärs, Geheimdienstler und Angehörige anderer bewaffneter Organe), Unternehmer, Politiker (Regierung, "System"oppostition und Kirche) und Techniker bezeichnet werden. Deren einflussreichste Vertreter werden als "Kandidaten" für die Mitgliedschaft im "Politbüro 2.0" bezeichnet. Die übrigen gehören zur Peripherie, dem Zentralkomitee.[13]
Zwei in der Studie von 2017 gemachte Vorhersage sind erwähnenswert, da sie sich im Nachhinein als richtig erwiesen haben. Die erste Vorhersage lautet: "Innerhalb des Politbüros 2.0 werden zwei breite Koalitionen gebildet: die Mobilisierungskoalition (militärisch-industrieller Komplex + Sicherheitsdienste, …) und die Modernisierungskoalition (der liberale Block der Regierung, die Privatwirtschaft, …)." Und die zweite Vorhersage lautet: "Eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zum Westen ist praktisch unvermeidlich und wird zu Konflikten an Russlands Peripherie führen. Dies wiederum wird das Politbüro 2.0 in Richtung des Mobilisierungsszenario stoßen."[14]
Ich werde mich im Weiteren mit den Kräften der Mobilisierungskoalition beschäftigen, die nach Beginn des Krieges auch Unterstützung von ehemaligen "Modernisierer", siehe z.B. Medwedew, bekommen hat.[15]
Nun zu drei der oben erwähnten Gruppen, den Silowiki, den Oligarchen und den Politikern vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Ukraine. Ich möchte keine umfassende Analyse entwickeln, sondern einige m.E. interessante Aspekte darstellen.
2.1. Silowiki und neue Akteure auf militärischem Gebiet vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs
Die Silowiki haben schon immer eine große Rolle im russischen Machtgefüge gespielt. Sie sind die entscheidende Kraft im vom Präsidenten geleiteten russischen Sicherheitsrat, in dem gemeinsame Entscheidungen in Sachen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik getroffen werden sollen. Viele der Sicherheitsratsmitglieder sind enge Weggefährten Putins aus Leningrader Tagen.
Am 21. Februar 2022 trat der Sicherheitsrat zu einer Sitzung über die Anerkennung der Republiken im Donbass zusammen, die m.E. ganz bewusst im Fernsehen übertragen wurde. Putin setzte sich in Oberlehrermanier gegenüber den Anwesenden als Alleinherrscher in Szene. Den Chef des Auslandsgeheimdienstes Sergej Naryschkin kanzelte er wie einen dummen Schuljungen ab. Daraufhin gingen einige Beobachter von einem Machtverlust der Geheimdienstchefs aus. Dem steht allerdings entgegen, dass es nach dem Angriff keine personellen Veränderungen an der Spitze der Geheimdienste gegeben hat, und dass trotz der verheerenden Fehleinschätzungen, für die u.a. die Geheimdienste neben anderen nicht unwesentlich verantwortlich sein werden.[16] Diese Veranstaltung kann m.E., genau wie die Sitzung mit den Oligarchen wenig später, als gezielte Inszenierung für das Volk gesehen werden, in der Putin sich als starker Alleinherrscher darstellt, der in der angespannten Situation einer militärischen Konfrontation die Zügel fest in der Hand hält.
Als Vertreter der Armee gehören diesem Kreis z.Z. der Verteidigungsminister Sergej Schoigu, ein enger Freund Putins, und Waleri Gerassimow, Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte und seit Januar 2023 Oberbefehlshaber über die russischen Truppen in der Ukraine, an. Da die sogenannte "militärische Spezialoperation" im Gegensatz zu den offiziellen Verlautbarungen so gar nicht nach Plan läuft, geraten die Vertreter der Armee in der Öffentlichkeit immer stärker unter Druck. In den russischen Medien wird, entgegen der sonstigen Einschränkung der Meinungsfreiheit mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, erstaunlich offene Kritik an der Strategie und Taktik der Kriegführung geübt. Der Druck lässt sich auch an den zahlreichen, kurz aufeinanderfolgenden Umbesetzungen in der oberen Armeeführung nachvollziehen.[17] Vor diesem Hintergrund ist die Rolle der Armeeführung in Kriegszeiten einerseits zwar gewachsen, andererseits ist die Position ihrer einzelnen Vertreter unsicherer geworden. Sie hat Konkurrenz bekommen.
Neue Akteure treten neben der Armeeführung auf. Sie gehören zwar nicht dem engsten Führungskreis an, haben jedoch einen großen Machtzuwachs u.a. medial erfahren, und müssen in das Herrschaftssystem eingebunden werden.
Da ist Ramsan Kadyrow erwähnenswert, der 2007 auf Vorschlag Putins vom tschetschenischen Parlament zum Präsidenten gewählt wurde und der mit harter Hand Tschetschenien unter russischer Kontrolle hält. Im Oktober 2022 wurde er, wohl als Dank für den Ukraine-Einsatz von Teilen seiner Miliz, die 2006 als Regiment der Russischen Nationalgarde[18] legalisiert wurde, zum Generaloberst befördert. Das ist der dritthöchste, eigentlich der zweithöchste Rang in den russischen Streitkräften, da es z.Z. keine Marschälle gibt.
Wichtiger als Kadyrow mit seinen in offizielle Strukturen eingebundenen Kämpfern ist das private Kriegsbusiness, ein stark wachsender Wirtschaftszweig in Russland, der bisher ohne gesetzliche Grundlage im Graubereich agiert.[19] Seine Bedeutung liegt für den Staat vor allem darin, dass diese Unternehmen Söldner zum Kampf in die Ukraine schicken und ihn so davor bewahren, selbst noch mehr junge Männer zu mobilisieren. Diese Unternehmen verbinden mit dem Krieg ihre privaten, eigennützigen Profitinteressen. Dies ist m.E. der Grund für ihre zunehmend schärferen Angriffe auf Vertreter der Armee und des Staates, die ihrer Ansicht nach sich nicht hart genug für den Krieg engagieren. Sie treten radikal für eine Verschärfung der Kampfführung ein.
Jewgenij Prigoschin, Chef des Privaten Sicherheits- und Militärunternehmens "Wagner", ein recht zwielichtiger Geschäftsmann mit engen Beziehungen zu Putin, ist z.Z. sein exponiertester Vertreter. Ihm gehören nicht nur die Cateringfirma Concord und zahlreiche weitere Unternehmen im Bereich Gastronomie zur Versorgung staatlicher Einrichtungen, weshalb er Putins Koch genannt wird, sondern laut der Zeitschrift "Capital" auch Rohstofffirmen. Sein internationales Firmennetzwerk erwirtschaftete laut Recherchen der "Financial Times" 2021 250 Mio. Dollar. Das Geld stammt hauptsächlich aus Geschäften mit Öl, Gold, Diamanten und anderen Rohstoffen aus Afrika und dem Nahen Osten. Erlöse von Prigoschins russischen Unternehmungen sind dabei nicht berücksichtigt.[20]
Vor diesem Hintergrund bekommt das 2014 gegründete private Sicherheits- und Militärunternehmen "Wagner" einen Sinn, denn die Söldner dieses Unternehmens kämpfen nicht nur in der Ukraine, sondern auch in afrikanischen Ländern und Syrien. Die Gruppe wurde laut eines Artikels der Bundeszentrale für politische Bildung nie als Unternehmen registriert, denn es fehlt wie bereits erwähnt die gesetzliche Grundlage. Zwar ist es in Russland legal, eine private Sicherheitsfirma zu betreiben. Private Militärfirmen, die militärische Dienste durch Söldner anbieten, sind allerdings laut dem russischen Strafgesetzbuch verboten. Nichtsdestotrotz hat Putin selbst auf einer Pressekonferenz bereits 2018 die Wagner-Gruppe erwähnt. "Putin betonte, die Gruppe könne ihren geschäftlichen Interessen in jedem Teil der Welt nachgehen, sofern sie dabei keine russischen Gesetze bräche."[21] Vielleicht dient die fehlende Klärung des rechtlichen Status dieser Unternehmen dazu, sie leichter unter Kontrolle zu halten.
Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass eine weitere Privatisierung hoheitlicher Sicherheits- und Militäraufgaben bevorsteht. So stellt Kirill Strelnikow in einem Artikel in RIA Nowosti vom 29.03.2023 fest: "Gestern gab der Leiter des russischen Energieministeriums, Nikolai Schulginow, auf der letzten Vorstandssitzung des Ministeriums bekannt, dass die Lukoil Corporation die Einrichtung einer privaten Sicherheitsorganisation abgeschlossen hat, deren Aufgabe es ist, die Anlagen des Brennstoff- und Energiekomplexes zu schützen. Auch Gazprom Neft arbeitet am Aufbau einer ähnlichen Organisation, und bereits 2013 wurde Gazprom und Transneft selbst eine ähnliche Genehmigung erteilt. Die Leiter der neuen Machtstrukturen betonen nachdrücklich, dass es sich nicht um private Militärunternehmen handelt und dass diese Organisationen ausschließlich dem Schutz ziviler Produktionsanlagen dienen sollen. Man hat jedoch den Eindruck, dass wir kurz vor einer ernsthaften Zunahme korporativer und anderer paramilitärischer Strukturen und einer grundlegenden Änderung des Ansatzes für den Einsatz militärischer Gewalt stehen. … Nach Ansicht von Experten muss Verantwortung mit Befugnissen einhergehen, und früher oder später werden private Sicherheitsunternehmen mit entsprechenden Ressourcen und militärischen Mitteln ausgestattet sein, was bedeutet, dass diese Strukturen unweigerlich in das System der militärischen Planung, Beschaffung, Aufklärung und tatsächlichen Kriegsführung einbezogen werden müssen, das derzeit vom Verteidigungsministerium und dem Generalstab gehalten wird."[22]
Dazu passt die Information, dass bei den Kämpfen um Artjomowsk (Bachmut) neben "Wagner" auch das Freiwilligenbataillon "Potok" der neuen Privat Military Company (PMC) von Gazprom im Einsatz ist. Aus der Konkurrenzsituation zwischen den unterschiedlichen militärischen Akteuren auf dem Schlachtfeld kommt es immer wieder zu Problemen aufgrund mangelnder Absprachen.[23] Das wirft bei Sergej Gontscharow, dem Ehrenpräsidenten der Internationalen Vereinigung der Veteranen der Anti-Terror-Einheit "Alpha" die folgende Frage auf: "…wem hat die PMC von Gazprom die Treue geschworen? Miller? Und wem hat Wagner den Eid geschworen? Es sind Söldnertruppen. Und die könnten bald noch viel zahlreicher werden. Immerhin hat der Präsident die Idee unterstützt, private Militärfirmen zu gründen."[24]
Sowohl der tschetschenische Staatschef Ramsan Kadyrow als auch die Union der Freiwilligen des Donbass sind daran interessiert, eigene PMCs zu gründen.[25] Nicht im Einzelnen nachprüfbar, zumindest von russischer Seite nicht bestätigt, ist die Information, die n-tv Ende Dezember verbreitete, nach der der russische Verteidigungsminister Schoigu das private russische Sicherheits- und Militärunternehmen "Patriot", dass eng mit dem russischen Verteidigungsministerium und dem Militärgeheimdienst GRU verknüpft sein soll, in der Ukraine einsetzen will, um den Einfluss der Wagner-Gruppe zurückzudrängen.[26]
Durch die Initiative des Verteidigungsministeriums vom Juni 2023, etwas Ordnung in die Zusammenarbeit zwischen dem Ministerium und den Freiwilligenverbänden zu bringen, wurde bekannt, dass es bis jetzt gut 40 solcher Verbände gibt.[27] Während die ersten Verträge bereits abgeschlossen sind, verweigert Prigoschin die Vertragsunterzeichnung,
2.2. Die Oligarchen vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs
Neben dem Aufbau privater Sicherheits- und Militärunternehmen drückt sich die Privatisierung der hoheitlichen militärischen Aufgaben auch in der Heranziehung oligarchischer Strukturen zur Finanzierung der Verteidigungsaufgaben aus. Ein Beispiel ist der Flugplatz Lewaschowo in der Nähe von St. Petersburg, der im Dezember nach Umbauarbeiten eröffnet wurde, und die neue Heimatbasis der russischen Marineflieger ist. Der Bau wurde nicht vom Verteidigungsministerium, sondern von Gazprom finanziert. Bereits 2021 wies Putin das Unternehmen an, einen Konzessionsvertrag mit dem Ministerium abzuschließen. Im Gegenzug erhielt der Staatskonzern das Recht, die Anlage gemeinsam mit dem Militär zu betreiben. Wie Alexej Axjonow in der Swobodnaja Pressa vom 26.03.2023 feststellte, wurde damit "ein erfolgreicher Präzedenzfall für die Zusammenarbeit zwischen Großunternehmen und Militär im Interesse der Stärkung der Verteidigung des Landes geschaffen".[28]
Dies scheint der erfolgversprechendere Weg in einem staatsmonopolistischen System zu sein, die Oligarchie zur Entlastung des Staatshaushalts zu gewinnen, als der Versuch, den die russische Regierung im Februar 2023 unternahm, als sie die russischen Großunternehmen bat, auf freiwilliger Basis einen Beitrag zu den Sozial- und Infrastrukturausgaben im Haushalt in Höhe von 300 Mrd. Rubel zu leisten. Die Antwort des Vorsitzenden des Russischen Industriellen- und Unternehmerverbandes, Alexander Schochin, war zu erwarten – die Idee sei nicht durchführbar.[29] An eine allgemeine Erhöhung der Unternehmenssteuern hat die russische Regierung bisher nicht gedacht.
Sowohl die wachsende Bedeutung der privaten Sicherheits- und Militärunternehmen, als auch die Finanzierung von Projekten des Verteidigungsministeriums zur Entlastung des klammen Staatshaushalts, verdeutlicht, dass zumindest einige Teile der Oligarchie ihren Einfluss im Staat mit dem Ukrainekrieg ausweiten konnten. Während die vom Krieg profitierenden Kreise der Oligarchie, wie oben bereits erwähnt, z.T. scharfe Kritik an dem ihrer Meinung nach inkonsequenten Vorgehen der Staatsorgane in der Kriegssituation üben, kam von anderen Teilen der Oligarchie vorsichtige Kritik am Krieg.[30] Diese Äußerungen haben meines Wissens zu keinen Konsequenzen für die Kritiker geführt, ebenso wenig die mangelnde "Spendenbereitschaft" der Oligarchen. Ganz im Gegenteil: Der Staat scheint ihre wirtschaftlichen Interessen, soweit es ihm möglich ist, zu wahren, auch wenn das mit Blick auf den Krieg zu Widersprüchen führt.
Die Tatsache, dass es Russland gelang, Abnehmer für seine Rohstoffe in zahlreichen nicht an den Sanktionen beteiligten Ländern zu finden, führt neben den relativ hohen Rohstoffpreisen dazu, dass die westlichen Sanktionen die Oligarchen wesentlich weniger treffen als im Westen erhofft.[31] Der "Spiegel" konstatierte Ende April 2023, dass es Russlands Superreichen viel besser als im Vorjahr geht, wenn auch lange nicht so gut wie vor Kriegsausbruch. Der Internationale Währungsfonds IWF hob seine Wachstumsprognose für das Land zuletzt von 0,3 auf 0,7 Prozent an.[32]
Der Außenhandel verlagert sich mitnichten vollständig auf nichtsanktionierende Länder. Daneben floriert der Handelsaustausch mit sanktionierenden Ländern über Drittländer wie die Türkei, Kasachstan u.a. oder direkt, wie Prof. Valentin Katasonow in einem Artikel in der Swobodnaja Pressa vom 19.09.2022 schreibt: "Die jüngsten Zahlen des US-Handelsministeriums zeigen, dass die Vereinigten Staaten zwischen Januar und Juli dieses Jahres amerikanische Waren im Wert von 1,3 Milliarden Dollar nach Russland exportiert haben. Die Einfuhren aus Russland in die USA in diesem Zeitraum werden auf 11,64 Milliarden Dollar geschätzt. Der russisch-amerikanische Handel gleicht in diesem Jahr also einer Einbahnstraße. Unsere Lieferungen über den Ozean übersteigen unsere Einkäufe aus Übersee um fast das Neunfache!"[33] Im Jahr zuvor waren sie noch ausgeglichen.
Oligarchen treiben, ohne vom russischen Staat behelligt zu werden, selbst Handel mit der Ukraine, wie auf EURACTIV im Januar 2023 berichtet wurde. Die einzige Raffinerie Bulgariens befindet sich im Besitz des privaten russischen Ölkonzerns Lukoil. Von Januar bis November 2022 exportierte das Land Kraftstoffe im Wert von 700 Millionen Euro in die Ukraine. Verglichen mit der Zeit vor dem Krieg ist dies eine Steigerung um das Tausendfache, da die bulgarischen Kraftstoffexporte in die Ukraine im Jahr 2021 nur 750.000 Euro betrugen. Wladimirow, Direktor des Energie- und Klimaprogramms der bulgarischen Denkfabrik Center for the Study of Democracy (CID) und einer der führenden bulgarischen Energieexperten, betonte, " … , dass alle Produkte, die in die Ukraine exportiert werden, entweder direkt in Russland produzierte Kraftstoffe sind oder von Lukoil Neftohim hergestellt werden".[34] Diese Beispiele zeigen die Probleme des Staates, einerseits die Kriegsziele in der Ukraine vorantreiben zu wollen, andererseits die Spielräume der Oligarchie nicht zu sehr einzuschränken, sich damit vielleicht auch mögliche Optionen wiederauflebender Zusammenarbeit für die Zeit nach dem Krieg offenzuhalten.
2.3. Politiker vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs am Beispiel der oppositionellen der KPRF
Die größte in der Duma vertretene Partei, "Einiges Russland" steht für die bereits beschriebene Politik des Staates und bedarf daher hier keiner weiteren Erörterung. Ich werde mich in den folgenden Betrachtungen bei den politischen Organisationen auf die größte oppositionelle Partei mit der größten Oppositionsfraktion in der Duma, die KPRF, beschränken. Damit spielt sie im Machtgefüge in Russland keine unwesentliche Rolle. Die zahlreichen kleinen linken Gruppierungen verfügen über keinen Einfluss. Die bürgerliche Opposition hat unter dem Druck der Repression ihren ohnehin nie sehr großen Einfluss weiter einbüßen müssen.
Die KPRF versteht sich als Korrektiv zur oligarchenfreundlichen Regierung, indem sie sich als Vertreterin der sozialen Interessen der Bevölkerung und des Wohls des gesamten Landes sieht. Dabei liegt ihr Bezugspunkt in der sowjetischen Geschichte, was sie dadurch bekräftigt, dass sie stets von der Notwendigkeit einer leninistisch-stalinistischen Modernisierung spricht, mit der an die alten Errungenschaften angeknüpft und zu alter Größe zurückgekehrt werden soll.
Die wichtigsten Forderungen hat die KPRF in einem Programm mit dem Titel "Zwanzig dringende Maßnahmen zur Umgestaltung Russlands" dargelegt.[35] Sie strebt eine Mobilisierungswirtschaft und die Wiedereinführung einer strategischen und Kurzfristplanung auf Grundlage eines Fünfjahresplans an. Es folgen detaillierte Forderungen zur Steuerung der Wirtschaft, zur Konsolidierung des Staatshaushalts sowie auf sozialem und gesellschaftlichem Gebiet. Des Weiteren arbeitet die KPRF eigenen Aussagen nach an einem neuen Wahl- und einem neuen Arbeitsgesetzbuch sowie einer neuen Verfassung.
Allerdings werden die zahlreich von der KPRF eingebrachten Gesetzesentwürfe jedoch fast alle von der Mehrheitspartei "Einiges Russland" abgelehnt[36], was jedoch nicht dazu führt, dass die Partei ihre Aktivitäten stärker aus dem Parlament auf die Straße verlagert, wozu auch die Repressionen beitragen mögen, die zahlreiche Parteimitglieder selbst bei kleinen Aktivitäten zu erleiden haben. Juri Afonin, stellvertretender Vorsitzender der KPRF, hört sich in einem Interview recht staatstragend an: "Ich möchte der russischen Oligarchie sagen: Verstehen Sie, heute entscheidet sich Ihr Schicksal zusammen mit dem Schicksal Russlands. Jahrzehntelang haben Sie in Saus und Braus gelebt, Sie haben sich in der Tat riesiges Staatseigentum für Pfennige angeeignet. Entwickeln Sie Ihr Land, investieren Sie Ihr Geld darin. Stimmen Sie einer Steuererhöhung zu. Nehmen Sie sich ein Beispiel an den westlichen Bonzen, die auf dem letzten Forum in Davos mit dem Vorschlag auftraten, die Steuern für die Reichen zu erhöhen."[37]
Trotz Zurückweisung und Repressionen wird immer wieder der Schulterschluss mit Putin gesucht, besonders nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Seine Reden werden gelobt. So äußerte sich Gennadi Sjuganow, Vorsitzender der KPRF nach einem Treffen der Duma-Fraktionen mit Putin am 7. Juli 2022 wie folgt: "In meiner Rede im Kreml habe ich betont, dass es in letzter Zeit eine Reihe von bedeutenden Ansprachen des Präsidenten an das Land gegeben hat. An erster Stelle steht die Botschaft, in der die wichtigsten Aufgaben aufgeführt sind. Ich stimme ihnen absolut zu: eine der fünf führenden Mächte der Welt zu werden, das Aussterben und die Verarmung zu stoppen, einen Durchbruch in der neuesten Technologie zu erzielen."[38]
Putins Äußerung am Tag zuvor vor dem Valdai-Klub, dass der Kapitalismus in eine Sackgasse geraten und dass gegen die Idee des Sozialismus nichts einzuwenden sei, werden von Sjuganow immer wieder herangezogen. Es scheint folgendes Muster zu geben – guter Präsident, böse Administration. Sjuganow erklärte auf dem erwähnten Treffen mit Putin, dass es die Hauptsache sei, dass der Präsident einen neuen sozialistischen Kurs ankündigt. Und weiter in einem Interview: "Ich drehte mich zu den Anwesenden um: Da sitzt Wolodin (Duma-Vorsitzender, D.G.) neben mir und lächelt - er hat keine Einwände mehr. Wir müssen das Präsidententeam, die Verwaltung und die Regierung von der Notwendigkeit eines neuen Kurses überzeugen - dann wird alles gut werden."[39]
Afonin bringt die Haltung der KPRF gegenüber dem russischen System auf den Punkt, wenn er sagt, "dass in der gegenwärtigen Konfrontation derjenige gewinnen wird, dem es unter anderem gelingt, die innere Stabilität seines Landes zu wahren. Wir können sehen, welche Proteste Frankreich derzeit erschüttern. Die russische Gesellschaft sieht jetzt viel gefestigter aus, aber wir müssen alles tun, um diese soziale Einheit zu erhalten."[40]
Die von Afonin konstatierte Einheit der russischen Gesellschaft beruht darauf, dass es den Herrschenden in Russland gelungen ist, die Fragen der sozialen Ungleichheit durch ein Gefühl einer nationalistischen, ultrakonservativen Wertegemeinschaft zu überspielen. Die gemeinsame Sprache und Kultur, der gemeinsame orthodoxe Glaube, überlieferte Traditionen, all dies macht die Wertegemeinschaft aus, die häufig als "Russkij Mir", die "Russische Welt", bezeichnet wird.[41] Da die KPRF in die Propaganda dieser Wertegemeinschaft eingestiegen ist und sie entschieden vertritt, stützt sie m.E. zur Zeit das derzeitige russische Herrschaftssystem. Das drückt sich auch im von der KPRF vertretenen Geschichtsbild aus.
Der KPRF-Vorsitzende, Gennadi Sjuganow legt seit Gründung der KPRF vor 30 Jahren immer wieder seine Vorstellungen von der russischen Geschichte und ihre Grundlage dar. O-Ton Sjuganow: "Ein korrektes Verständnis der russischen Geschichte im Allgemeinen und ihrer herausragenden sowjetischen Periode ist unmöglich, ohne zu erkennen, dass die sozialistische Idee im Christentum verwurzelt ist. In der evangelischen Predigt von Barmherzigkeit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Nächstenliebe, Ablehnung von Lüge und Ausbeutung. Die primäre Grundlage der sozialistischen Weltanschauung liegt in diesem Glauben, mit dessen Annahme sich die Russen schließlich zu einer geeinten Nation formten. Und den Weg der konsequenten geistigen, kulturellen, öffentlichen und politischen Gestaltung beschritten."[42] Da ist es nicht verwunderlich, wenn Sjuganow 2013 verkündete, dass jedes dritte Mitglied der KPRF gläubig sei.[43] Da verwundert es auch nicht, dass die Russisch-Orthodoxe Kirche 2014 Sjuganow zu Ehren seines 70. Geburtstags und für seine Arbeit zum Schutz der traditionellen geistigen und moralischen Werte mit dem "Orden für Ehre und Ruhm" auszeichnete.[44]
Auf Grundlage dieser Einordnung der russischen Geschichte folgt die Verklärung der Rolle Russlands und des russischen Volkes in der Weltgeschichte: "Das von den Russen geschaffene Reich ist das einzige in der Weltgeschichte, das nicht durch Eroberung, Raub und Ausrottung anderer Völker entstanden ist, sondern durch verbündete Einheit mit ihnen, in der Regel auf freiwilliger Basis. Auf diesem Weg mussten die Russen nur dann zu den Waffen greifen, wenn sie die mit ihnen verbündeten Völker unter ihren Schutz nahmen und ihnen halfen, sich gegen die mit Vernichtung drohenden Invasoren zu verteidigen." Und weiter: "Ohne sie sähe die Welt ganz anders aus, und viele der Völker, die sie heute bevölkern, würden nicht mehr existieren. Das Gleiche kann man von keiner anderen Macht sagen. Solche Worte können nur über die Russen und Russland gesagt werden."[45] Dass Lenin seinerzeit das zaristische Russland als Völkergefängnis bezeichnete, kommt im Narrativ der KPRF nicht mehr vor.
Wladimir Nikitin, Mitglied des Präsidiums des ZK der KPRF und Leiter der allrussischen gesellschaftlichen Bewegung zur Wiederbelebung der Traditionen der Völker Russlands "Allrussische schöpferische Bewegung Russkij Lad (Russischer Weg, D.G.)" beschreibt den Erfolg des Wirkens der KPRF und der Linken Patriotischen Kräfte in seinem Bericht an den III. Kongress dieser Vereinigung im April 2023: "Die DVR und die LVR wurden anerkannt und in die Russische Föderation eingegliedert. Eine Militäroperation zur Wiederherstellung der zivilisatorischen Grenzen der russischen Welt ist im Gange. Ein Änderungsantrag der KPRF über die staatsbildende Rolle des russischen Volkes wurde in das Grundgesetz Russlands - die Verfassung der Russischen Föderation - aufgenommen. Es wurde ein Präsidialerlass "Über die Verabschiedung der grundlegenden staatlichen Politik zur Bewahrung und Stärkung der traditionellen russischen geistigen und moralischen Werte" erlassen. Gesetze zum Verbot der Propaganda von LGBT-Ideen und zum Schutz der russischen Sprache vor Überfremdung wurden verabschiedet."[46]
Auch wenn nicht bekannt ist, inwieweit es des Drucks der KPRF bedurfte, die o.g. Initiativen zu ergreifen, wird hieraus deutlich, dass die KPRF auf dem Gebiet der nationalistischen und wertekonservativen Umgestaltung Russlands ihren Einfluss erfolgreich nutzt.
3. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das politische System mit einer Clique aus einflussreichen Vertretern der Oligarchie und der Sicherheitskräfte an der Spitze bisher uneingeschränkt die Macht in Russland ausübt. Präsident Putin gelingt es bis heute ihre zum Teil unterschiedlichen Interessen auszutarieren und zwischen ihnen zu vermitteln. Flankiert wird dieses System durch eine zunehmend nationalistischere, reaktionäre Ideologie, die Eingang in das Bewusstsein vieler Russen und auch weiter Teile der politischen, selbst sich als links verstehenden Opposition findet. Damit gelingt es den Herrschenden besonders in Zeiten der militärischen Konfrontation, des Krieges gegen die Ukraine und des Kampfes gegen den "kollektiven Westen", große Teile der Bevölkerung und der Opposition systemstabilisierend einzubinden.
Der nationalistische Hype lenkt vom Kampf für soziale und wirtschaftliche Verbesserungen ab. Der Krieg führt zu einem weiteren Abbau der ohnehin schmalen demokratischen Rechte sowie zu einer Kriminalisierung jeglicher Proteste. Dabei ist die Bewaffnung von Teilen der Oligarchie mit Blick auf künftigen, wenn auch noch nicht sichtbaren Widerstand gegen die Oligarchenherrschaft in Russland besorgniserregend.
Sergej Udalzow, Koordinator der Linksfront in Russland, der wegen der Organisation von Protesten gegen die massiven Wahlfälschungen 2012 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, stellte in einem Artikel der Swobodnaja Pressa Ende Januar 2023 fest:
"Leider muss man zugeben, dass viele Gruppen in Macht- und machtnahen Wirtschaftskreisen von einer langandauernden militärischen Spezialoperation profitieren. Die einen ziehen daraus zynischen Profit, die anderen verlängern und festigen damit ihre dominante politische Position im Land.
Meines Erachtens ist dies der Grund, warum die Ziele der militärischen Spezialoperation unklar bleiben und ständig angepasst werden, was theoretisch ihre unbegrenzte Fortführung ermöglicht. Gleichzeitig wird unter dem Deckmantel des Patriotismus versucht, aktive Mitglieder der Zivilgesellschaft einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen, die versuchen, sich der Gesetzlosigkeit der Wirtschaftsmafia und der korrupten Beamten zu widersetzen, die sich im Rahmen der Sonderaktion noch verstärkt hat. …"[47]
M.E. besteht die Gefahr, dass sich aufgrund der ausbleibenden Erfolge des russischen Militärs in der Ukraine nationalistische und militaristische Scharfmacher die Oberhand gewinnen. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass, sollte es zu weitreichenden Mobilisierungen in Russland kommen, es doch zu Protesten in der russischen Bevölkerung kommt. Bisher gelang es der Regierung das Kriegsgeschehen weitestgehend von ihr fernzuhalten.
Ditte Gerns
Hinweis: Vorabveröffentlichung aus den Marxistischen Blättern, Oktober-Ausgabe 2023
Anmerkungen
[1] Vgl. dazu auch: Cécile Vaissié, Putin, Chef der Oligarchen, in: Stéphane Courtois, Galia Ackerman (Hg.), Schwarzbuch Putin, Piper Verlag GmbH, München 2023, S. 389 ff.
Neben offen kriminellen Machenschaften in der Anfangszeit der wilden Aneignung staatlichen Eigentums wurden auch Methoden angewandt, die den Anschein der Legalität aufrechterhalten sollten. Dazu gehörte die Ausgabe von Vouchern, Anteilsscheinen an Unternehmen, an deren Beschäftigte, die diese jedoch vor dem Hintergrund der großen wirtschaftlichen Not der neunziger Jahre an die entstehende Oligarchie verkauften. Ebenfalls vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise der neunziger Jahre gaben die neu entstandenen privaten Banken Kredite an den Staat, die mit Anteilen an großen, ertragsstarken staatlichen Unternehmen der Rohstoffförderung und Energiewirtschaft abgesichert wurden. Diese wurden sehr zügig vom bankrotten Staat den Kreditgebern überschrieben.
[2] Vgl. dazu: Dieter Segert, Post-sowjetischer Kapitalismus als Gesellschaftsform – Russland und Ukraine im Vergleich. Ein Essay in Z, Zeitschrift marxistische Erneuerung, Nr. 133, März 2023, S. 30
Fanden 1992 noch Streiks in 6.273 Unternehmen statt, so weist die Statistik für 2018 nur 2 Streiks aus. Fanden 1992 noch Streiks in 6.273 Unternehmen statt, an denen sich 357.600 Menschen beteiligten und 1.893.300 Arbeitstage streikbedingt ausfielen, so weist die Statistik für 2018 nur 2 Streiks mit 100 Teilnehmern und 500 ausgefallenen Arbeitstagen aus. https://rosstat.gov.ru/folder/210/document/12993
Auch wenn es Ende 2022 einen in den Medien beachteten Streik unter den Kurierfahrern von Yandex-Jeda gab, hat sich an dieser Situation nichts geändert. Dazu tragen neben der erwähnten Einbindung der Menschen ins System die harten Repressionen bei. So wurde der Vorsitzende der Gewerkschaft "Kurier", Kirill Ukrainzew, im Februar 2023 "wegen wiederholter Verstöße gegen die Vorschriften für die Abhaltung von Kundgebungen" nach mehr als neun Monaten in Untersuchungshaft zu 1 Jahr und 4 Monaten in einer Strafkolonie verurteilt. Aufgrund der langen Untersuchungshaft kam er nach dem Urteil auf freien Fuß. Auslöser dieses harten Vorgehens waren Kurierproteste am 25. April 2022, wo etwa dreißig Demonstranten zum Büro des Delivery Club marschierten und gegen Lohnkürzungen protestierten, von denen mehr als zehn Personen festgenommen wurden. https://www.svoboda.org/a/glava-profsoyuza-kurjer-ukraintsev-osvobozhdyon-posle-prigovora/32264040.html
[3] Vgl. dazu: Andreas Heinemann-Grüder, Föderalismus in Russland, 26.03.2018; https://www.bpb.de/themen/europa/russland/47962/foederalismus-in-russland/
[4] Vgl. dazu: Heiko Pleines, Wirtschaftseliten und Politik, 31.03.2021; https://www.bpb.de/themen/europa/russland/283101/wirtschaftseliten-und-politik-in-russland/
[5] 2016 lag Russland mit seinen Nettodirektinvestitionen im Ausland auf dem 18 Platz weltweit. https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_L%C3%A4nder_nach_gemachten_ausl%C3%A4ndischen_Direktinvestitionen
Zu den Investitionen 2020 im Vergleich zu den Vorjahren siehe auch: 9.9. ПРЯМЫЕ ИНВЕСТИЦИИ ИЗ РОССИИ В ЭКОНОМИКУ СТРАН-КРУПНЕЙШИХ ПОЛУЧАТЕЛЕЙ ПРЯМЫХ ИНВЕСТИЦИЙ (сальдо операций платежного баланса Российской Федерации; млн долларов США) in: https://rosstat.gov.ru/folder/210/document/12993
[7] Gerards Iglesias, Simon / Hüther, Michael, 2022, Wirtschaftliche Entwicklung durch Rückschritt – zu den Perspektiven der russischen Volkswirtschaft, IW-Report, Nr. 51, Köln, S.11; https://www.iwkoeln.de/studien/simon-gerards-iglesias-michael-huether-wirtschaftliche-entwicklung-durch-rueckschritt-zu-den-perspektiven-der-russischen-volkswirtschaft.html
[8] In dieser Summe sind die Sozialabgaben, die in Russland allein von den Arbeitgebern zu tragen sind, nicht enthalten.
[9] RBC Research: Russlands größte Steuerzahler; https://www.rbc.ru/economics/15/08/2017/597724fd9a794714c9ac187c;.
[10] RBC Research: Russlands größte Steuerzahler; https://www.rbc.ru/economics/15/08/2017/597724fd9a794714c9ac187c; Und so kommt eine Studie vom RBC, auf der die o.g. Daten zur Steuerbelastung der russischen Unternehmen stammen, zu dem Schluss, "dass die Steuerlast für die führenden Unternehmen der russischen Wirtschaft im Jahr 2016 erheblich gestiegen ist. Im Vergleich zu 2015 betrug sie 12,9 %, was einem Anstieg von 0,5 Prozentpunkten entspricht. Dies ist ein sehr starker Anstieg, wenn man bedenkt, dass die vom Föderalen Steuerdienst berechnete Steuerlast für die gesamte Wirtschaft um 0,1 Prozentpunkte gesunken ist. - von 9,7 % im Jahr 2015 auf 9,6 % im Jahr 2016. Es scheint, dass der steuerliche Druck auf mittlere und kleine Unternehmen abnimmt: Entweder lockert die Regierung ihn absichtlich oder sie ist einfach nicht in der Lage, während der Krise mehr Zahlungen vom Massensegment der Wirtschaft einzutreiben."
[11] https://finanzmarktwelt.de/russland-staatseinnahmen-im-sturzflug-aktuelle-daten-270468/
[12] Runder Tisch der KPRF zum Problem der Überwindung der Systemkrise des Landes; https://kprf.ru/dep/gosduma/activities/211335.html oder auf Deutsch in den Marxistischen Blättern, 1/2023, Wladimir Kaschin, Mobilisiert für die Wiederbelebung des Landes, S. 110-116
O-Ton: "Das Wachstum der Industrieproduktion im Jahr 2021 liegt bei 5,3 % im Vergleich zum Vorjahr, im Vergleich zu 2019 (vor Corona) jedoch nur bei 3,1 %. Im Vergleich zu 2019 wuchs der Bergbau um 1,1%, das verarbeitende Gewerbe um 1,4% und der Energiesektor um 4,3%. Aber selbst dieses mikroskopische Wachstum wurde durch einen Anstieg der Erzeugerpreise um 24 % gesichert, bei dem die folgenden Sektoren besonders hervorstachen: die Rohstoffindustrie um 43,1 %, das verarbeitende Gewerbe um 21,4 % und die Nahrungsmittelproduktion um 15 %." Und weiter:
"Im Jahr 2017 produzierte das Land 307 Tausend Verbrennungsmotoren, im Jahr 2020 - nur 294 Tausend. Die Produktion von Personenkraftwagen ist um 94 Tausend zurückgegangen. Die Produktion von Autokränen ging in einem Jahr (2019/2020) um 177 Stück zurück. Die Produktion von elektrischen Streckenlokomotiven ging um 56 Einheiten zurück. Seit 2017 ist die Produktion von Holzverarbeitungsmaschinen um 556 Einheiten, die von Schmiede- und Pressmaschinen um 426 Einheiten gesunken. Wir produzieren nur 14 Spinnmaschinen pro Jahr." Auch um Landwirtschaft, speziell die Viehzucht, ist es schlecht bestellt. …Vorläufig steht die Importsubstitution nur auf dem Papier. Diese Idee hat sich zu einer Farce entwickelt, bei der die Einfuhren aus bestimmten Ländern durch die gleichen Einfuhren aus anderen Ländern ersetzt werden."
[13] REPORT - Vladimir Putin’s Big Government and the "Politburo 2.0" ”https://minchenko.ru/netcat_files/File/Big%20Government%20and%20the%20Politburo%202_0.pdf;
Politburo 2.0: Renovation instead of dismantling https://www.minchenko.ru/netcat_files/userfiles/2/Dokumenty/Politburo_2.0_October_2017_ENG.pdf
Der Bericht fußt auf der anonymen Befragung von sechzig hochrangigen Vertretern aus Politik und Wirtschaft.
[14] https://www.minchenko.ru/netcat_files/userfiles/2/Dokumenty/Politburo_2.0_October_2017_ENG.pdf
[15] Dimitrij Medwedjew ist stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrats. Er gehört als ehemaliger Ministerpräsident und zeitweiliger Präsident der RF, nicht zu den Silowiki. Zählte er früher zu den eher liberalen Kräften in Russland, nimmt er heute mit seiner extremen Rhetorik bezüglich des Ukrainekrieges und gegenüber dem Westen die Rolle des Einpeitschers unter den Führungskräften wahr. Einige russische Kommentatoren sehen dahinter den Versuch, sich wieder für eine Präsidentschaftskandidatur in Position zu bringen.
[16] Diese betreffen z.B. die Einschätzung der Haltung der ukrainischen Bevölkerung gegenüber dem bevorstehen Angriff russischer Truppen auf ihr Land, die Widerstandskraft der ukrainischen Armee sowie die Reaktion des Westens auf den Angriff.
[17] Sergej Ischtschenko, Russlands Schlachtfeld in der Ukraine ist ein nicht enden wollender "Sternschnuppenfall" der Generäle https://svpressa.ru/war21/article/359934/
[18] Die Nationalgarde ist eine Gendarmerie, die 2016 die Nachfolge der Inneren Truppen des Innenministeriums antrat. Sie ist unmittelbar dem Präsidenten unterstellt.
[19] Siehe dazu auch den Artikel von Alexander Uralskij: Wagner stirbt außerhalb des Gesetzes vom 03.06.2023 in: https://svpressa.ru/war21/article/375110/
Im Jahr 2022 erhielten die mit Jewgeni Prigoschin verbundenen Unternehmen allein 83,4 Milliarden Rubel an zivilen staatlichen Aufträgen in Russland. Das ist 1,7 Mal mehr als 2021 (48,2 Milliarden) und doppelt so viel wie 2020 (40,4 Milliarden). Da das Verteidigungsministerium seit 2017 das Recht, Informationen über die Beschaffung der Agentur und der ihr untergeordneten Unternehmen nicht offenzulegen, ist nicht bekannt, wie viel der Geschäftsmann an den Militärs verdient hat. https://novaya.media/articles/2023/01/26/lozhechku-za-vagnera
Zu Prigoschins wirtschaftlichen Aktivitäten insgesamt: https://www.svoboda.org/a/vyorstka-prigozhin-za-god-voyny-rezko-uvelichil-dohody-na-goskontraktah/32261673.html
Darüber hinaus macht sich Prigoshin nicht nur an der militärischen, sondern auch an der Progagandafront für die russische Regierung nützlich. Anfang 2023 gab er offiziell die Gründung und Leitung der Trollfabrik IRA (Internet Research Agency) zu, ebenso die Unterstützung für eine weitere, die sich "Cyber Front Z" nennt. https://www.rbc.ru/technology_and_media/14/02/2023/63ebaac39a7947282a7adc8e
[22] Kirill Strelnikow, Russland stellt private Armeen in seinen Dienst https://ria.ru/20230329/armiya-1861391302.html
[23] Sergej Ischtschenko, Wagner-Gruppe: Nicht zum ersten Mal trifft die "Artillerie" an der russisch-ukrainischen Front die eigenen Leute https://svpressa.ru/war21/article/375384/
[24] Vera Scherdjewa, Ein Skandal an vorderster Front https://svpressa.ru/war21/article/370611/
[25] Kirill Strelnikow, Russland stellt private Armeen in seinen Dienst https://ria.ru/20230329/armiya-1861391302.html
[26] https://www.n-tv.de/politik/Ukraine-Schoigu-sendet-eigene-Soeldner-an-die-Front-article23810789.html
[27] Freiwillige Einheiten sollen Verträge mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen https://ria.ru/20230610/dobrovoltsy-1877381036.html
[28] Sergej Axjonow, Oligarchen - Schaufel in die Hand und Gräben graben. Im Gefolge von Gazprom https://svpressa.ru/war21/article/366793/
[30] Am deutlichsten äußerte sich Oleg Deripaska, Gründer des Aluminiumkonzerns Rusal. Im Juni 2022 bezeichnete er auf einer Pressekonferenz in Moskau den Krieg in der Ukraine als "kolossalen Fehler". Bereits im Februar rief Deripaska zum Frieden in der Ukraine auf. Neben ihm äußerten sich auch die Oligarchen Michail Fridman und Oleg Tinkow, der allerdings schon lange im Ausland lebt. https://www.rnd.de/politik/kolossaler-fehler-russischer-oligarch-mit-offener-kritik-an-putins-ukraine-krieg-RRYQADIFMNH7FBOULDDVQB5WTI.html) + (https://www.manager-magazin.de/politik/russlands-oligarchen-wladimir-lissin-kritisiert-ukraine-krieg-heftig-wagit-alekperow-tritt-zurueck-a-518320e3-1c0e-4e57-bbdb-3b214861e77f) sowie Wladimir Lissin, Vorsitzender des Verwaltungsrats und Hauptaktionär von NLMK, dem größten russischen Stahlproduzenten. So bezeichnete Lissin in einer auf der Website der NLMK-Gruppe veröffentlichten Erklärung, von der der "Kommersant" Anfang März 2022 berichtete, den Verlust von Menschenleben als Tragödie, die durch nichts zu rechtfertigen sei. Er erklärte, dass der Vorstand des Unternehmens auf ein baldiges Ende des Konflikts hoffe. In dem Appell heißt es, dass "eine friedliche, diplomatische Lösung von Konflikten immer einer gewaltsamen Aktion vorzuziehen ist". https://www.kommersant.ru/doc/5249686
[31] Siehe dazu auch den Artikel von Anna Sedowa "Die Öleinnahmen fließen am Haushalt vorbei" in: https://svpressa.ru/economy/article/375112/
[32] https://www.spiegel.de/wirtschaft/russland-ukraine-krieg-vermoegen-russischer-milliardaere-wachsen-weider-a-fb54e969-63a4-4988-8bea-93c2e902978a
"Laut dem russischen Ableger des US-Magazins Forbes haben sich die Vermögen der reichsten Russen vom Sanktionsschock des Jahres 2022 erholt. Ihr Vermögen wuchs innerhalb der vergangenen zwölf Monate um insgesamt 152 Milliarden Dollar an. … Insgesamt belaufen sich ihre Vermögen auf 505 Milliarden Dollar. Im Vorkriegsjahr 2021 lag die Summe bei 606 Milliarden Dollar. Es geht Russlands Superreichen also viel besser als im Vorjahr, wenn auch lange nicht so gut wie vor Kriegsausbruch. Gestiegen ist auch die Zahl der Milliardäre. Forbes zählt in Russland aktuell 110, das sind 22 mehr als im vergangenen Jahr. Und die Liste wäre noch länger: Doch fünf Milliardäre verzichteten laut Forbes auf ihre russische Staatsbürgerschaft." Neue russische Milliardäre auf der Liste verdienen ihr Geld etwa in den Bereichen Snacks, Supermärkte oder Bauwesen. Es scheint, dass die Binnennachfrage stark geblieben ist. Das Bauwesen wiederum profitiert von der Ausweitung der russischen Staatsausgaben." https://www.spiegel.de/wirtschaft/russland-ukraine-krieg-vermoegen-russischer-milliardaere-wachsen-weider-a-fb54e969-63a4-4988-8bea-93c2e902978a
[33] Valentin Katasonow, Was verkaufen wir an Amerika, und was versucht Washington vor der Welt zu verbergen? https://svpressa.ru/economy/article/346297/
Er schreibt: "Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr beliefen sich unsere Ausfuhren in die USA auf 16,88 Milliarden Dollar und unsere Einfuhren aus den USA auf 17,54 Milliarden Dollar. Der Handel war mehr oder weniger ausgeglichen.".
Die wichtigsten Warengruppen, die zwischen dem 24. Februar und dem 12. August aus Russland in die USA gelangen sind "Holz und Schnittholz" gefolgt von "Metalle" (Eisenmetalle, Aluminium, Titan, Stahlpulver usw.) und "Nahrungsmittel". Laut Katasonow werden in den Medien nicht alle Güter aufgeführt. Nicht erwähnt werden zum Beispiel: Radioaktive Materialien, Kohlenstoff- und Graphitelektroden, Munition, Ölförderanlagen, Datenverarbeitungsanlagen, Glasfaserkabel, Turbinen usw. Ein Teil der Güter könne als "strategisch bedeutsam" eingestuft werden.
[35] Bericht in der Prawda vom Runden Tisch der KPRF über die Frage, wie das Land aus seiner Systemkrise herausgeführt werden kann https://kprf.ru/dep/gosduma/activities/211335.html
[36] https://kprf.ru/dep/gosduma/activities/211335.html
Bezeichnend ist die Feststellung des stellvertretenden KPRF-Vorsitzenden Wladimir Kaschin: "Die KPRF-Fraktion hat neunmal einen Gesetzentwurf über "Kriegskinder" eingebracht, um die Situation dieser heldenhaften Generation zu verbessern, aber die Fraktion "Einiges Russland" blockiert dessen Verabschiedung."
[37] Juri Afonin zu Swobodnaja Pressa: Wenn der oligarchische Kapitalismus fortbesteht, wird Russland nicht in der Lage sein, die harten Herausforderungen der Zeit zu meistern https://kprf.ru/party-live/cknews/217992.html
[38] Andrej Polunin, Gennadi Sjuganow: Putin hat zugegeben, dass an der Idee des Sozialismus nichts falsch ist https://svpressa.ru/politic/article/339681/
[39] https://svpressa.ru/politic/article/339681
[40] Juri Afonin zu Swobodnaja Pressa: Wenn der oligarchische Kapitalismus fortbesteht, wird Russland nicht in der Lage sein, die harten Herausforderungen der Zeit zu meistern https://kprf.ru/party-live/cknews/217992.html
[41] Zur "Russischen Welt": "Die Russische Welt stellt eine »diffuse mentale Landkarte« dar.49 Gerade der diffuse Charakter verschafft diesem Konzept Flexibilität, da sein Referenzbereich »je nach Gegebenheiten unterschiedlich eingesetzt und verwendet werden kann«.50 Das Konzept wurde in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre von einem politikwissenschaftlichen und philosophischen Autorenkreis entwickelt. Er griff dabei auf russische Philosophen aus dem 19. Jahrhundert zurück, die Russland als einzigartige Zivilisation präsentieren. In der Kreml-Führung setzte sich das Konzept zunächst nur zögerlich durch. Präsident Putin erwähnte es erstmals 2001 vor dem ersten Weltkongress der Landsleute im Ausland: »Der Begriff der Russischen Welt erstreckt sich weit über Russlands geographische Grenzen und auch weit über die Grenzen russischer Ethnizität.«51 Aus Sicht der ROK wurde das Konzept »als Antwort auf die Globalisierungsprozesse, die die kulturell-nationalen Identitäten bedrohen, und auf die Situation der Identitätssuche nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelt«.52"" Uwe Halbach, Kirche und Staat, https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019S08
[42] Das russische Rückgrat der Macht. Artikel von Gennadi Sjuganow, Vorsitzender des Zentralkomitees der KPRF. Teil I https://www.rline.tv/news/2020-05-14-russkiy-sterzhen-derzhavy-statya-predsedatelya-tsk-kprf-gennadiya-zyuganova-chast-i-/
[43] Jedes dritte KPRF-Mitglied ist heute gläubig, sagte Sjuganow https://ria.ru/20131101/974176616.html
[44] G.A. Sjuganow erhält Glückwünsche von Patriarch Kirill. Die Russisch-Orthodoxe Kirche zeichnete den Leiter der KPRF mit dem Orden für Ehre und Ruhm aus https://kprf.ru/party-live/cknews/132472.html
[45] Das russische Rückgrat der Macht. Artikel von Gennadi Sjuganow, Vorsitzender des Zentralkomitees der KPRF. Teil I https://www.rline.tv/news/2020-05-14-russkiy-sterzhen-derzhavy-statya-predsedatelya-tsk-kprf-gennadiya-zyuganova-chast-i-/
[46] W.S. Nikitin: "Bringen wir den russischen Geist, die Völkerfreundschaft und den Sozialismus nach Russland zurück". https://kprf.ru/rusk/217845.html
Die Fraktion der KPRF in der Staatsduma und die "Allrussische schöpferische Bewegung Russkij Lad" führten am 05.04.2021 einen Runden Tisch zum Thema "Die Russisch-Eurasische Zivilisationsidee des Fürsten Alexander Newski und ihre Bedeutung für das heutige Russland" durch. Dort wurden die Forderungen entwickelt, deren Erfüllung hier angesprochen wird. https://kprf.ru/dep/gosduma/activities/201663.html; Die gesamten Unterlagen dieser Veranstaltung finden sich unter: https://kprf.ru/m/att/2021/05/3cac8d_kruglyistol.pdf
[47] Sergej Udalzow: Patriotische Slogans und eine rechte Diktatur in Russland https://svpressa.ru/blogs/article/360686/
Zur Linksfront vgl. auch: https://laender-analysen.de/russland-analysen/424/die-linke-in-russland-und-der-krieg-in-der-ukraine/
Anmerkung kommunisten.de: "Sergej Udalzow: Wie kann Russland aus der 'Ukraine-Falle' herauskommen" https://kommunisten.de/rubriken/meinungen/8639-sergej-udalzow-wie-kann-russland-aus-der-ukraine-falle-herauskommen