26.03.2025: Seit Monaten klagen die Bosse der Automobilindustrie laut über die Folgen der Wirtschaftskrise: hohe Energiekosten, miese Geschäfte, einbrechende Gewinne. Sie antworten mit Kürzungsprogrammen für die Beschäftigten, Kapitalflucht und Einstieg in die Rüstungsproduktion. Dabei sind die aktuellen Zahlen kein Grund, zu jammern.
Von Willy Sabautzki
Bei einer kontinuierlichen Beschäftigung mit der Entwicklung der deutschen Automobil-Industrie, über lange Jahre eine Vorzeigebranche mit hohen Absatzzahlen, hohen Export-Anteilen und kontinuierlich hohen Dividenden-Zahlungen an die Aktionäre, fällt auf, dass die Branche inzwischen von weiteren Merkmalen geprägt ist: Stellen-Abbau, Werksstilllegungen, Produktionsstandortverlagerungen und urplötzlich das hinzukommende Geiern und Feilschen nach Ausdehnung der Produktion in den Rüstungssektor.
"Die aktuellen Zahlen sind nicht schlecht. Sie sehen nur im Vergleich mit den Sonderjahren schlecht aus."
Frank Schwope, Dozent für Automotive & Mobility Management
Für das Jahr 2024 melden die Auto-Hersteller rückläufige Gewinne. Als wesentlichen Grund geben die Konzern-Zentralen einen auffälligen Rückgang ihres Fahrzeugabsatzes im immer größer werdenden Automarkt China an.
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Automobil-Branche in den Nach-Corona-Jahren ungewöhnlich hohe Profite erzielte, indem sie ihren Fahrzeug-Absatz auf hochwertige und gut ausgestattete Fahrzeuge ausgerichtet hat und so gut wie keine Nachlässe gewährte.
"Wir sehen im Moment eine Normalisierung nach einer Sondersituation mit bisher nicht gekannten Profiten. Nach dem ersten Corona-Einbruch 2020 gab es in den folgenden Jahren - insbesondere durch den Chip- beziehungsweise Fahrzeugmangel - kaum Rabatte und eine Verschiebung hin zu teureren Modellen“, erklärt der Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der Fachhochschule in Köln lehrt. "Das brachte den Herstellern wie VW, Mercedes oder BMW exorbitant hohe Margen ein, die normalerweise so nicht zu erreichen sind."
Zunächst zur ökonomischen Ausgangslage der Automobilkonzerne Daimler Benz, Volkswagen, BMW und mit einigen Abstrichen Audi.
Kapitalflucht und "Sparprogramme"
Mercedes Benz Group (Daimler)
Der Hersteller meldet für 2024 einen Gewinn von 10,4 Mrd. Euro, der sich im Vergleich zum Geschäftsjahr 2023 um 31 % reduzierte. Für das Geschäftsjahr 2024 zahlt die Mercedes-Benz Group (Daimler) bei einem Aktien-Kurs von 58,36 € eine Dividende von 4,30 € je Aktie, was einer aktuellen Dividenden-Rendite von 7,37 % entspricht. Nach jüngsten Aktien-Analysen lag die durchschnittliche Dividendenrendite der letzten 5 Jahre bei 7,24 %.[1]
Der Daimler-Konzern richtet seine Absatz-Strategie von Luxus-Automobilen für den wichtigen chinesischen Markt darauf aus, durch die Verlagerung bzw. den Ausbau der lokalen Produktion den dortigen Absatzmarkt zu stabilisieren und zu intensivieren - ganz im Gegensatz zur politischen Linie einer protektionistischen Position gegenüber einer Kooperation mit China.
Schon seit einigen Jahren ist der Daimler-Konzern in Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer BYD mit der Marke Denza (Shenzhen Denza New Energy Automotive Co. Ltd) in der Produktion von Elektroauto und Hybridelektrokraftfahrzeugen tätig. Die Vermarktung eines Siebensitzers soll demnächst erfolgen. [2]
Große Pläne verfolgt der Hersteller auch mit der Marke Smart. Während die Fertigung am langjährigen Produktionsstandort Hambach schon vor Jahren eingestellt wurde, wird Smart darauf ausgerichtet, in China groß herauszukommen. Dazu wurde u. a. auch die chinesische Geely Holding mit ins Boot geholt, die dazu beitragen soll, Smart als marktspezifische Premiummarke weiterzuentwickeln. [3, 4]
Am wichtigsten scheint aber die intensivierte Kooperation mit BAIC zu sein, um eine eigene Batterieproduktion und ein neues Werk einzurichten. Zukünftig sollen dort auch lokalisierte Versionen der Submarke EQ entstehen. Bereits im vergangenen November startete die Produktion des EQC-Modells in Beijing.[5] Zudem sollen dort zukünftig auch lokalisierte Versionen der Submarke EQ entstehen.
Dividenden-Entwicklung und Prognose Daimler Benz Group
Gemäß einer erstellten Prognose für die Mercedes Benz Group, die auf der geplanten Konzernstrategie, die auf Modellpolitik, Marktbearbeitung, Produktionsstandort-Strategie, Stellenabbau und weiteren Faktoren basiert, ist aus heutiger Sicht von einem weiteren Anstieg der Dividenden-Entwicklung auszugehen.
Quelle: https://aktien.guide/dividende/Mercedes-Benz-Group-DE0007100000
Audi
Basierend auf den aktuellen Informationen vom März 2025 wird für Audi für das Geschäftsjahr 2024 ein Rückgang des Gewinns um 33% angegeben. Auch Audi argumentiert mit einem Absatz-Rückgang in China. Das war bereits der zweite deutliche Rückgang in Folge. Der Absatzeinbruch der Kernmarke Audi schlug auch auf den Umsatz durch, der um knapp acht Prozent auf 64,5 Milliarden Euro sank. [6]
Die Rendite sank von neun Prozent im Jahr 2023 auf sechs Prozent im Jahr 2024. Die letzte uns bekannte Dividende von Audi AG wurde am 5. Oktober 2020 ausgezahlt.[7] Noch vor der für Mai d.J. geplanten Aktionärs-Hauptversammlung gibt es Anzeichen dafür, dass es bei Audi möglicherweise keine Dividenden für das Geschäftsjahr 2024 geben wird.
Audi verkündete in Folge des Rückgangs des Fahrzeugabsatzes und rückläufiger Gewinn-Entwicklung den Abbau von 7.500 Stellen in Deutschland. Darauf ist weiter unten im Zusammenhang mit dem Stellabbau in der Automobil-Branche noch näher einzugehen.[8] Nicht zu übersehen ist die Tatsache, dass Audi bereits Ende Februar sein Werk in Brüssel mit 3.000 Arbeitsplätzen geschlossen hat. [9]
Volkswagen
Für den VW-Konzern wird für 2024 ein Gewinn-Rückgang von 31 % auf 12,4 Milliarden Euro bilanziert. Auch hier belastete der schwache Absatz in China die Bilanz.
Einen deutlichen Rückgang verzeichnet auch der Hersteller Porsche: Das Konzernergebnis [10] war im Jahresvergleich um 30,3 Prozent um rund 3,6 Milliarden Euro rückläufig.
Volkswagen wird im Jahr 2025 eine Dividende von 6,36 € pro Aktie ausschütten. Die erwartete Dividendenrendite für 2025 beträgt 5,82 Prozent, basierend auf dem Aktienkurs vom 18. März 2025.
Quelle: https://aktien.guide/dividende/Volkswagen-St-VW-DE0007664005
Für die zukünftige Entwicklung setzt Volkswagen auf ein breites Produktportfolio von Verbrennern bis zu vollelektrischen Fahrzeugen. Dazu erfolgte der Start eines konzernweiten "Performanceprogramms", inklusive Restrukturierungs-Maßnahmen zur positiven Rendite-Entwicklung. Dazu gehört eine massive Kostenreduktions-Maßnahme u. a. durch Stellenabbau und ganze Werksschließungen. [11]
Zur Belebung des chinesischen Absatzmarktes investiert der Konzern eine Milliarde Euro in ein Innovationszentrum in China, um lokal angepasste E-Autos für den chinesischen Markt zu entwickeln.
Das folgt der konzernspezifischen local-to-local-Strategie, übersetzt heißt diese "in China, für China" zu entwickeln und zu produzieren. Vorgesehen sind dabei der Aufbau von eigenen Entwicklungskapazitäten, um die Entwicklungszeiten und die Produktion für marktspezifische Produkt-Angebote um mehr als 30 Prozent zu kürzen. [12]
Berücksichtigt werden dafür u. a. auch Partnerschaften mit chinesischen High-Tech-Unternehmen und chinesischen Auto-Herstellern wie XPENG und SAIC sowie die Entwicklung einer eigenen Plattform für E-Autos speziell für den chinesischen Markt.
Bedeutend ist dabei, wie schon weiter oben erwähnt, dass die Konzern-Management-Etagen, entgegen den Aussagen politischer Führungskreise, mit ihren Investitions-Entscheidungen sehr wohl auf eine Kooperation mit der chinesischen Volkswirtschaft setzen. Die Kapital-Interessen des Konzerns entscheiden vorrangig vor einer geopolitisch motivierten auf Protektionismus und Abgrenzung ausgelegte Wirtschaftspolitik.
BMW
BMW zahlt seinen Aktionären im Geschäftsjahr 2024 eine Dividende von 6,00 € je Aktie. Bei einem Kurs von 84,66 € betrug zum Zeitpunkt der Erhebung, März 2025, betrug die aktuelle Dividendenrendite 7,09 Prozent.
Für das Geschäftsjahr 2024 ergibt sich für den Konzern ein Umsatz von 142,38 Mrd. €, was einem Umsatz-Rückgang von 8,4 % entspricht. Damit erzielt der mehrheitlich der Familie Quandt gehörende Automobilkonzern mit 7,7 Mrd. € einen Gewinn-Rückgang von 37% im Vergleich zum Geschäftsjahr 2023.
Das Leid-Klagen der Konzernleitung bezieht sich, wie bei allen anderen deutschen Auto-Konzernen, zunächst auf den Absatz-Rückgang auf dem chinesischen Markt. Hinzu kommen offensichtlich Qualitätsprobleme mit verbauten Bremsen eines Haupt-Zulieferanten, die einen erheblichen Kostenaufwand bedeuteten. Der bisherige Rekordgewinn von 18,6 Milliarden Euro aus dem Jahr 2022 und die in den Jahren 2021 und 2023 jeweils erzielten 12 Milliarden lassen sich als eine außergewöhnliche Phase der Super-Gewinne angeben, die sich auch in Form einer bemerkenswert hohen Dividenden-Ausschüttung ausdrückte.
Quelle: https://aktien.guide/dividende/BMW
Im Hinblick auf die Folgejahre ab 2025 setzt der Autokonzern für die Umsatzsteigerung zunächst auf einen weiteren Ausbau seines Angebots an Hybridmodellen.
Auch BMW setzt mit seinem chinesischen Kooperations-Partner BMW Brilliance, der inzwischen zu über 70%-Anteilen den Eigentümern von BMW gehört, auf eine Intensivierung des Absatzmarktes China. Inzwischen wird auch der rein elektrisch betriebene MINI in China hergestellt.[13]
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt deuten die aktuellen Umsatzprognosen von BMW bis ins Jahr 2029, eingedenk der geplanten Entwicklungsprogramme und Prozessoptimierungen, auf eine jährliche Steigerungsrate von etwa drei Prozent hin.
Quelle: https://aktien.guide/dividende/BMW
Somit gilt für die Automobil-Branche, dass die fetten Gewinn-Jahre der Nach-Corona-Zeit zwar vorüber sind, aber das Jammern auf allerhöchstem Management-Niveau niemanden zu Tränen rühren sollte. Die aktuelle Gewinn-Situation der deutschen Auto-Konzerne veranlasst das jeweilige Management dennoch zu Maßnahmen der Rationalisierung, den hektischen Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Prozessoptimierung und Belebung der Innovationstätigkeit. Primär geht es aber, den Kapital-Interessen der Aktionäre folgend, um eine fortlaufende Absicherung der Profitabilität und einer Reduktion der angestiegenen Arbeits- und Lohnkosten.
Vor allem spielen dabei kostengünstigere Produktionsstandorte, also Produktionsstandort-Verlagerungen in das benachbarte Ausland oder Schließungen von ganzen Werken eine zentrale Rolle.
Aber Panzer können wir noch ganz gut.
In Deutschland bleiben dann ungenutzte Produktionsstätten zurück, die von der expandierenden Rüstungsindustrie genutzt werden können.
"Deutschland hat die Hälfte seiner Autoexporte verloren, es gibt also eine Menge freier Kapazitäten. ... Wenn es möglich wäre, militärische Fahrzeuge zu produzieren, müssten wir uns Konzepte ansehen. Das haben wir schon in der Vergangenheit getan."
Oliver Ingo Blume, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG und der Volkswagen AG.
Rheinmetall-Chef Armin Papperger bezeichnete das von Schließung bedrohte VW-Werk in Osnabrück als "gut geeignet", um dort Militärfahrzeuge zu produzieren. VW kooperiert bei der Lkw-Herstellung bereits mit der Autoteilesparte von Rheinmetall.
Auch Oliver Blume, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns, hat signalisiert, einer Umwidmung des Osnabrücker Werks stünde nichts entgegen. Er will indes auch nicht ausschließen, dass Volkswagen in Zukunft selbst wieder Militärfahrzeuge produziert. "Deutschland hat die Hälfte seiner Autoexporte verloren, es gibt also eine Menge freier Kapazitäten. ... Wenn es möglich wäre, militärische Fahrzeuge zu produzieren, müssten wir uns Konzepte ansehen. Das haben wir schon in der Vergangenheit getan", so der VW-Boss.
Ein passendes Stichwort dazu ist die Produktion des Kübelwagens, VW-Typ 82, den Ferdinand Piech für die deutschen Faschisten in den 30er Jahren produzierte.
"Deutsche können keine Autos mehr verkaufen. Also wollen sie Panzer bauen. Aber Panzer halten Jahrzehnte und werden von den Verbrauchern ohnehin nicht gekauft. Deshalb funktioniert der Rüstungs-Keynesianismus nicht, es sei denn, man beginnt nach US-Art einen Krieg nach dem anderen. Ergo, nur Narren begrüßen den deutschen Rüstungs-Keynesianismus."
Yanis Varoufkis, https://x.com/yanisvaroufakis/status/1899071617281470513
Anmerkungen
[1] https://aktien.guide/dividende/Mercedes-Benz-Group
[6] https://web.de/magazine/wirtschaft/gewinneinbruch-audi
[8] Finanzredaktion ARD: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/autobranche-herausforderungen-verschieden-ausblick
[11] Siehe hierzu https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5352-krise-der-automobil-industrie-sinkende-profitmargen-absatzrueckgang-stellenabbau