13.02.2012: Bei eisiger Kälte trafen sich in München am Samstag, den 11.02.12, rund 16.000 Gegner von ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement). Insgesamt haben mehrere zehntausend Menschen in zahlreichen deutschen Städten gegen die geplante Ratifizierung des Acta-Handelsabkommen protestiert. ACTA heißt übersetzt Handelsabkommen zur Abwehr von Fälschungen. Und deshalb wird es in der Öffentlichkeit auch immer so dargestellt, als ob es ein Handelsübereinkommen zur Bekämpfung von Produkt- und Markenpiraterie sei. Aber mit diesem Abkommen sollen vor allem internationale Regeln für den weltweiten Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen im Netz geschaffen werden. Der Text wurde von insgesamt 39 Ländern geheim verhandelt. Nationale Parlamente, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft wurden vollkommen von den Verhandlungen ausgeschlossen. Man erinnert sich an das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) in der 2. Hälfte der 90er Jahre. Da hat man es genauso versucht.
Ohne weitere Aussprache haben die Landwirtschaftsminister in Brüssel im Agrar- und Fischereirat im Januar das umstrittene ACTA-Abkommen abgenickt. Für die Bundesregierung nahm Ministerin Ilse Aigner (CSU) an dem Treffen teil. Die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments ist für den 12. Juni geplant. Damit das Abkommen für die EU in Kraft tritt, müssen es alle 27 Mitgliedstaaten ratifizieren. Am Freitag hatte die Bundesregierung jedoch mitgeteilt, dass sie vorerst keine Unterzeichnung plant. Ein Erfolg der breiten nationalen und internationalen Proteste.
Denn gerade die Internetnutzer, die davon betroffen sind, wehren sich. Selbst die Veranstalter - Initiative gegen die Vorratsdatenspeicherung, ChaosComputerClub, unterstützt von Linke und Jusos, Piratenpartei, DKP u.a. - haben nicht mit so gewaltigen Demonstrationen gerechnet, für die vor allem über das Internet geworben wurde. Vielen von ihnen geht es vor allem um den freien Zugang zum Internet und die Abwehr von dessen Überwachung. Allgemein geht es um Urheberrechtsverstöße (Kopieren und Herunterladen von Dateien, Musik, Filme etc.) aus dem Internet. Gerade die Musik- und Filmindustrie hat an ACTA mitgewirkt. So wird befürchtet, dass die vagen Formulierungen des Abkommens genutzt werden können, um Internetsperren einzurichten. So könnte direkt Druck auf Provider ausgeübt werden, die Internet-Nutzer zu überwachen. Auch hatten CDU-Politiker gefordert, zur Abwehr der so genannten Internet-Kriminalität die Vorratsdatenspeicherung einzuführen und auszubauen.
Das Anti-Piraterieabkommen ACTA beinhaltet aber viel mehr: auch das wurde von einigen Rednern thematisiert. Betont wurde vor allem, dass es auch um die Einschränkung von Wissensfreiheit geht, das Gesetz in einer Reihe steht mit den Versuchen, Pflanzen und Nahrungsmittel zu patentieren. Ärzteorganisationen befürchten zudem, dass ACTA den Zugang zu günstigen Medikamenten und Generika in Entwicklungsländern beeinträchtigen könnte.
Vor allem aber wurde die Art und Weise kritisiert, wie dieses Gesetz durchgesetzt werden soll: ohne Diskussion und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit. Dass Demonstrationen und Widerstand angekündigt wurden, hat die Justizministerin nun veranlasst, die Unterschrift vorläufig auszusetzen. Einige europäische Länder verweigern ebenfalls die Unterschrift. Da es sich um eine EU-Initiative handelt, kann die Durchsetzung damit verhindert bzw. verzögert werden. Es werden allerdings weitere Proteste nötig sein. Die Diskussion um ACTA ist erst einmal eröffnet. Die weitgehend jugendlichen DemonstrantInnen am Samstag werden nicht locker lassen, bis dieses Gesetz vom Tisch ist.
Text und Fotos: Sonja Sch.