27.02.2012: 400 Aktivistinnen und Aktivisten haben sich am Wochenende bei einer internationalen Aktionskonferenz in Frankfurt am Main auf einen gemeinsamen Fahrplan für Proteste gegen die europaweite sozialreaktionäre Kürzungspolitik verständigt. Als Schwerpunkt der Proteste einigte man sich auf internationale Aktionstage vom 17. bis 19. Mai in Frankfurt. Die Wahl Frankfurts ergibt sich aus der Rolle, die die Stadt als Sitz der Europäischen Zentralbank EZB und der mächtigen deutschen und internationalen Banken und Konzerne spielt. Geplant sind Besetzungen der zentralen Anlagen und Plätze in Frankfurt, Blockaden der EZB und anderer Banken sowie eine europäische Demonstration . Der Widerstand richtet sich dabei vor allem gegen die maßgeblich von der Bundesregierung vorangetriebenen Sparpakete, die die Troika aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) Griechenland und anderen Ländern diktiert.
Die Frankfurter Protesttage schließen direkt an einen europaweiten Aktionstag am 12. Mai an, auf dem in vielfältigen lokalen Aktionen aus Anlass des ersten Jahrestages der Platzbesetzungen in Spanien für die berechtigten und nach wie vor nicht eingelösten Forderungen der "Demokratie-jetzt-Bewegung" aufmerksam gemacht werden soll. Zeitgleich finden in den USA die Proteste gegen den G8- und NATO-Gipfel in Chicago statt.
In der am Sonntag verabschiedeten Erklärung heißt es: "Wir werden am 17. Mai die Anlagen und zentralen Plätze der Stadt besetzen, um uns Raum für Diskussion und inhaltlichen Austausch zu schaffen. Wir werden am 18. Mai den Geschäftsbetrieb der Banken in Frankfurt blockieren um unsere Wut über die Troika-Politik konkret werden zu lassen. Wir werden uns dann am 19. Mai zu einer großen Demonstration versammeln um die Breite der Proteste sichtbar zu machen. Aus vielen Ländern und Regionen der Welt werden Menschen nach Frankfurt reisen und sich an den Tagen des Protests beteiligen."
Das Spektrum der Beteiligten an der Aktionskonferenz reichte vom Attac-Netzwerk, der Occupy-Bewegung, der Interventionistischen Linken über Erwerbsloseninitiativen, antirassistische Netzwerke und Bildungsstreikaktive bis hin zu Vertreter_innen von Gewerkschaften, Solid, der Grünen Jugend und der Linkspartei. Auch zahlreiche Aktive aus anderen europäischen Ländern (aus Spanien, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich, Slowenien, Polen) waren dabei und beteiligten sich engagiert an der Diskussion.
Zu Beginn der Konferenz wurden im Plenum Kurzbeiträge zu verschiedenen europäischen sozialen Kampffeldern als Input gegeben: Ein Vertreter von attac – Frankreich berichtete über die Widerstandsaktionen in Frankreich gegen das "Modell Deutschland" im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfes; ein Kollege aus Belgien berichtete über die großartigen Streikaktionen der Gewerkschaften der vergangenen Wochen; Bernd Rixinger von ver.di Stuttgart informierte über die beginnende Tarifrunde im Öffentlichen Dienst und die voraussichtlich Anfang März beginnenden Warnstreiks; ein Aktivist von Transact / Kein Mensch ist illegal berichtete über europäische Aktivitäten zum Komplex Bewegungsfreiheit und globale soziale Rechte und ein Vertreter des Erwerbslosenforums verwies darauf, dass zehn Jahre nach Einführung von Hartz IV der Protest dagegen in Deutschland in der Öffentlichkeit kaum noch sichtbar ist.
Neben der Diskussion um die geplanten Aktionen im Mai bot die Aktionskonferenz eine gute Gelegenheit, die unterschiedlichen Protest-Strukturen kennen zu lernen und sich an einer der zahlreichen Arbeitsgruppen zur Erörterung inhaltlicher Fragen zu beteiligen. Dabei ging es u.a. um folgende Fragen: Wie funktioniert das eigentlich mit den Staatsschulden? - Schuldenaudit/-erlass als Lösung?; Wollen wir die EU demokratisieren oder auflösen?, Wie verbinden wir die Kritik am kapitalistischen System mit alltäglichen sozialen Kämpfen?, Wie lassen sich Massenhaftigkeit und Entschiedenheit kombinieren?, Gewerkschaftliche Handlungsoptionen in der Krise und Umverteilung; Linke Parteien in der Krise – Krise der linken Parteien?
Im Pressegespräch am Anschluss an die Konferenz formulierte Alexis Passadakis von attac im Namen des Vorbereitungskreises: "Die große Beteiligung bei der Aktionskonferenz zeigt: Der Widerstand gegen die europaweite Verarmungspolitik wächst auch in Deutschland. Gemeinsam werden wir im Mai in Frankfurt ein unübersehbares Zeichen der Solidarität mit den europaweiten Krisenprotesten setzen. Der Fiskalpakt und der sogenannte Rettungsschirm ESM sind zentrale Elemente, die die autoritäre Umgestaltung Europas – sprich: die Verarmungspolitik und den Demokratieabbau – durchsetzen. Die Bundesregierung ist ein treibender Motor dieses Prozesses."
weitere Infos unter: http://www.european-resistance.org/
text/fotos: gst