11.06.2012: Am Samstag wurden die weißen Masken mit dem Grinsegesicht und Spitzbart, die Guy-Fawkes-Masken, in Europa, darunter in über 30 Orten in Deutschland wieder ausgepackt. Anti-ACTA-Aktivisten hatten zum erneuten Protest gegen das internationale Handelsabkommen aufgerufen. Die Kritik richtet sich im Kern dagegen, dass sich die global agierenden Konzerne die Ressourcen für Wissen, Patente, Produkt- und Markenrechte sichern und sich diese durch das ACTA-Abkommen schützen lassen wollen. Ein Teilbereich davon stellen die Urheberrechte im Internet dar (diese sind im Gegensatz zur medialen Aufmerksamkeit für die Konzerne aber der eigentlich unwichtigere Teil).
Im Vorfeld der Anti-ACTA- Proteste wurde in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, die Fortführung der Proteste sei überflüssig, da das Gesetzeswerk eigentlich schon "gestorben" sei. In der Presse wurde berichtet, dass im Entwicklungsausschuss des Europaparlaments das Handelsabkommen in der vergangenen Woche durchgefallen sei und auch drei andere Ausschüsse sich schon vorher dagegen ausgesprochen hätten. Das wurde als ein deutliches Signal dafür gewertet, dass die Abstimmung im Plenum des Europaparlaments, die in ersten Juliwoche erfolgen soll, das ACTA-Abkommen zwischen den EU-Staaten, den USA , Japan und anderen Ländern endgültig zu Fall bringen würde – und wenn die EU nicht mitziehe, sei ACTA de facto tot.
Das war sicher ein Grund dafür, dass die Beteiligung an den Protesten an diesem Wochenende weitaus geringer ausgefallen sind als im Vergleich zu Februar, als allein in Deutschland über 100.000 Menschen in 55 Städten gegen ACTA demonstriert hatten.
Aber da überrascht die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit der Aussage, dass das umstrittene Vorhaben ACTA nun doch noch längst nicht vom Tisch sei. Laut einer Vorabmeldung des "Spiegel" vom Sonntag ist jetzt eine abgespeckte Variante im Gespräch.
"Wenn wir das Urheberrecht bei ACTA ausklammern, hätten wir wenigstens einen Bereich, in dem wir uns einigen können", sagte die Ministerin dem "Spiegel". "Besser wäre es gewesen, von vornherein Marken und Patente von der Frage der Urheberrechte zu trennen."
Das heißt im Klartext: Die in der medialen Öffentlichkeit stehenden Fragen zur Offenheit des Internet will man zunächst einmal ausklammern um die Kernbereiche des ACTA-Abkommens, die nicht so im Fokus der breiten Öffentlichkeit stehen, für die Konzerne zu retten. Wie heißt es doch im Einleitungssatz des ACTA-Abkommens: "Ziel des Abkommens ist es, in Anbetracht der Tatsache, dass eine wirksame Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums für ein dauerhaftes Wachstum aller Wirtschaftszweige wie auch der Weltwirtschaft von entscheidender Bedeutung ist" den Kampf gegen Produktpiraterie entscheidend zu verbessern. Die Konzerne wollen sich die Patente, die Produkt- und Markenrechte ( z.B. für Medikamente, Saatgut, wissenschftliches Know How etc.) um ihrer Profite willen sichern und die imperialistischen Staaten wollen mit ACTA ihre Vormachstellung gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern auf Dauer festigen.
Der Widerstand gegen ACTA muss also fortgeführt und verbreitert werden. Das gesamte ACTA-Abkommen muss ohne Wenn und Aber vom Tisch. Was die Welt braucht, sind faire Handelsbeziehungen und -abkommen ohne Federführung der dominierenden imperialistischen Staaten und Konzerne. Die sozialen und politischen Bewegungen gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Globalisierung sind gefordert, auch den Kampf gegen ACTA (oder welchen Namen die zukünftigen Verträge auch führen mögen) zu führen.
Text: gst Foto: sSch