03.08.2012: Anlässlich des Antikriegstages fand in Kiel eine vom Kieler Friedensforum veranstaltete Diskussion zum Thema "Rüstungsexport stoppen - auch in Kiel " statt. Im Mittelpunkt der lebhaften Debatte standen dabei Fragen, die im Zusammenhang mit dem Bau und der Lieferung von U-Booten an Israel durch die Kieler HDW-Werft stehen. Auf dem Podium stellten sich der Betriebsratsvorsitzende der HDW, Ernst-August Kiel, der Völkerrechtler Norman Paech und der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit (BITS), Otfried Nassauer, den Fragen der zahlreich erschienen Kieler FriedensfreudInnen und GewerkschafterInnen. Im Fokus der Diskussion stand vor allem der HDW-Betriebsratsvorsitzende und aktive IG-Metaller und die grundsätzliche Frage "Wie halte ich's mit der Rüstungsproduktion und welche Alternativen gibt es?"
Ernst-August Kiel: "Wir als IG-Metaller gehören nicht zur Rüstungslobby. Wir haben immer eine klare Position für Frieden und Abrüstung bezogen, so auch auf unserem letzten Gewerkschaftstag. Wenn die Rüstungsindustrie bereits 70 Prozent der Produktion in den Export gibt – bei der HDW waren es in den letzten Jahren 100 Prozent - wohin soll denn in Zukunft noch exportiert werden? Es wird dringend Zeit, die Debatte über Diversifikation und auch Konversion – also die Auffächerung des Sortiments und die Umwandlung von militärisch Nutzbarem in zivil Nutzbares – wieder aufzunehmen. Das Thema liegt leider seit 10 bis 15 Jahren brach." Er verwies darauf, dass es im Mai 1985 auch auf der Kieler HDW zur Gründung eines "Arbeitskreises Alternative Produktion" kam. Als Reflex auf die Initiativen des Arbeitskreises wurde daraufhin im November 1987 auf Unternehmensseite die „Direktionsabteilung Diversifikation“ geschaffen. Ihrem Selbstverständnis nach sollten hier Konzepte erarbeitet werden für die Entwicklung von Spezialschiffbau und Umwelttechnik. Nach dem Ende der Systemkonkurrenz 1989/90 verschwand beides (betrieblicher Arbeitskreis wie Direktionsabteilung) schnell in der Versenkung. Auf gewerkschaftlicher wie betrieblicher Seite läge hier eine lohnenswerte Aufgabe, die Erfahrungen und Vorschläge dieser Arbeitskreise wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Otfried Nassauer beleuchte in seinen Ausführungen insbesondere die Rolle des Bundessicherheitsrates bei der Genehmigung von Waffenexporten. Der Bundessicherheitsrat (BSR) hat sich in den zurückliegenden Jahren zu dem wichtigsten Entscheidungsgremium der Bundesregierung für Rüstungsexporte entwickelt. Er entscheidet endgültig über politische oder zwischen den Ministerien umstrittene Exportgeschäfte sowie über Grundsatzfragen des Rüstungsexports. Der BSR ist ein ständiger Kabinettsausschuss unter Vorsitz der Bundeskanzlerin. Dem BSR gehören die Bundesminister(innen) der Verteidigung, des Äußeren, des Inneren, der Wirtschaft, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, der Justiz und der Finanzen an. Seine Geschäftsordnung, Sitzungstermine, Tagesordnungen und Beschlüsse werden geheim gehalten. In der Zuständigkeit des BSR liegen neben den Fragen des Rüstungsexportes auch andere wichtige sicherheitspolitische Fragen. Seit 1998 wird er wieder als Organ der ressortübergreifenden Koordinierung deutscher Sicherheitspolitik betrachtet. Die ersten Beratungen der Bundesregierung über die Anschläge am 9.11.2001 fanden beispielsweise im BSR statt. So werden entscheidende sicherheits- und rüstungspolitische Weichenstellungen immer mehr dem parlamentarischem Raum entzogen.
Norman Paech verwies auf die seiner Auffassung nach völkerrechtswidrigen Aspekte der Lieferung der atomwaffenfähigen U-Boote an Israel. Da Israel offen über einen Angriffskrieg auf den Iran spreche, falle die militärische Unterstützung dieses Vorhabens unter das grundgesetzwidrige Verbot der Vorbereitung bzw. Führung von Angriffskriegen. Angesichts der Lage im Nahen und Mittleren Osten müsse von der Bundesregierung verlangt werden, Waffenexporte in diese Region zu unterbinden und stattdessen Initiativen für die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten zu ergreifen. Norman Paech wies auf einen weiteren Aspekt in der Diskussion über einen bevorstehenden Angriff Israels auf den Iran hin: Dies lenke die weltweite Öffentlichkeit zur Zeit von der Besatzungs- und Unterdrückungspolitik Israels in den Palästinensergebieten ab.
In der Diskussion wurden insbesondere an die Adresse des Gewerkschafters Fragen zu gewerkschaftlichen Konzepten gegen Rüstungsexport und für die Sicherung vorhandener Arbeitsplätze gestellt.
Zum Stellenwert des Waffenexports verwies Ernst-August Kiel auf den aktuellen Bericht des Arbeitskreises Wehrtechnik in Schleswig-Holstein (einer Lobbyorganisation aller schleswig-holsteinischen Rüstungsbetriebe). Demnach hatten 2011 die 29 Wehrtechnik-Unternehmen ca. 5.000 Mitarbeiter beschäftigt und einen Umsatz in Höhe von rund 1,7 Milliarden Euro getätigt. In dem Bericht wird hervorgehoben, dass der Wehrtechnik-Exportumsatz seit 2001 mit 400 % gegenüber dem Inlandsumsatz mit 144 % stark überproportional gestiegen ist. "Trotz der positiven Entwicklung des Auslandsmarktes setzen wir uns für eine verstärkte Exportförderung durch Politik und Bundeswehr zur Verbesserung der Marktchancen im Ausland und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen wehrtechnischen Industrie ein" resümieren dort die Waffenlobbyisten.
Das könne nicht die Strategie der Gewerkschaften sein. Dass Rüstung keine Arbeitsplätze sichere, mache ein Blick auf die HDW deutlich: Anfang der 70er Jahre, als die Werft noch mit dem Schwerpunkt Handelsschiffbau aufgestellt war, gab es dort über 11.000 Arbeitsplätze – jetzt, als reine U-Boot-Werft, sind dort noch 2.100 MitarbeiterInnen beschäftigt. Und unmittelbar vor der Veranstaltung war bekannt geworden, dass bei der Kieler Rheinmetall Landsysteme (Hersteller von Panzerfahrzeugen) 320 Arbeitsplätze wegfallen sollen, da zwei Abteilungen (Prototypbau und Elektrofertigung) geschlossen werden.
Wie eine alternative Produktion auf der HDW aussehen könne konnte auf dieser Veranstaltung naturgemäß nicht vertieft werden – es bleibt zu hoffen, dass die Diskussion darum in der Gewerkschaft und der Belegschaft vielleicht einen kleinen Anstoß erhalten hat und wieder aufgenommen wird.
Vor zwei Jahren hatte die DKP Kiel einige Vorschläge für den Erhalt des zivilen Schiffbaus auf der HDW gemacht, die immer noch aktuell sind. Darin heißt es u.a.:
Es besteht durchaus Ersatzbedarf für neue Handelsschiffe:
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Schrottreife Schiffe müssen auch tatsächlich verschrottet werden und nicht als Risiko für Mannschaften und Umwelt weiterfahren. Neue und moderne, nach neuesten Sicherheitsstandards entwickelte Schiffe, müssen gebaut werden.
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Tanker müssen grundsätzlich als Doppelhüllentanker gebaut bzw. nachgerüstet werden.
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Nachrüstung von Schiffen um bessere ökologische Effizienz zu erreichen (umweltschonendere Antriebe, Verringerung der Luftschadstoffemissionen z.B. durch neue Wustbuge u.ä.)
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Es besteht ein großer Bedarf an Spezialschiffen zur Nutzung von Energie- und Rohstoffquellen im Meer, ein Bedarf an Schiffen zur Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Meer, für Fähren und eisbrechende Schiffe / für die Erschließung sibirischer Seewege und dem Abbau von Rohstoffen in arktischen Gewässern).
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Freigewordene Kapazitäten machen eine Ausweitung der Produktionspalette möglich und notwendig. Für die Offshore-Projekte in Nord- und Ostsee werden Hebeplattformen gebraucht. Zusätzlich muss eine Flotte von Wartungs- und Versorgungsschiffen aufgebaut werden.
text: gst fotos: gst und r-mediabase