03.06.2013: Vom 3. bis zum 5. Juni tagt zum siebten Mal ein erlauchter Kreis von Wissenschaftlern, Vertretern von Polizeibehörden, Rüstungsfirmen und Verteidigungsministerien in der Ettlinger Stadthalle.
Das "European Symposium on Non-Lethal Weapons" wird vom Fraunhofer Institut in Pfinztal veranstaltet und ist nach eigenen Angaben die größte wissenschaftliche Konferenz in Europa auf dem Gebiet "non-letaler Waffen".Was sind "Non-lethal Weapons" (NLW)?
Die wörtliche Übersetzung lautet "nicht-tödliche Waffen". Zu ihnen werden Wasserwerfer, Tränengas und Pfefferspray gezählt, wie sie von der Polizei häufig bei sozialen Protesten und Demonstrationen eingesetzt werden. Aber auch Mikrowellenstrahlenwaffen oder Elektroschock-Taser, Blendgranaten, Infra-/Ultraschallwaffen, Geruchsstoffe oder materialzersetzende Mikroorganismen.
Ein Begriff, der die Wirklichkeit verschleiert
Bereits hunderte Menschen sind aufgrund des Einsatzes solcher Waffen zu Tode gekommen oder schwer verletzt worden. Schon deshalb ist der Begriff "nicht-tödlich" bestenfalls grob irreführend. Non-letale Waffen sind zudem kein Ersatz für tödliche Waffen, sondern ergänzen das Waffenarsenal von Polizei, Paramilitärs und Armeen. Sie sind nicht „deeskalierend“ oder gar „friedenschaffend“. Im Gegenteil, sie verringern die Hemmschwelle Waffengewalt einzusetzen.
Am Beginn standen die Militärs
Anfang der 1990er Jahre wurde der US-amerikanische Militärberater John Alexander Leiter der NLW-Abteilung von Los Alamos, einer staatlichen Waffenforschungseinrichtung des amerikanischen Energieministeriums. Er sollte den US-Rüstungskonzernen, die sich über Kürzungen bei den Atomwaffen beklagten, neue Geschäftsfelder eröffnen. Da kamen die NLW gerade recht. Auch das
zweite Motiv für die rasante Entwicklung non-letaler Waffen in den letzten Jahren hat mit moralischen Skrupeln wenig zu tun: Der Einsatz von NLW lässt sich der Öffentlichkeit besser verkaufen – er passt zu der Methode, Kriege heute als „humanitäre Interventionen“ darzustellen.
NLW-Forschung in Deutschland
1993 wurde der Rüstungskonzern DASA vom Verteidigungsministerium mit Untersuchungen zu NLW beauftragt. Im Anschluss an eine Präsentation der Ergebnisse ergingen drei Forschungsaufträge insbesondere zu akustischen Waffen an das Fraunhofer Institut in Pfinztal, eine Forschungseinrichtung, die wesentlich vom Verteidigungsministerium finanziert wird. 1998 gründete das Fraunhofer Institut eine europäische Arbeitsgruppe, die innerhalb der NATO und der EU für non-letale Waffen wirbt.
Aufstandsbekämpfung als Schwerpunkt
Laut Veranstaltungsprogramm wollen die Teilnehmer des Symposiums 2013 sich vor allem damit beschäftigen, wie NLW in Einsätzen gegen zivile Unruhen in westlichen Ländern und bei Militärinterventionen von NATO- und EU-Staaten in Afrika und Asien funktioniert haben. Die Vorträge beschäftigen sich mit der Wirkung von Schallkanonen (LRAD) auf Menschenmengen, den Effekten von Elektroschock-Pistolen (Taser) bei Schweinen und der Aufstandsbekämpfungswaffe „FN303“, einem Druckluft-Gewehr, dessen Projektile bei den Getroffenen einen traumatischen Schockzustand bewirken sollen.
NLW – ideale Waffen für Diktatoren
Nach Ansicht der Bundesregierung fallen NLW nicht unter das Kriegswaffenkontrollgesetz. Deshalb führt sie auch keine Statistik über deren Ausfuhr. Das bedeutet, dass all diese Waffen an diktatorische Regime exportiert werden können, ohne dass die Öffentlichkeit davon etwas erfährt. Die Bundesregierung finanziert einerseits die Forschung an NLW mit dem Hinweis, dass diese Waffen für „Verteidigungsaufgaben“ notwendig seien. Gehen diese Waffen dann in den Export, sieht die Regierung einfach weg, weil es sich ja angeblich um keine „Kriegswaffen“ handelt.
Sagt Nein!
Die Veranstalter der Ettlinger Konferenz beklagen sich, dass die Waffen, an denen sie forschen, in der Öffentlichkeit zurückhaltende bis ablehnende Reaktionen hervorrufen. Das ist wohl der Grund, dass die Veranstaltung für die Ettlinger Bevölkerung quasi im Verborgenen stattfindet. Kein Artikel in den örtlichen Medien, kein Plakat, kein Hinweis in der Stadt. Der örtliche DGB hat deshalb eine Mahnwache vor dem Konferenzgebäude angemeldet, das Karlsruher Friedensbündnis hat ein Plakat und ein Flugblatt veröffentlicht, um die Ettlinger Bürgerinnen und Bürger aufmerksam zu machen, wer sich in ihrer Stadthalle tummelt und was dort besprochen wird. "Alle reden von den Wutbürgern", steht auf dem Plakat, "hier wird über Waffen gegen sie diskutiert". Provokativ, aber treffend.
Wir glauben dem Gerede von den "alternativen", "deeskalierenden", "nicht-tödlichen" Waffen nicht, erklären die Kongress-Kritiker. Sie sagen Nein zu Waffen-Forschung, -Produktion und -Einsatz. In ihrem Flugblatt heißt es: "Statt Waffen gegen soziale Unruhen brauchen wir Mittel und Politik gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, soziale Ungerechtigkeit. Statt Waffen für weltweite Militäreinsätze brauchen wir eine Politik der Abrüstung und der internationalen Solidarität."
Text: Arno Neuber, Ettlingen Foto: Plakat Friedensbündnis Karlsruhe