17.11.2014: Wie nahezu jedes Jahr hatten Nazis aus Oberfranken und darüber hinaus zu einem „Heldengedenken“ am Volkstrauertag aufgerufen. Etwas verloren drehten die rund 200, vorwiegend jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Runde am Wunsiedler Stadtrand, jenseits der Eger. Das Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess in Wunsiedel wurde bekanntlich inzwischen dort aufgelöst. Das hat die Nazis jedoch nicht davon abgehalten, die wegen ihres Freilufttheaters auf der Luisenburg durchaus renommierte Kleinstadt im Fichtelgebirge zur „Märtyrerstadt“ zu ernennen.
Der Kriegsverbrecher Priebke und Hess zu gedenken war ihnen jedoch polizeilich untersagt worden. Hauptziel des braunen Spektakels war ohnehin, für die Partei-Neugründung „Der III. Weg“ zu werben – die Ersatzorganisation für das kürzlich verbotene „Freie Netz Süd“.
Viel Aufmerksamkeit wurde der Trauer-Truppe (zunächst) nicht zuteil. Denn der Zutritt auch nur zur Nähe der Innenstadt war ihnen verwehrt: Das antifaschistische Bündnis „Wunsiedel ist bunt“ mit ihrem so engagierten wie einfallsreichen Sprecher Karl Rost, einem mittlerweile pensionierten Lehrer, hatte dort für den ganzen Nachmittag Gottesdienste und andere Veranstaltungen angemeldet.
Mehr als 500 Menschen aus Oberfranken waren gekommen, nicht gezählt jene Wunsiedler, die jeweils nur punktuell teilnahmen. Schüler und Schülerinnen mehrerer örtlicher Schulen traten mit vielfältigen, auch musikalischen Beiträgen aus. Vertreter und Vertreterinnen der Kirchengemeinden und der Gewerkschaften sowie weiterer Bündnisse gegen Rechts aus Bayreuth, Amberg oder auch Weiden berichteten aus ihrer Arbeit wie auch ein Vertreter der „Willkommens-Initiative“ in Selb über ihre praktische Unterstützung für Flüchtlinge. Nicht zuletzt gab es Ansprachen des Bürgermeisters Beck (CSU) und des SPD-Landtagsabgeordneten Adelt.
Außerdem kamen eine Vertreterin der IG Metall-Jugend aus Naila zu Wort sowie der regionale Geschäftsführer des DGB, Matthias Eckart aus Bamberg, und für den Kreisvorstand der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) Eva Petermann aus Hof.
Nichteingeweihte erfuhren erst hinterher, dass der Aufmarsch der Jungnazis doch mehr Publikum gefunden hatte als vermutet – und vor allem, als ihnen selbst lieb sein konnte. Ein Medienteam der Aussteigerorganisation „Exit“ hatte in Kooperation mit dem Wunsiedler Bündnis den braunen Umzug mit viel Liebe zum Detail satirisch aufs Korn genommen unter dem Motto „Nazis laufen gegen sich selbst“. Im Stil der beliebten Wohltätigkeitsläufe wurde jeder gelaufene Meter von privaten Spendern mit 10 Euro dotiert.
Aufmunternde Transparente und Aufschriften auf dem Pflaster feuerten die Demonstrierenden an wie z.B. „Flink wie die Windhunde, zäh wie Leder, großzügig wie nie“. Auch wurden Bananen („Mein Mampf!“) dargeboten, wie es sich für einen rechten Langlauf gehört. Ein Transparent mahnte allerdings auch: “Was hätte der Führer dazu gesagt?“
Das Ganze wurde filmisch festgehalten und macht inzwischen im Internet höchst vergnüglich die Runde. Und nicht weniger als 10 000 Euro („Danke, Sportsfreunde!) gehen nun an „Exit“, zur Unterstützung all derer, die der rechten Szene entkommen wollen.
Text: Eva Petermann Fotos: Eva Petermann/Filmausschnitte
Unbedingt ansehen und weiter verbreiten:
„Der unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands“:
Quelle: www.rechts-gegen-rechts.de