13.12.2012: Am Freitag, dem 14. Dezember, stimmt der Bundestag über die Entsendung von zwei mobilen PATRIOT-Flugabwehrsystemen samt 400 Bundeswehrsoldaten und über den Einsatz von AWACS-Radar-Flugzeugen in der Türkei ab. Dazu schreibt Arno Neuber in der UZ – Zeitung der DKP:
Die Bundesregierung hat in ihrem Beschluss zur Stationierung von „Patriot“-Raketen in der Türkei formuliert, damit solle „nicht in den syrischen Luftraum hinein“ gewirkt werden. Die Stationierung „dient nicht der Einrichtung oder Überwachung einer Flugverbotszone über syrischem Territorium“, heißt es im Text.
Das mag man glauben oder auch nicht. Was passiert, wenn die türkische Regierung von ihrem Kriegsmandat, das ihr das Parlament erteilt hat, Gebrauch macht und Panzer oder Kampfjets in die syrische Kurdenregion schickt? Was, wenn die deutschen „Patriots“ ein syrisches Flugzeug abschießen? Was tut die Bundeswehr, wenn syrische Freischärler, die in der Türkei ihren Rückzugsraum haben, Gefechte an der Grenze provozieren? Hinter vorgehaltener Hand ist in Berlin die Rede davon, man wolle die Türkei mit der Stationierung von NATOEinheiten von Alleingängen abhalten. Wäre das so, dann dürfte man die Stationierung türkischer Panzer und Kampfjets an der syrischen Grenze, das immer aggressivere Säbelrasseln Ankaras und die brutale Unterdrückungspolitik gegen die Kurden nicht mit demonstrativer Rückendeckung belohnen.
In den letzten Tagen haben die USA eine Drohkampagne gegen Syrien forciert, die an die Vorbereitung des Irak-Krieges erinnert. Da werden Gerüchte vom bevorstehenden Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung lanciert. Dann wieder wird erklärt, US-Spezialeinheiten wollten Chemiewaffen in Syrien vor islamistischen Kämpfern sichern. Mit Russland wurde angeblich bereits über die Abdankung Assads gesprochen. Der russische Außenminister sah sich deshalb zu einem ungewöhnlich scharf formulierten Dementi veranlasst.
„Alle Versuche, die Sache anders darzustellen, sind recht unsauber, und zwar selbst für die Diplomatie der Länder, die für ihr Streben bekannt sind, Fakten zu ihren Gunsten zu entstellen“, so Sergej Lawrow. „Eine Wiederholung der libyschen Erfahrungen in Syrien werden wir nicht zulassen.“ In Berlin hat man sich frühzeitig entschieden, bei einem herbeigeführten Regime-Wechsel in Damaskus nicht nur eine Statisten-Rolle zu spielen. So arbeitet man mit dem Clinton-Ministerium der USA bei der Ausbildung von syrischen Kadern für die Ära nach Assad zusammen. Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehrspezialisten für elektronische Kampfführung versorgen britische und US-Geheimdienste mit strategischen Daten aus abgehörtem Funk- und Telefonverkehr in Syrien. Damit auch die Heimatfront in Deutschland davon Kenntnis nimmt, durfte die „Bild am Sonntag“ schon mal verkünden: „Kein westlicher Geheimdienst hat so gute Quellen in Syrien wie der BND (… Wir können stolz darauf sein, welchen wichtigen Beitrag wir zum Sturz des Assad-Regimes leisten.“
Zur deutschen Schützenhilfe müssen auch die geplanten Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und Katar gerechnet werden. Die beiden Scheichtümer füllen die Kriegskassen der bewaffneten Regierungsgegner in Syrien und Berlin sorgt für die Bewaffnung der reaktionären Golf-Staaten mit Panzern, Truppentransportern und weiterem Kriegsgerät.
Beides, Waffenlieferungen und die Bereitschaft, noch häufiger die Bundeswehr in Kriegseinsätze zu schicken, sind Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Berliner Republik. Aus der Orientierung der US-Politik auf den pazifischen Raum und den wirtschaftlichen Problemen der EU-Konkurrenten will man politisches Kapital schlagen. Die Kooperation mit neuen „Gestaltungsmächten“ in geostrategischen Regionen soll die globale Rolle Deutschlands stärken, wie in einem außenpolitischen Papier zu Anfang des Jahres formuliert wurde. In der NATO will man sich stärker als Führungsmacht anbieten, an die sich klamme Partnerländer „anlehnen“ können und den Ausbau der Militärmacht EU betrachtet man als Schicksalsfrage für die „Selbstbehauptung“ der EU in der neuen Weltordnung.
Bei der NATO wurde in den letzten Tagen über eine direkte Intervention des Militärpaktes in Syrien gesprochen. Das geht aus zahlreichen Presseberichten hervor. Am Montag hat die Bundesregierung vier syrische Botschaftsmitarbeiter ausgewiesen. Außenminister Westerwelle machte dabei klar, dass Berlin auf einen baldigen Sieg der bewaffneten Opposition setzt. Dieser Sieg wird mehr brauchen als die 400 Bundeswehr-Soldaten, die Berlin jetzt in die Türkei schickt. Afghanistan sollte da eine Lehre sein. Arno Neuber
(Vorabdruck aus der UZ vom 14.12.2012)
Foto: D'oh Boy