12.05.2015: Im Mai 1945 war Elmshorn 11 Tage eine von Nazis befreite Stadt. Es gab in dieser Zeit auch keine Besetzung durch britische Truppen. Es begann am 2. Mai mit der Gründung des illegalen „Antifaschistischen Ausschusses“. Führende Köpfe waren der Sozialdemokrat Erich Arp und der Kommunist Arthur Geißler. Der Leitung gehörten neun weitere Sozialdemokraten und Kommunisten an. Innerhalb kurzer Zeit stellten sich 150 antifaschistisch eingestellte Arbeiter aus Elmshorner Betrieben diesem Ausschuss zur Verfügung. Sie wurden bewaffnet und erhielten Polizeifunktionen. Mit dieser Aktion verhinderten die Antifaschisten die von den Nazis geplante Kampflinie in Elmshorn gegen die vorrückenden Briten.
In der Stadt waren nach wie vor Wehrmachtsoldaten und SS - Verbände. Sie schossen in Häuser, aus deren Fenster weiße Fahnen wehten. Der NS - Bürgermeister versuchte, gegen den Antifa - Ausschuss Polizeieinheiten in Stellung zu bringen. Am 5. Mai wurde der NS - Bürgermeister Küster verhaftet und aus der Stadt gewiesen. Der Sozialdemokrat Hauschildt wurde als Bürgermeister eingesetzt. Der Antifaschistische Ausschuss sicherte die mit weißen Fahnen gestaltete Stadt gegen die Nazis, die noch zu allem bereit waren. Belastete Nazis wurden festgenommen und eingesperrt. Den Briten wurde eine befreite Stadt übergeben. Dieser Vorgang ist einmalig in Norddeutschland.
Die Erinnerung an diese 11 Tage im Mai wird seit vielen Jahrzehnten durch vielfältige Aktionen wach gehalten. Antifaschistischer Stadtrundgänge, blaue Gedenktafeln an historischen Orten im ganzen Stadtgebiet, Stolpersteine für die Opfer des Faschismus in Elmshorn und Diskussionsveranstaltungen alle Art wurden von verschiedenen Kräften und Bündnissen durchgeführt.
In diesem Jahr berichtete das NDR - Fernsehen über die Selbstbefreiung. Es wurden am Gedenkstein für die elf Opfer des politischen Widerstandes von der DKP, der SPD, der Partei Die Linke und der VVN-BdA Kränze niedergelegt. Dort sprachen der Bürgervorsteher Karl Holbach und der Landesvorsitzende der VVN-BdA Hartmut Büchsel. Der anschließende Stadtrundgang hatte vier Stationen:
- Den Standort des damaligen Gewerkschaftshauses, in dem der Antifaschistische Ausschuss gegründet wurde, nachdem die Nazis aus dem Gebäude geworfen worden waren
- Den Gedenkplatz der Synagoge im Flamweg
- Den Stolperstein für den ermordeten Kommunisten Richard Jürgensen
- Die Nikolaikirche, von deren Dach wie vor 70 Jahren auch an diesem Gedenktag weiße Bettlaken wehten.
Im Anschluss daran wurde die VVN-BdA – Ausstellung „Neofaschismus in Deutschland“ von der stellvertretenden Leiterin der Volkshochschule eröffnet. Die abschließende Podiumsdiskussion war durch die politischen Spektren der damaligen Selbstbefreiung repräsentiert. Das waren die DKP, die SPD, die Partei die Linke und ver.di für den DGB. Es ging um die Schlussfolgerungen aus den Erfahrungen der Selbstbefreiung für heute und die Zukunft. Der SPD Bundestagsabgeordnete Ernst Dieter Rossmann hatte leider wenig Konstruktives zum Thema einzubringen. Alle anderen und die Diskutanten aus dem Publikum nutzten die Debatte, um Lehren aus den historischen Erfahrungen für den Kampf gegen Faschismus darzustellen.
Einig war man sich in der Dreierrunde, dass jetzt der Kampf gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Faschismus höchst aktuell ist. Die Breite des antifaschistischen Bündnisses muss immer wieder neu erarbeitet werden. Es gilt, das dominierende antifaschistische Klima in der Stadt immer wieder zu sichern und zu erneuern. Dazu gehören auch wissenschaftliche Debatten zu den Ursachen und Wirkungsweisen des Faschismus. Der Kapitalismus bleibt Gegenstand gesellschaftspolitischer Debatten, gerade auch angesichts der historischen Erfahrungen.
Die SPD und die KPD waren sich 1945 nicht nur in Elmshorn einig darin, dass eine antifaschistische Zukunft bedeutete, den Kapitalismus zu überwinden und eine sozialistische Zukunft aufzubauen. Die Elmshorner Geschichte der Selbstbefreiung ist Chance und Verpflichtung zugleich! Mit der Aufarbeitung können sich auch neue politische Einsichten entwickeln, wenn sie mit den aktuellen politischen Verhältnissen verknüpft werden.
Text: Heinz Stehr Fotos: U. Stephan, r-mediabase