26.01.16: Kanzlerin Merkel hat am 19. Januar erstmalig der Marine in Kiel einen Besuch abgestattet. Zu ihrem zweistündigen Programm gehörten auch Show-Einlagen von Minentauchern und Kampfschwimmern, wie es sie so oder ähnlich nur bei Tagen der offenen Tür oder der Kieler Woche gibt (kommentierte die „Kieler Nachrichten“ süffisant). Zu diesen eigens für sie einstudierten "dynamischen Vorführungen"(so der Wortlaut der vorab veröffentlichten Presse-Info) zählten: Minentaucher fahren rasant in einem Schlauchboot vor, drehen direkt vor der Korvette "Braunschweig" (Foto) bei und lassen eine Drohne ins Wasser. Als Höhepunkt steigen Kampfschwimmer aus der kalten Ostsee und enterten die Korvette, um an Bord die Kanzlerin zu begrüßen.
Ziel dieser Übung: Die Kanzlerin wollte sich, wie es offiziell heißt, "von der Leistungsfähigkeit der Einsatzflottille 1 überzeugen". Zur Einsatzflottille 1, die in Kiel stationiert ist, gehören Schnellboote, Minensuchboote, U-Boote und fünf Korvetten. Gastgeber war die Korvette "Braunschweig" mit ihren 65 Soldatinnen und Soldaten an Bord, die jüngst in der UN-Mission "Unifil" vor der Küste Libanons im Einsatz war, um nach offizieller Verlautbarung den Waffenschmuggel in den Libanon zu verhindern.
Doch in der lokalen Presseberichterstattung war weniger über Militäroperationen der Kriegs-Marine die Rede, stattdessen hatte man den Eindruck, der hohe Besuch galt einem Schiff der DLRG, der deutschen Lebensrettungsgesellschaft. Standen doch – nach Presseberichten – bei Merkels Gesprächen mit den Soldaten vor allem die humanitären Rettungsaktionen im Mittelmeer im Mittelpunkt. So soll die deutsche Marine in den letzten Monaten fast 10.000 Flüchtlingen das Leben gerettet haben. Eher beiläufig wurde ihre Bemerkung über die rasant zunehmende Zahl an Auslandseinsätzen der Bundeswehr erwähnt: „Die Marine ist im Augenblick im Auslandseinsatz sehr stark gefragt“, sagte Merkel in Kiel „Wir haben wichtige internationale Operationen mit zu unterstützen“ Als Beispiele nannte sie die Begleitung des französischen Flugzeugträgers im Rahmen des Kampfes gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ oder die Piraten-Bekämpfung am Horn von Afrika und vor Somalias Küsten.
Operation "Sophia"
Der Termin des Besuchs der Kanzlerin bei der Kriegsmarine war nicht zufällig gewählt. Er ist Teil der Propagierung zunehmender robuster Auslandseinsätze der Marine. So verließen zeitgleich mit dem Merkel-Besuch in Kiel der Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main"(aus Wilhelmshaven) und die Korvette "Ludwigshafen am Rhein“ (aus Warnemünde) ihre Heimathäfen, um an der EUNAVFOR MED - Operation "Sophia" im Mittelmeer teilzunehmen.
Mit Blick auf deren Einsatz heißt es in einer Pressemitteilung der Bundesmarine: "Die Besatzungen erwarten einen herausfordernden Einsatz im Mittelmeer. Die Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber der Operation 'Sophia' werden auf hoher See bzw. im internationalen Luftraum zwischen der italienischen und libyschen Küste eingesetzt. Sie überwachen das Seegebiet und tragen durch Aufklärungsergebnisse dazu bei, dass ein umfassendes Bild über die Aktivitäten von Schleusern entsteht. Die Schiffe sind nach dem Völkerrecht, dem Mandat und den Einsatzregeln ('Rules of Engagement') berechtigt, militärische Gewalt zur Durchsetzung ihres Auftrags einzusetzen.“ Seit Juni sind deutsche Kriegsschiffe daran beteiligt. Wird der ursprüngliche Plan eingehalten, stünde 2016 eine unkalkulierbare Eskalation bevor: Besatzungen von EU-Kriegsschiffen würden dann nicht nur in libyschen Küstengewässern, sondern auch auf libyschem Territorium operieren, um Flüchtlinge vom Verlassen des afrikanischen Kontinents abzubringen. Die Pläne fallen mit Überlegungen zusammen, die libyschen Streitkräfte von der NATO ausbilden zu lassen.
Mehr als 300 Millionen Euro für die Marine
Die Marine investiert in den kommenden Jahren mehr als 300 Millionen Euro in ihre Stützpunkte in Kiel und Eckernförde. Das Minensuchgeschwader bleibt Kiel langfristig erhalten. Die verbliebenen zehn Boote des Geschwaders sollen weiter modernisiert und zwischen 2025 und 2030 Nachfolger erhalten. Außerdem wird im Frühjahr in Kiel das neue Unterstützungsgeschwader aufgestellt. Außerdem ist geplant, dass das Verteidigungsministerium in diesem Jahr mit dem "Weißbuch" eine aktualisierte strategische Planung vorlegt. Dann entscheidet die Marine auch, wann die beiden Tanker "Rhön" und "Spessart" ersetzt und ob zwei hubschraubertragende Unterstützungsschiffe beschafft werden.
Neues U-Boot für Israel hat Kieler Werft verlassen
Zu den Rüstungsausgaben des Bundes hinzuzuzählen sind auch die Millionen, mit denen die U-Boot-Neubauten für Israel gesponsert werden. Das bei ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) gebaute U-Boot "Rahav" hat Mitte Dezember Kiel Richtung Israel verlassen. Die "Rahav" ist das zweite israelische U-Boot mit einem außenluftunabhängigen Brennstoffzellenantrieb. Ausgerüstet ist es – wie alle bisher gelieferten U-Boote - mit zehn Torpedo-Rohren. Die Kosten werden auf mehr als 500 Millionen Euro geschätzt - ein Drittel davon finanziert die Bundesrepublik.
Im Herbst 2014 hatte Israel das erste Brennstoffzellen-U-Boot, die "Tanin", erhalten. Diese Technik garantiert lange Tauchzeiten und sind nach offiziellen israelischen Angaben „für Langstrecken- und Spezialeinsätze“ gedacht und sollen z.B. auch die Öl- und Gasförderplattformen vor der Küste des Landes schützen.
Parallel zur Auslieferung des U-Bootes gab das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri bekannt, dass – entgegen dem Trend in Westeuropa – deutsche Rüstungsunternehmen im Jahr 2014 ein sattes Plus von 9,4 Prozent verzeichnen konnten. Den Forschern zufolge lag das vor allem an einem starken Umsatzwachstum bei dem Industriekonzern Thyssen Krupp. Das Unternehmen kletterte im Rüstungsranking vom 59. auf den 42. Platz und verkaufte Waffen im Wert von 2,31 Milliarden US-Dollar (2013: 1,77 Milliarden).
Text: gst Fotos: Bjoern Laczay / Uwe Hiksch / gst