05./06.01.2021: Die Ampel zeigt Grün: Freie Fahrt für die deutsche Kriegsmarine und ihren "einzigartigen und unverzichtbarer Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt" ++ Fregatte "Bayern" als Eisbrecher einer Kanonenbootspolitik der EU im Indopazifik ++ Fregatte "Bayern" im Hafen von Ho-Chi-Minh-Stadt eingelaufen ++ Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr: uneingeschränkte Nutzung der globalen Seewege ist für Deutschland von existenzieller Bedeutung ++ Verteidigungsministerin Lambrecht: "Wir nehmen Putin ins Visier"
"Verteidigungs"- Ministerin Christine Lambrecht (SPD) absolvierte Mitte Dezember ihren Antrittsbesuch bei der Deutschen Marine, und zwar beim 1. Korvettengeschwader in Rostock-Warnemünde.
"Nach einer Gesprächsrunde war der Ministerin durch die Besatzung des Kriegsschiffs "Echo" eine simulierte Gefechtsübung an Bord präsentiert worden. Anschließend präsentieren die Soldaten des Seebataillons und des Kommandos Spezialkräfte Marine aus Eckernförde einige ihrer Fähigkeiten an Deck" wie in einer Presseerklärung des Marinekommandos mitgeteilt wurde.
Zu den Kernaufgaben des von der Ministerin besuchten Korvettengeschwaders gehört das Überwachen und Aufklären von Seegebieten - sowie nötigenfalls - Ziele auf See und an Land zu bekämpfen. Dafür verfügen die Schiffe über Lenkflugkörper, die über Satellitennavigation gesteuert werden. Die Korvetten lassen sich weltweit vor allem in flachen Gewässern einsetzen. Deren geringer Tiefgang ermöglicht, dass sie auch sehr nahe an eine Küste heranfahren können. Das macht sie einerseits zu Spezialisten für enge Seegebiete wie die Ostsee, andererseits sind sie gerade deshalb auch als multinationale "Krisenreaktionskräfte" geeignet.
Der deutsche Botschafter Dr. Guido Hildner erklärte bei der Begrüßung der Fregatte "Bayern", dass die Fahrt eine konkrete Umsetzung der deutschen Indo-Pazifik-Leitlinien von 2020 sei, mit denen sich Deutschland zu einem größeren Engagement in der Region bekenne. Quelle: Facebook, German Embassy Hanoi |
Fregatte "Bayern" als Eisbrecher einer Kanonenbootspolitik der EU
Zu diesem Besuch der Ministerin passt die jüngst erfolgte Ankündigung von Vizeadmiral Schönbach, dass die deutsche Marine künftig regelmäßig alle zwei Jahre Kriegsschiffe in die Indopazifikregion entsenden will. Der Inspekteur der Marine beschrieb die aktuelle Fahrt der "Bayern" in den Indopazifik (China: Südchinesische Meer; Vietnam: Ostmeer) "als Eisbrecher zur Vorbereitung für künftige Einsätze. Er schloss nicht aus, dass sich die Deutschen an Missionen unter Führung eines befreundeten Flugzeugträgerkampfverbands beteiligen könnten. Um künftige Operationen zu erleichtern, verhandle man zur Zeit unter anderem mit Singapur über den Aufbau eines Logistikhubs. Zur Begründung des verstärkten militärischen Engagements verwies er auf Deutschlands Interessen als Handelsnation." [1]
"Wir müssen die Sprache der Macht neu erlernen und uns selbst als geostrategischen Akteur der obersten Kategorie begreifen."
Josep Borrell, Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik
Diese Äußerungen liegen passgenau auf der Linie des neuen EU-Verteidigungskonzepts, das bis März 2022 unter Dach und Fach sein soll. In einem vom EU- Außenbeauftragten Josep Borrell (Spanien) im November vorgelegten Entwurf lautet die Kernaussage: Die 2016 von Borrells Vorgängerin Federica Mogherini formulierte Strategie, wonach EU-Europa vorrangig als "Soft-Power-Macht" ohne eigene größere militärische Fähigkeiten agieren solle, ist obsolet. Nach Borrell muss die EU "die Sprache der Macht lernen, es muss sich im Spiel der Großmächte behaupten können, um seine vitalen Interessen zu verteidigen. Uns gefällt die Welt von Kant, aber wir werden uns darauf einstellen, in der Welt von Hobbes zu leben, in der der Kampf aller gegen alle die Normalität darstellt." [2] Kernelement der neuen EU-Militärstrategiestrategie soll eine 5.000 Soldat*innen umfassende schnelle Eingreiftruppe sein (zusätzlich zu einer bereits existierenden NATO-Truppe in ähnlicher Größe).
Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr
Parallel zur Veröffentlichung des Ampel-Koalitionsvertrages wurde der "Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr. Fakten und Zahlen zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland" der Öffentlichkeit übergeben. Auf den 184 Seiten geht es dabei, wie es im Vorwort heißt, um die "maritime Sicherheit" für den Welthandel und um die deutsche maritime Rüstungswirtschaft. [3]
"Als Mitglied der NATO stehen wir dafür ein, dass unsere Handels- und Passagierschiffe die Weltmeere weiterhin frei und sicher befahren können."
Vizeadmiral Schönbach
"Dieser Bericht soll durch Zahlen, Daten und Fakten verdeutlichen, warum die See für unser aller Leben von entscheidender Bedeutung ist und so deutlich machen, warum unser Land nicht umhinkommt, seine maritimen Interessen zu schützen", so der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Schönbach, im Vorwort der Studie. Und weiter: "Für Deutschland als Industrie- und Handelsnation ist die uneingeschränkte Nutzung der globalen Seewege von existenzieller Bedeutung. Der zuverlässige Import von Rohstoffen sowie der gesicherte Export von Gütern garantieren die Funktionalität unserer Wirtschaft und damit unserer Gesellschaft. Die Deutsche Marine leistet hier einen einzigartigen und unverzichtbaren Beitrag zur Freiheit der weltweiten Seefahrt und ist somit ein wesentlicher Garant unseres Wohlstands sowie der sozialen Sicherheit. Als Mitglied der NATO stehen wir dafür ein, dass unsere Handels- und Passagierschiffe die Weltmeere weiterhin frei und sicher befahren können."
Ein Dank geht dann auch noch an die alte Bundesregierung: "Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat im Juni 2021 die Mittel für wichtige Vorhaben der Marine freigegeben, darunter für die Neubeschaffung von zwei U-Booten der Klasse 212 CD in Kooperation mit Norwegen, drei Flottendienstbooten, zwei Marinebetriebsstoffversorgern und fünf Seefernaufklärern P-8A Poseidon. Zusammen mit dem Auftrag für die neuen Fregatten der Klasse F126 wird die dringend notwendige Modernisierung der Flotte weiter vorangetrieben."
Wofür "die Industrie- und Handelsnation" ihre Kriegsschiffe in erster Linie fit machen muss, ist gleich zu Beginn der Studie in einem Grundsatzbeitrag heraus gehoben: "Der Indo-Pazifik: Raum geostrategischer Rivalitäten und sicherheitspolitischer Herausforderungen."
Darin heißt es u.a. "Seit dem August dieses Jahres ist die Fregatte 'Bayern' auf einer sechsmonatige Reise in den indopazifischen Raum. Ein Gebiet, in dem die Deutsche Marine seit nahezu 20 Jahren nicht mehr aktiv war. Maßgeblicher politischer Anstoß dieser Entsendung sind die im August 2020 von der Bundesregierung erlassenen Leitlinien für den Indo-Pazifik. Davon abgeleitet soll sich das deutsche außen- und sicherheitspolitische Engagement in der Region verstärken und verfestigen. (….) In diesem maritimen Raum treten neue und komplexe Herausforderungen und Konfliktpotenziale zutage, wie es Auseinandersetzungen um Ressourcen oder Rechtsnormen in Teilen der Welt zeigen. Die Entsendung der Fregatte ‚Bayern‘ in diesem Jahr ist sichtbarer Ausdruck des deutschen Engagements.."
In den nachfolgenden Grundsatzbeiträgen unter "Kapitel I – Maritime Sicherheit" geht es um den "Kampf um den Nordpol" und um "Illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen".
In Kapitel 3 "Deutsche Marine" wird dann ausführlich aufgelistet, welche konkreten Beschaffungsvorhaben für die Deutsche Marine in Angriff genommen werden: Das Produktportfolio umfasst U-Boote, Fregatten, Korvetten, Minenabwehreinheiten, Patrouillen- und Kampfboote, Hilfs- und Versorgungsschiffe und komplette Subsysteme. Also eine breite Palette, um zukünftig auf den Weltmeeren "regelbasiert Ordnung" zu schaffen.
"Wir nehmen Putin ins Visier"
Der "Jahresbericht des Marinekommandos der Bundeswehr" liest sich als konkretisierende Anlage zum entsprechenden Abschnitt im Ampel-Koalitionsvertrag. Die Koalitionäre bekennen sich darin ausdrücklich "zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials. Auftrag und Aufgabe der Bundeswehr müssen sich an den strategischen Herausforderungen und Sicherheitsbedrohungen unserer Zeit orientieren. .. Die Bundeswehr muss entsprechend ihres Auftrages und ihrer Aufgaben bestmöglich personell, materiell sowie finanziell verlässlich ausgestattet werden." Die Einsatzbereitschaft soll erhöht werden, ebenso die rüstungstechnische Zusammenarbeit in Europa.
Ein Konzept für eine Entspannungspolitik, geschweige denn konkrete Abrüstungsvorschläge sucht man im Koalitionsvertrag vergebens. Der entsprechende Abschnitt des Vertrages atmet den Geist des Kalten Krieges und fügt sich damit passgenau in die NATO-Globalstrategie ein.
"Wir nehmen Putin ins Visier", so die Kernaussage von "Verteidigung"- Ministerin Lambrecht beim Besuch des NATO-Kontingents der Bundeswehr in Litauen. Dort sprach die Ministerin "in ungewohnt scharfem Ton davon, den ganzen Instrumentenkasten, den wir haben, zu nutzen" [4]
Anmerkungen
[1] FAZ, 22.12.2021: Deutsche Marine verstärkt Engagement im Indo-Pazifik
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/deutsche-marine-verstaerkt-engagement-im-indo-pazifik-17697320.html
[2] FAZ, 10.11.2021: "Europa ist in Gefahr"
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/josep-borrells-neues-konzept-fuer-die-eu-verteidigungspolitik-17627660.html
[3] Marinekommando Jahresbericht 2021
https://www.bundeswehr.de/resource/blob/5264806/87664fd718ff38fe74f40913de6290a6/marinekommando-jahresbericht-2021-data.pdf
[4] FAZ, 19.12.2021: "Wir nehmen Putin ins Visier"
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/lambrecht-in-litauen-wir-nehmen-putin-ins-visier-17692368.html