16.12.2013: In nahezu ausgelassener Stimmung beendeten am Sonntag mittag die Delegierten der Europäischen Linkspartei ihren 4. Parteitag. In einem letzten Wahlgang hatten sie zuvor Alexis Tsipras, den Vorsitzenden des griechischen Linksbündnisses SYRIZA (Foto), zu ihrem Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission bestimmt. Mit ihm sollen die über dreißig Parteien, die bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Jahr auf nationaler Ebene eigenständig antreten, ein gemeinsames Gesicht erhalten, einen „Wortführer“, wie Pierre Laurent, der wieder gewählte Vorsitzende, betonte. Auch Tsipras selbst bestätigte: „Meine Kandidatur ist nicht eine nur für den Süden Europas, sondern für alle Bürgerinnen und Bürger Europas.“
Die im Amt bestätigten und die neu in die Führungsgremien gewählten Genossinnen und Genossen können sich in ihrer Arbeit auf ein politisches Dokument stützen, das in außerordentlicher Einmütigkeit diskutiert wurde, und am Ende die Zustimmung von 93% der Parteitagsdelegierten fand. Darin wird die europäische Krise als Teil der „globalen Krise des Kapitalismus“ bezeichnet, deren wesentliche Ursachen die im Kapitalismus bestehenden Widersprüche seien. Anschaulich werden die Auswirkungen beschrieben, die in einigen Regionen Europas bereits in eine humanitäre Katastrophe mündeten. Der Kapitalismus sei grundsätzlich nicht menschengerecht zu gestalten und müsse überwunden werden. Für die Entwicklung einer linken Alternative sieht sich die Europäische Linkspartei in einer Schlüsselrolle. Sie orientiert auf eine Bündelung der Kräfte im Widerstand gegen die neoliberale Barbarei, und hat dabei vor allem soziale Bewegungen, lohnabhängig Beschäftigte und Arbeitslose, antifaschistische und antirassistische Bewegungen im Blick.
Keine Aussage jedoch findet sich im Dokument zur Frage des Übergangs, ausgeblendet bleibt weitgehend die Erörterung konkreter Schritte hin zur Veränderung des Kräfteverhältnisses. Auch in der Generaldebatte spielte diese Frage nur vereinzelt eine Rolle, etwa in der saloppen Formulierung eines Vertreters der spanischen Izquierda Unida, man werde den Weg finden, indem man ihn gehe. Tatsächlich aber klafft bei der Formulierung einer glaubwürdigen linken Transformationsstrategie eine der schmerzlichsten theoretischen und praktischen Leerstellen. Hier wären fundierte Beiträge notwendig, zu denen auch und gerade die Mitglieder der DKP gemäß ihrem Selbstverständnis aufgerufen sind. Mit Abstinenz oder lediglich kritischer Abarbeitung an Begrifflichkeiten jedenfalls bliebe die DKP nicht nur weit hinter den selbstgesteckten Ansprüchen, sondern auch hinter den politischen Erfordernissen zurück.
Dass die Veränderung des Kräfteverhältnisses als konkrete Aufgabenstellung relativ unterbewertet blieb, war wohl auch dem Sog geschuldet, den die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament auslösen. Walter Baier vom wissenschaftlichen Netzwerk transform! gab der verbreiteten Hoffnung Ausdruck, dass „diese EU-Wahlen den Völkern die Gelegenheit geben werden, ein Urteil zu sprechen über 5 Jahre Krise und neoliberales Krisenmanagement.“ In nicht wenigen Beiträgen, ja selbst im politischen Dokument, schimmert die Hoffnung durch, dass dieses Urteil auch einmal zur Regierungsbeteiligung führen könnte. Anders ist die tiefe Enttäuschung nicht zu verstehen, die wiederholt geäußert wurde über das Verhalten der Sozialdemokratie. Aktuellen Anlass boten die Koalitionsverhandlungen in Deutschland. Wolfgang Gehrcke (Die Linke) bezeichnete es als „Katastrophe unseres Jahrhunderts, dass die Sozialdemokraten erneut das Bündnis mit den Rechten suchen, und nicht mit den Linken. Dies ist ein Koalitionsvertrag der Kriegskredite, der Kriegserklärung an die Länder der Peripherie, des Krieges gegen die Armen.“
Die Europäische Linkspartei hat einen arbeitsintensiven 4. Parteitag absolviert, einen Parteitag der demonstrativen Entschlossenheit und Geschlossenheit. Kein Zweifel, dieses Parteienbündnis wird, wie Pierre Laurent formulierte, „Akteur im europäischen Klassenkampf“ sein, die Parteien werden die Politik der Sparhaushalte und der Privatisierung öffentlicher Güter bekämpfen. Mit diesem 4. Parteitag ist die Europäische Linke nicht zuletzt auch zu einem beachteten Akteur auf der internationalen Bühne geworden. Álvaro García Linera, Vizepräsident Boliviens, versicherte in seiner Grußansprache, dass die Europäische Linke in ihren Kämpfen nicht allein sei. Er zeigte sich überzeugt, dass die Linke „Europa aus dem Schatten holen werde“, in dem der Kontinent seit den Zeiten der großen universalistischen Ideen der Aufklärung versunken sei.
Text/Foto: Isa Paape
Isa Paape war Mitglied des PV der DKP und ist Mitglied der Delegation der DKP auf dem 4. Parteikongress der EL
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