14.09.2022: Die für den französischen Kolonialismus symbolische Söldnertruppe ist zum Schutz der Gasanlage in Balhaf in den Jemen entsandt worden. Balhaf soll wieder in Betrieb genommen werden und Flüssiggas nach Europa liefern.
Aus Angst vor der winterlichen Erdgasknappheit infolge des Wirtschaftskrieges gegen Russland und eines russischen Erdgaslieferstopps treiben europäische Regierungen in immer gefährlicheres geopolitisches Fahrwasser. In Europas Kampf um Erdgas und gegen explodierende Gasrechnungen hat die französische Regierung die berüchtigte Fremdenlegion in den Jemen entsandt, um die Flüssiggasanlage Balhaf in der Provinz Schabwa zu schützen. Die Anlage in Balhaf wird von Yemen LNG betrieben, an der der französische Energiemulti TotalEnergies SE einen Anteil von 39,6 % hält. Weitere Anteilseigner sind die US-amerikanische Unternehmen Hunt Oil (17,2 %), die südkoreanischen Unternehmen SK Innovation, Hyundai und Kogas (zusammen 21,4 %) sowie der jemenitische Staatsbetrieb YGC und die staatliche Organisation GASSP (zusammen 21,7 %).
Nach Angaben von Abubaker Alqirbi, dem ehemaligen Außenminister der von den arabischen Monarchien und dem Westen anerkannten jemenitischen Regierung, befinden sich die Söldner der französischen Fremdenlegion, die exemplarisch den französischen Kolonialismus symbolisiert, bereits seit Mitte August in Schabwa. Ihre Aufgabe sei es, die Vorbereitungen für den Export von Balhaf-Gas nach Frankreich und in andere europäische Länder abzusichern. Das Ziel ist die Wiederaufnahme der Gasexporte aus Balhaf "angesichts der gestiegenen internationalen Gaspreise und um den russischen Druck auf Europa zu verringern", so Alqirbi .
Im Juli hatten Frankreich und die Vereinigten Arabischen Emirate ein Abkommen zur gemeinsamen Produktion von Flüssigerdgas (LNG) unterzeichnet. Nach verschiedenen Veröffentlichungen seit Anfang des Jahres ziele die Energiekooperation zwischen den beiden Ländern auch darauf ab, sich die Kontrolle über die jemenitischen Gasressourcen der Anlage in Balhaf zu sichern. Das Emirat Katar hat erst kürzlich mitgeteilt, dass es die großen LNG-Mengen, die Deutschland und die EU erwarten, in den nächsten Jahren gar nicht liefern kann.
Frankreich musste in den letzten Monaten erleben, wie die Atomkraftwerke seines Landes aufgrund des durch die Dürre verursachten Rückgangs des Wasserspiegels in den französischen Flüssen zurückgefahren werden mussten. Dabei stehen 30 der 56 französischen Atomkraftwerke wegen Wartungsarbeiten und Rissen in sicherheitsrelevanten Rohren still. Atomenergie stellt in Frankreich in Normalzeiten um die 70 Prozent der Energieproduktion - so viel wie in keinem anderen Land.
Ohne reichlich Wasser für seine Kraftwerke und unter dem Druck, dass das Gas nicht ausreicht, um die Binnennachfrage zu decken, hat Macron die Söldnertruppe geschickt, die unter der französischen Trikolore kämpft, um sicherzustellen, dass das Kraftwerk Balhaf wieder voll funktionsfähig wird. Jemen ist schon in Friedenszeiten kein großer Gasexporteur, exportiert aber aufgrund des Bürgerkriegs, in dem schiitische Houthi-Rebellen, die die Hauptstadt Sanaa und andere große Teile des Landes kontrollieren, mit den von Saudi-Arabien, den Emiraten und anderen arabischen Ländern unterstützten Truppen kämpfen, derzeit gar nichts. Paris, so schreiben einige arabische Zeitungen, will die Gasexporte des Jemen wieder ankurbeln, um zumindest das Vorkriegsniveau wiederherzustellen.
Doch Macrons Pläne stoßen auf einige Hindernisse. Die Anlage in Balhaf wurde zu einem Stützpunkt für die von den Emiraten bezahlten Milizen umfunktioniert, die in den letzten Monaten die Houthi-Kämpfer in Schach gehalten haben. Die Appelle von Mohammed Saleh bin Adyo, dem ehemaligen Gouverneur von Schabwa, der die Milizionäre zum Verlassen des Geländes bewegen wollte, stießen auf taube Ohren. Abu Dhabi ist zwar ein Verbündeter von Riad (und Paris), verfolgt aber auch seine eigene Agenda im Jemen und unterstützt den Südlichen Übergangsrat und andere separatistische Gruppen, die einen unabhängigen Staat im Süden des Landes errichten wollen. So kommt es immer wieder unweit der Anlage in Balhaf zu Zusammenstößen zwischen Separatisten und Regierungstruppen.
Daher wird es selbst für die gut ausgebildete Fremdenlegion nicht einfach sein, eine so instabile Region unter Kontrolle zu halten. Unterdessen wird die am 2. Juni von mehreren Menschenrechtsgruppen eingereichte Klage gegen drei französische Militärunternehmen vor einem Pariser Gericht fortgesetzt. Ihnen wird vorgeworfen, an Kriegsverbrechen beteiligt zu sein, da sie Waffen an Saudi-Arabien und die Emirate verkauft haben, die dann zusammen mit denen anderer Länder zur Bombardierung des Jemen verwendet wurden, wo sie zahlreiche zivile Opfer forderten.