Internationales

08.12.2009: Marx-Kenner sind mit den in „Kapital“ Band I zitierten folgenden Sätzen gut vertraut: „Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. ... für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert keinVerbrechen, das es nicht riskiert; selbst auf Gefahr des Galgens.“

Vielleicht muss man diese Sätze künftig ganz anders verstehen und begreifen als bislang. Grund könnte ein trotz aller widersprüchlichen Vorabmeldungen vielleicht doch günstig verlaufender UNO-Klima-Gipfel in Kopenhagen werden. Und das hätte überhaupt nichts mit der in den Medien breit diskutierten Meldung zu tun, dass Barack Obama sich wider Erwarten doch noch aktiv und ganz persönlich in die Verhandlungen einbringen und Zugeständnisse der USA in Sachen CO2-Emissionen in Kopenhagen machen werde.

Auch die seit einigen Tagen sich häufenden Meldungen über den Vormarsch der chinesischen Solarenergie und die Bereitschaft der VR China, ebenfalls in Kopenhagen konkrete Zusagen in Sachen CO2-Emissionen zu machen sind nicht der eigentliche Grund, warum die vor kurzem noch befürchtete Pleite in Kopenhagen wahrscheinlich nicht eintritt.

Wenn die Kopenhagener Klimakonferenz doch die Weichen für ein Nachfolgeabkommen für das bisherige Klimaprotokoll von Kyoto stellen sollte – zwar noch nicht endgültig, sondern nur in Form eines „Rahmenabkommens“ – dann hat dies nicht mit einem „ökologischen Umdenken“ zu tun, sondern mit dem, was im oben zitierten Zitat aus dem „Kapital“ ausgedrückt wird. Wenn es um Profit geht, ist nichts unmöglich: Kein Verbrechen, keine Schandtat, aber auch vielleicht eine Entscheidung für eine klimafreundlichere Energiepolitik. Und zwar weil es sich finanziell immer mehr rentiert! Das wird womöglich auch der Schlüssel zu einem Konferenzerfolg.

Der Vorstandschef des Siemens-Konzerns, Peter Löscher, hat jetzt in einem wegweisenden Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (5.12.)als strategisches Leitziel des Konzerns die „grüne Revolution“ ausgerufen. Ökotechnik werde die „Leitindustrie des 21. Jahrhunderts“, deshalb setze nicht nur er sich für einen Erfolg des Uno-Klimagipfels ein. Selbstverständlich fahre er als Vorsitzender der „Klimaschutzinitiative der deutschen Industrie“ und als Chef des Unternehmens mit dem „weltweit größten Umweltportfolio“ nach Kopenhagen. Und die Welt werde erleben, dass der UNO-Klimagipfel ein toller Erfolg werde.

Wörtlich erklärte Löscher:
„Ökologie ist heute kein Thema mehr von Verzicht ... Umweltschutz ist eine Frage von Technologie, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg. Das ist gutes, zukunftsweisendes Geschäft. Studien sagen voraus, dass der Umweltmarkt im Jahr 2020 weltweit 3 000 Milliarden Euro groß sein wird. Laut diesen Zahlen wird die Ökotechnik die Leitindustrie des 21. Jahrhunderts für Deutschland, noch wichtiger als der Maschinenbau und die Automobilindustrie. Deutschland ist Pionier und Weltmarktführer in diesem Bereich.“

Löscher machte jedenfalls deutlich, dass sein Konzern bereit ist, diesen neuen profitablen Weg konsequenter als bisher zu gehen. „Grün anstreichen gilt nicht, reicht nicht und trägt nicht. Nehmen Sie unser Umweltportfolio. Es ist ein erstklassiger Wachstumstreiber: Wir machen heute 23 Milliarden Euro Umsatz damit, das entspricht 11 Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahr, in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. 100 000 Beschäftigte arbeiten in dem Bereich, wir haben hier 14 000 Patente und investieren mehr als eine Milliarde Euro im Jahr für Forschung und Entwicklung bei Umweltthemen. Allein mit Technologien, die bereits existieren, könnte man die weltweiten CO2-Emissionen schon um 40 Prozent senken.“

Ein „grüner Kapitalismus“, nicht aus ökologischer Vernunft, sondern aus ganz knallharter Profitlogik. Dies könnte der Schlüssel zwar nicht zu einer generellen ökologischen „Wende“ werden, aber für ein Nachfolgeprotokoll für Kyoto könnte es vielleicht reichen. Dass dabei in Löschers Logik auch die Kernenergie zur „guten“ Energie zählt, ist nicht verwunderlich. Bis zum Jahr 2030 sollen weltweit für eine Billion (!) Dollar Atomkraftwerke gebaut werden. Und natürlich sei Siemens ganz vorne mit dabei. Und das ist dann wieder ganz einfach zu verstehen.

„Geld stinkt nicht!“ sagte bekanntlich ein römischer Imperator als er eine Steuer auf die römische Kloake erhob. Dann ist es auch natürlich auch heute egal, ob man als Siemens-Chef mit „strahlender Energie“ oder mit „Sonnenstrahlen“ Profit macht.

Text: Hans-Peter Brenner (Vorabdruck aus der UZ vom 11.12.2009) Foto: (cc)sarahamina

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