26.01.2012: Mittwochabend eröffnete Bundeskanzlerin Merkel das World-Economic-Forum (WEF) in Davos. Alle G-8 – Finanzminister sind angereist, Staats- und Regierungschefs aus 40 Ländern und 1.600 Konzern- und Bankenchefs. Die 42. Auflage des WEF firmiert unter der Überschrift: "Der große Wandel: Entwürfe für neue Modelle." Aber diesmal erfasst die globale Verunsicherung auch das Jahrestreffen der Politik- und Wirtschaftselite des Kapitalismus. Im Vorfeld unkte man laut darüber, dass man aus der Finanzkrise 2009 nicht gelernt habe und immer mehr Menschen der Meinung seien, der Kapitalismus in der aktuellen Form passe nicht mehr zur Welt von heute. Klaus Schwab, Präsident des WEF, hat gar den Eindruck, der Kapitalismus leide an einem "globalen Burn-out-Syndrom" (FAZ 25.1.2012).
50 globale Gefahren listet der vom WEF mitverfasste "Global Risk Report 2012" auf, der eine der Diskussionsgrundlagen der Beratungen in Davos sein wird. Viele dieser Risiken näherten sich "dem Umkipp-Punkt", ab dem drastische Veränderungen sehr schnell ablaufen können, warnen die Autoren. Dazu zählen sie z.B. gravierende Einkommensunterschiede, Nahrungs- und Wasserkrisen, den Anstieg der Treibhausgase und weltweite chronische finanzielle Ungleichgewichte. Das Fazit des Reports: Das Zusammenspiel dieser Risiken könne in eine dunklere Zukunft führen, in der die Weltgesellschaft hinter viele sicher geglaubte Errungenschaften zurückfalle.
Die düsteren Vorahnungen des WEF-Präsidenten, wonach der Kapitalismus in der heutigen Form nicht mehr in die heutige Welt passe, sollen für die in Davos Versammelten natürlich Ansporn sein, nach systemimmanenten "Lösungen" zu suchen. Der DKP-Marxist Georg Fülberth schrieb dazu in der jungen welt (11.1.2012): "Die Dritte Industrielle Revolution (1975), kombiniert mit dem Monetarismus, steigerte die organische Zusammensetzung des Kapitals, die daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit drückte auf Löhne und Nachfrage, dadurch überakkumuliertes Kapital produzierte Blasen und schließlich den vierten Einbruch: seit 2007. Nach 1975 war aus dem staatsmonopolitischen Kapitalismus (SMK) der finanzmarktgetriebene Kapitalismus (FMK) geworden. Jetzt kommt wohl wieder etwas Neues. Was? "
Was kommen wird, wie das kapitalistische System sich häuten wird, ist unter den Regierenden und ökonomisch Mächtigen des globalen Kapitalismus heftig umstritten. Entscheidend wird sein, dass sich die Widerständigen gegen die Angriffe von Politik und Kapital weiter vernetzen, ihren Protest in die Öffentlichkeit tragen und sich gemeinsame politische Perspektiven erarbeiten.
Diesem Ziel diente ein am Wochenende in Franfurt am Main stattgefundenes Vernetzungstreffen. Etwa 250 Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener sozialer Bewegungen haben sich getroffen, um eine für Februar geplante internationale Aktionskonferenz vorzubereiten. Das Spektrum der Aktiven reichte von Occupy-Gruppen, Attac, der Interventionistischen Linken und dem Ums-Ganze-Bündnis über Erwerbsloseninitiativen, antirassistische Netzwerke und Bildungsstreikaktive bis zu Vertretern von Gewerkschaften, Solid, der Grünen Jugend und der Linkspartei. Mit dabei waren zudem zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus anderen Ländern.
Aufgabe einer Aktionskonferenz vom 24. bis 26. Februar in Frankfurt am Main soll sein, eine Choreografie der Proteste in den kommenden Monaten gegen die Kürzungsdiktate der Profiteure der Finanz- und Wirtschaftskrise festzulegen. Angedacht sind unter anderem eine gemeinsame Großdemonstration sowie Blockaden im Bankenzentrum. Ziel soll eine europaweite Mobilisierung nach Frankfurt sein, um ein unübersehbares Zeichen der internationalen Solidarität und des Widerstandes zu setzen.
"Die so genannten Rettungsschirme haben zur Verarmung großer Bevölkerungsschichten und zum Abbau demokratischer Rechte in Europa geführt – maßgeblich vorangetrieben von der Bundesregierung sowie der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds", sagte Martin Behrsing vom Erwerbslosen Forum Deutschland. "Doch damit Widerstand gelingen kann, ist es höchste Zeit, unsere Kräfte zu bündeln und gemeinsam zu überlegen, wie und in welchen Formen Proteste in 2012 stattfinden müssen."
Roland Süß von Attac ergänzte: "Unser Ziel ist es, dem Sozialkahlschlag und der autoritären Transformation in Europa etwas entgegen zu setzen und für ein soziales und demokratisches Europa einzustehen. Ein solidarisches Europa bedeutet für uns auch, dass wir im Mai den Protest der Europäer, die unter der deutschen Politik des Sozialabbaus leiden, am Finanzplatz und EZB-Sitz Frankfurt lautstark hörbar machen."
Text: gst Foto: World-Economic-Forum