15.04.2019: Schon nach 24 Stunden muss der Vorsitzende des Militärrates zurücktreten ++ Die Opposition fordert die Übertragung der Macht an eine zivile Übergangsregierung ++ Groß- und Regionalmächte positionieren sich neu
Der sudanesische Verteidigungsminister General Awad Ibn Ouf konnte sich nur 24 Stunden im Amt als Vorsitzender des Übergangs-Militärrates halten. Am Donnerstag (11.4.) hatte er den Sturz des diktatorisch regierenden Präsidenten Omer al-Bashir bekanntgegeben, am Freitag musste er sein neues Amt schon wieder niederlegen.
Sudans Verteidigungsminister stürzt al-Bashir. Fortsetzung des alten Regimes unter neuem Namen. |
Sein Rücktritt erfolgte, nachdem der sudanesische Berufsverband Sudanese Professional Association (SPA) und seine Verbündeten der Plattform "Erklärung für Freiheit und Wandel" ihre Proteste fortsetzen und den neu gebildeten Militärrat nicht akzeptierten. Ibn Ouf gilt als einer der islamistischen Generäle in der Armee. Er steht ganz oben auf der Liste der US-Sanktionen für seine Rolle bei den Kriegsverbrechen in Darfur. In der Provinz Darfur wurden nach UN-Angaben seit dem Jahr 2003 im Konflikt zwischen Regierung und Rebellen rund 300.000 Menschen getötet.
In einer Erklärung, die am Freitagabend in den offiziellen Fernseh- und Radiosendern ausgestrahlt wurde, gab Ibn Ouf seinen Rücktritt bekannt. Er entließ auch seinen Stellvertreter und Generalstabschef Kamal Abdel-Marouf, der ebenfalls zum engen Vertrautenkreis des ehemaligen Präsidenten Omer al-Bashir zählt. Kurz darauf legte auch der Chef des mächtigen Geheimdienstes (NISS), Salah Gosh, sein Amt nieder. Salah Gosh ist seit Anfang der 90er Jahre ein wichtiger Verbündeter von al-Bashir und gehört zu den 17 sudanesischen Regierungsbeamten, die 2009 vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Völkermord, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in der Region Darfur angeklagt wurden.
Zum neuen Vorsitzenden des Militärrates wurde General Abdel Fattah al-Burhan ernannt. Al-Burhan wird zum nicht-islamistischen Flügel innerhalb der Armee gezählt.
Die oppositionellen Verbände forderten die Bevölkerung auf, auch nach dem Wechsel im Vorsitz des Militärrates auf den Straßen zu bleiben, bis die Regierung auf die zivilen politischen Kräfte übertragen wird. "Unser Versprechen für einen friedlichen Widerstand und unser Eid auf die Fortsetzung der Revolution bleibt bis zur Erfüllung der Forderungen der »Erklärung für Freiheit und Wandel« bestehen", heißt es in einer Erklärung. "Unsere Forderungen sind klar, fair und legitim, aber die alten Putschisten in ihren neuen Masken sind nicht in der Lage, Veränderungen vorzunehmen, und sie versuchen nur, sich unabhängig von der Sicherheit des Landes an die Macht zu klammern, und deshalb reagieren sie nicht auf die friedlichen Forderungen, einschließlich der sofortigen Übergabe der Macht an eine zivile Übergangsregierung". (Foto von Sudanese Translators for Change: Jubelnde Massen nach dem Rücktritt von Awad Ibn Ouf)
Inzwischen reagierte der Militärrat und sicherte die Konsultationen mit allen politischen Kräfte mit Ausnahme der ehemaligen regierenden Nationalen Kongresspartei zu und erklärte, dass der "Militärrat die Forderungen des Volkes unterstützt und versucht, den friedlichen Machtwechsel zu organisieren". Der Vorsitzende des Politischen Komitees des Militärrates, Omer Zain al-Abdin, wies alle Vorwürfe, der Militärrat sei eine Marionette des ehemaligen Regimes und der regierenden Nationalen Kongresspartei, als "Lügen" zurück und versicherte, dass die kommende Regierung "zivil" sein und durch den Konsens der politischen Kräfte gebildet werde.
Der neue Militärratsvorsitzende Fattah al-Burhan kündigte in einer TV-Ansprache baldige Gespräche mit den oppositionellen Kräften an und lud "alle Bereiche der Gesellschaft und ihre Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft" zum Dialog ein. Die bewaffneten Kräfte der Opposition forderte er auf, die Waffen ruhen zu lassen, um "am Verhandlungstisch eine friedliche Lösung auf der Grundlage neuer Regeln und Standards zu finden". Er erklärte die Aufhebung der Ausgangssperre und kündigte die Freilassung aller Personen an, die nach dem Notstandsgesetz oder einem anderen Gesetz im Zusammenhang mit den jüngsten Demonstrationen und Protesten verurteilt wurden.
Schon am Samstag traf sich der Vorsitzende des Militärrates mit einer 10-köpfigen Delegation aus den Oppositionsgruppen.
Die Groß- und Regionalmächte ringen um Einfluss
Inzwischen positionieren sich auch die Groß- und Regionalmächte zum Regierungswechsel in Karthoum. Monatelang hatte die Regierungen und die Medien nicht auf die Proteste reagiert. Die USA, die Europäische Union, Russland, China, die Türkei, Saudi-Arabien ringen in dem afrikanischen Land um Einfluss und hatten sich mit dem Diktator Omar al-Bashir arrangiert. Al-Bashir hatte sich erfolgreich an mehrere regionale Allianzen gebunden und zum Türsteher der EU gegen Flüchtlinge gemacht. Nach dessen Sturz geht es um den zukünftigen Einfluss in diesem geostrategisch wichtigen Land am Roten Meer.
Die USA sprechen sich, wie auch die EU, für eine rasche Übergabe der Macht an eine zivile Regierung im Sudan aus. In einer gemeinsamen Erklärung vom Sonntag fordern die USA, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Norwegen den Übergangs-Militärrat nachdrücklich auf, die Macht an die politischen und gesellschaftlichen Kräfte zu übergeben, und betonen, dass der Sudan einen geordneten Übergang zu einer Zivilregierung braucht. Die "legitime Veränderung", die die Sudanes*innen fordern, sei noch nicht erreicht worden, trotz der Zusage des neuen Chefs des Militärrats, die Macht auf die zivilen Kräfte zu übertragen.
Am Sonntag traf sich der Vize-Chef des Militärrats, der Kommandeur der Schnellen Eingreiftruppen General Mohamed Hamdan Daglo (alias Hemitte), mit dem Beauftragten der US-Regierung, Steven Koutsis, um ihn über die aktuelle Lage in dem ostafrikanischen Land zu informieren.
Unterstützung für die neue Miltärführung kommt von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beide Staaten stellten humanitäre Hilfe in Aussicht. Saudi-Arabiens König Salman habe ein sofortiges Hilfspaket beschlossen, um den Sudan mit humanitären Gütern, Ölprodukten, Getreide und Medizin zu versorgen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur SPA. Das Königreich unterstütze den Sudan und die Entscheidungen des Militärrats. Wie viel Hilfe Saudi-Arabien zur Verfügung stellen wollte, blieb zunächst offen.
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