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22.08.2025: Bei der Präsidentschaftswahl am 17. August erlitt die Linke in Bolivien eine schwere, selbstverursachte Niederlage ++ In die Stichwahl am 19. Oktober ziehen zwei Kandidaten der Rechten ein ++ Álvaro García Linera: "Evo hat sein eigenes Werk zerstört ... Wahlniederlagen sind das Ergebnis des Konservativismus des aktuellen Progressismus. Wir bleiben noch eine Weile in einer Übergangsphase, in der Niederlagen und Siege nur von kurzer Dauer sind."

 

Das "Meisterwerk" ist vollbracht. Evo Morales und Luis Arce haben das erreicht, was die konservativen Kräfte zwanzig Jahre lang vergeblich angestrebt hatten: die Zerschlagung der Linken und die Degradierung der MAS, der Bewegung zum Sozialismus, zur Bedeutungslosigkeit.

Angesichts der Wirtschaftskrise, auf die die Regierung Arce keine Antwort zu finden vermochte, und des zermürbenden Machtkampfs zwischen dem ehemaligen Präsidenten Evo Morales und seinem ehemaligen Schützling hat dasselbe Volk, das 2020 über die Putschisten triumphiert hatte, bei den Präsidentschaftswahlen am 17. August die gesamte Linke abgestraft: Senatspräsident Andrónico Rodríguez, Kandidat der Alianza Popular, kam mit 8,2 % der Stimmen nur auf den vierten Platz, und der MAS-Kandidat Eduardo del Castillo landete mit mageren 3,2 % sogar nur auf dem sechsten Platz, knapp über der Schwelle, die es der politischen Kraft, die das Land zwanzig Jahre lang geführt hat, ermöglicht, ihren Parteistatus nicht zu verlieren.

In die Stichwahl am 19. Oktober ziehen somit zwei Kandidaten der Rechten ein, allerdings mit einer großen Überraschung: Der Favorit Samuel Doria Medina ist ausgeschieden – wahrscheinlich hat ihm seine Nähe zum Putschisten Luis Fernando Camacho geschadet. An erster Stelle mit 32.15 % liegt entgegen allen Umfragen der Sohn des ehemaligen Präsidenten Jaime Paz Zamora (1989-1993) und Kandidat der Partido Demócrata Cristiano, Rodrigo Paz Pereira, ehemaliger Bürgermeister von Tarija, gefolgt von Jorge Tuto Quiroga von der Alianza Libre mit fast 27 %. Rodrigo Paz kam sein Profil als Außenseiter zugute, als Alternative zur MAS, aber auch zu den traditionelleren Kandidaten der Rechten, den ewigen Quiroga und Doria Medina, die seit 2005 für das Präsidentenamt kandidieren.

Der ehemalige Vizepräsident Boliviens, Álvaro García Linera, erklärte, dass der Sieg von Rodrigo Paz auf dieselben Stimmen zurückzuführen sei, die die Bevölkerung bei den Wahlen 2005 für Evo Morales abgegeben habe. "Die Stimmen für Paz sind die alten Stimmen für Evo, die Stimmen für den Wandel, die der Wirtschaftskrise und den internen Streitigkeiten überdrüssig sind“, analysierte er. Aus seiner Sicht repräsentiert Jorge Quiroga die extreme Rechte, während Rodrigo Paz als Gesicht der Mitte-Rechts-Partei steht.

 

Bolivien Luis Arce Evo MoralesDie Rivalen Luis Arce und Evo Morales


Evo Morales, der nach seinem vergeblichen Versuch, den Wahlprozess aus Protest gegen seinen Ausschluss zu boykottieren, eine Kampagne für die Abgabe ungültiger Stimmen gestartet hatte, erreichte sein Ziel ebenfalls nicht, auch wenn er sich zufrieden mit dem Ergebnis zeigte. Wenn die 19,69 % ungültigen Stimmen Ausdruck der Unterstützung sind, die er vor allem im Tropico de Cochabamba noch genießt, wäre er mit diesem Prozentsatz ohnehin nicht über den vierten Platz hinausgekommen.

Dabei gab es eine Alternative: Wären Morales und Arce nach ihrem Bruderkrieg beide einen Schritt zurückgetreten und hätten Platz für eine gemeinsame Kandidatur gemacht, hätte die Linke – so zeigen es die Zahlen – zumindest in die Stichwahl kommen können. Aber selbst wenn Arce diesen Schritt schließlich getan hat, handelte es sich eher um eine Notlösung, denn nichts und niemand hätte Morales wahrscheinlich davon abhalten können, die Macht zurückzuerobern: Das ist seit seiner Rückkehr nach Bolivien nach seiner Flucht während des Putsches 2019 sein einziges Ziel.

Der Präsidentschaftskandidat der Alianza Popular, Andrónico Rodríguez, schreibt auf X, dass die Förderung der Nichtwahl durch Evo dazu geführt habe, dass "die Rechte gewonnen hat". Die Kampagne für die ungültige Stimmabgabe, angeführt vom ehemaligen Präsidenten Evo Morales, habe die Volksbewegung verwirrt, entmutigt, gespalten und zerstreut.

Álvaro García Linera: "Die Linke verliert aufgrund der katastrophalen Wirtschaftspolitik von Luis Arce"

Der ehemalige Vizepräsident in der Regierung von Evo Morales, Álvaro García Linera, analysiert:

"In Bolivien verliert das politische Instrument der Gewerkschaften und bäuerlichen Gemeinschaftsorganisationen (Mas) die Wahlen aufgrund der katastrophalen Wirtschaftspolitik von Luis Arce. Angesichts einer Inflation der Grundnahrungsmittel von fast 100 %, einer Treibstoffknappheit, die tagelange Warteschlangen verursacht, und einem Dollar, dessen Wert gegenüber der bolivianischen Währung um das Doppelte gestiegen ist, ist es nicht verwunderlich, dass der tiefgreifendste demokratische Transformationsprozess des Kontinents zwei Drittel der Stimmen an alte Verräter verliert, die versprechen, die Indigenen aus der Macht zu vertreiben, die öffentlichen Unternehmen an Ausländer zu verschenken und mit der Bibel in der Hand die Söldneroligarchien des Landes an die Spitze des Staates zu setzen. Wenn wir dazu noch die Ressentiments der traditionellen Mittelschicht hinzufügen, die durch den sozialen Aufstieg und die politische Stärkung der indigenen Mehrheiten ihrer Privilegien beraubt wurde, wird der offen rachsüchtige und rassistische Ton deutlich, der die Reden der bolivianischen Rechten prägt."

Bolivien Alvaro Garcia 2025

Dazu kommt der "interne politische Krieg", schreibt Álvaro García Linera.

"Auf der einen Seite ein mittelmäßiger Ökonom, der zufällig Präsident wurde und glaubte, den charismatischen indigenen Führer (Evo) durch ein Wahlverbot stürzen zu können. Auf der anderen Seite der Führer, der sich am Ende seiner Karriere befindet und keine Wahlen mehr gewinnen kann, aber ohne dessen Unterstützung auch niemand anderer gewinnen kann, und der sich rächt, indem er zur Zerstörung der Wirtschaft beiträgt, ohne zu verstehen, dass er in dieser Katastrophe auch sein eigenes Werk zerstört. Das Endergebnis dieses erbärmlichen Bruderkrieges ist die vorübergehende Niederlage eines historischen Projekts und, wie immer, das Leid der Armen, die von den beiden von persönlichen Strategien berauschten Brüdern nie berücksichtigt wurden."

Mehr als 70 Millionen Lateinamerikaner konnten innerhalb eines Jahrzehnts der Armut entkommen

Álvaro García Linera schreibt weiter:

"Sicherlich ist der lateinamerikanische Progressismus des 21. Jahrhunderts aus dem Scheitern der seit den 1980er Jahren vorherrschenden neoliberalen Politik hervorgegangen. Die meisten haben eine Politik der Umverteilung des Reichtums und der Ausweitung der Rechte umgesetzt. Die Ergebnisse waren sofort sichtbar. Mehr als 70 Millionen Lateinamerikaner konnten innerhalb eines Jahrzehnts der Armut entkommen, Institutionen, die veralteten Aristokratien vorbehalten waren, wurden demokratisiert, und im Falle Boliviens kam es zu einer Neuzusammensetzung der sozialen Klassen im Staat, wodurch die indigene Bauernbevölkerung zu Klassen mit direkter Staatsmacht wurde.

"Wahlniederlagen sind das Ergebnis des Konservativismus des aktuellen Progressismus"

Hierin liegt die große Stärke und historische Legitimität des Progressismus. Aber auch der Beginn seiner Grenzen: Nach seiner Vollendung erwies sich diese erste Umverteilungsmaßnahme als unzureichend, um die Kontinuität der errungenen Rechte zu gewährleisten. Diese Grenze ist darauf zurückzuführen, dass die Ziele erreicht waren und man erkennen musste, dass sich die Länder gerade dank des Progressismus verändert hatten und dass es daher notwendig war, dieser neuen Gesellschaft eine Reihe von Wirtschaftsreformen der zweiten Generation vorzuschlagen, um die erzielten Ergebnisse zu konsolidieren und neue Schritte in Richtung Gleichheit zu unternehmen. Der Progressismus und die Linke sind zum Weitermachen verdammt, wenn sie überleben wollen. Stillstand bedeutet Niederlage.

Die neue Generation von Reformen erfordert zwangsläufig den Aufbau einer expansiven Produktionsbasis in kleinem, mittlerem und großem Maßstab, sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor, im privaten, bäuerlichen, volksnahen und staatlichen Sektor, für den Binnenmarkt und für den Export, die eine breite, tatkräftige und dauerhafte Unterstützung der Umverteilung des Reichtums gewährleistet.

Bis heute jedoch klammern sich die Progressiven in der Regierung, insbesondere diejenigen, die bereits ihre zweite oder dritte Amtszeit absolvieren oder wieder an die Macht kommen wollen, an vergangene Erfolge und deren melancholische Verteidigung. Anders als zu Beginn ihrer ersten Amtszeit fehlt ihnen derzeit ein neues Transformationskonzept, das die kollektiven Hoffnungen auf eine Welt, die es zu erobern gilt, wiederbeleben könnte. Dass sich die Rechte das Paradigma des Wandels zu eigen gemacht hat, ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis des Konservativismus des aktuellen Progressismus. Und auch das seiner Wahlniederlagen."

Die künftige Regierung übernimmt ein schweres Erbe

Nicht einfach ist jedenfalls das Erbe der MAS, die in der Vergangenheit ein Wirtschaftswunder mit sehr fragilen Grundlagen vollbracht hat: Der Einbruch der Gasproduktion und -exporte, die unvermeidliche Folge des zwanzig Jahre lang verfolgten Rohstoffmodells, hat zu einer chronischen Dollar-Knappheit geführt, die den Import von Treibstoff erschwert – eine Knappheit, die die Bevölkerung zu langen Schlangen vor den Tankstellen zwingt – und zu einem rasanten Anstieg der Lebenshaltungskosten.

Dies ist die Situation, die den Sieger der Stichwahl am 19. Oktober erwarten wird, der aller Voraussicht nach Rodrigo Paz sein wird, da der viermalige Kandidat und stets unterlegene Doria Medina, der mit fast 20 % der Stimmen Dritter wurde, erklärt hat, dass er ihn in der zweiten Runde unterstützen werde.

Aber unabhängig davon, wer gewinnt: Mit Sicherheit haben beide Kandidaten der Rechten nicht die Absicht, die strukturellen Reformen durchzuführen, die das Land dringend benötigt, angefangen bei der Überwindung eines Modells, das auf dem Export von Rohstoffen ohne Wertschöpfung basiert, bis hin zur Industrialisierung der natürlichen Ressourcen und einer Diversifizierung der Produktion.

Álvaro García Linera: Wir bleiben noch eine Weile in einer Übergangsphase.

"Der Zeitgeist ist jedoch noch nicht definiert", ist sich Álvaro García Linera sicher. "Weder der Kontinent noch die Welt, die zwischen übertriebenem Neoliberalismus, souveränistischem Protektionismus oder produktivistischem Staatskapitalismus schwanken, haben die neue lange Phase der wirtschaftlichen Akkumulation und politischen Legitimation bisher definiert. Wir bleiben noch eine Weile in einer Übergangsphase, in der Niederlagen und Siege nur von kurzer Dauer sind. Aber das wird nicht ewig so bleiben. Wenn der Progressismus weiterhin eine führende Rolle in diesem Streit um die Zukunft spielen will, muss er sich mutig in eine neu zu definierende Zukunft mit mehr Gleichheit und wirtschaftlicher Demokratie stürzen."

 

Quellen: Analyse von Álvaro García Linera in il manifesto (https://ilmanifesto.it/perche-le-sinistre-perdono-le-elezioni)

Demo Palestina 2025 09 27

Die Kundgebung am 27. September in Berlin könnte die größte pro-palästinensische Demonstration werden, die es in Deutschland je gegeben hat. Wer den politischen Wind drehen und den Genozid in Gaza noch stoppen will, muss am Samstag auf die Straße gehen.
Infos: https://all-eyes-on-gaza.de/


 

Wir werden in unsere Heimat zurückkehren

Palestina Wir werden zurüückkehren

Viva Palästina

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Solidaritätskampagne mit der Palästinensischen Volkspartei für Gaza: 30.000 Euro überwiesen. Die Solidarität geht weiter!

Gaza Soliaktion 2024 12 09 5
zum Text hier
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