07.01.2021: Günther Stamer im Gespräch mit Bettina Jürgensen (marxistische linke) und Heinz Stehr (DKP) über die Herausforderungen für linke Politik im Jahr 2021.
Günther: Das spezielle Jahr 2020 liegt jetzt hinter uns - und neben den oftmals schmerzlichen individuellen Einschränkungen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hat, ist das politische Handeln in einem bisher nicht gekannten Ausmaß eingeschränkt worden: Die Ostermärsche der Friedensbewegung, die 1.-Mai-Veranstaltungen der Gewerkschaften fanden zum größten Teil nicht statt, viele geplante politische Veranstaltungen und Treffen fielen aus oder waren nur im Livestream zu "besuchen".
Wir wissen zwar nicht im Einzelnen, was uns im kommenden Jahr erwarten wird, der Präsident des Bundessozialgerichts hat in einem FAZ-Interview (17.11.2020) aber schon mal folgendes geweissagt: "Es ist eine Illusion zu glauben, der Staat könne die drastischen Folgen der Corona-Krise für jeden Einzelnen und die Wirtschaft ungeschehen machen, ohne dass es früher oder später zur Belastung der Bürgerinnen und Bürger kommt. Die Pandemie hat ihren Preis, den werden wir alle bezahlen müssen."
Wie habt Ihr, die ihr beide außerparlamentarisch politisch aktiv seid, Du Heinz, bei den örtlichen IG Metall-Senioren und im Kommunistische Netzwerk der DKP, und Du, Bettina, im Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus in Kiel und in der marxistischen linken, diese Jahr politisch erlebt?
Bettina: Aktuell zeigt sich immer deutlicher: Die Politik vor Corona und die Politik in der Pandemie behält ihre Kontinuität. Zwei Beispiele:
Gerade in der Diskussion um den erneuten Lockdown zeigt sich die - ich nenne es mal so - Klientelpolitik der Regierung. Treffen zu Weihnachten und Silvesterfeiern werden völlig unterschiedlich bewertet. Zu Weihnachten darf, soll sogar?, die Familie zusammenkommen. Die Kirchen dürfen in einem bestimmten Rahmen öffnen. Silvester dagegen darf nur ganz klein gefeiert werden. Es wird hier ausschließlich auf die Familie und die christlichen Werte orientiert. Ich finde es nicht nur ärgerlich, sondern auch sehr fragwürdig, dass dies anscheinend von Politiker*innen aller Parteien nicht hinterfragt wird. Silvester ist es doch gerade die Jugend, die den Beginn des neuen Jahres feiert, sich begegnet und sich im Freundeskreis trifft. Wie ich auch sonst oft feststelle, dass zwar ältere Menschen felsenfest behaupten "Ich darf ja nicht mehr raus, einkaufen...." und damit die von Regierung und allen Medien übermittelten Hinweise als klare Anweisungen verstehen. Sie fühlen sich in ihrem Aktionsradius eingeschränkt. Wie sehr treffen diese Einschränkungen andere Personengruppen? Jugendliche, denen die Möglichkeit zum Austausch über Schule, Ausbildung und Arbeit, aber auch zur Freizeitgestaltung von Sport, Kino oder Disco genommen wird. In diesem Zusammensein passiert ja immer mehr als gemeinsam trinken und feiern – es sind notwendige soziale Kontakte, auch wertvoll für gesellschaftliche Entwicklung. Dies in jungen Jahren über einen längeren Zeitraum nicht zu (er-)leben, hat sicher auch Auswirkungen auf die Bereitschaft zur politischen Arbeit. Wer noch striktere Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Pandemie fordert, sollte sich also der Problematik der "Rückkehr ins politische Leben" bewusst sein. Ist es schon bedenklich, wenn bisher aktive Menschen sich von Meinungsäußerung im öffentlichen Raum abhalten lassen, wie sehr muss diese Wirkung erst Menschen treffen, die gerade erst beginnen, sich politisch oder auch beruflich zu orientieren.
Beispiel zwei: Ich begrüße ausdrücklich die Aktionen von Seawatch, Seebrücke und vielen Antifa- und Antirassismusinitiativen! Sie sind es, die trotz Corona und ohne der Leugnung des Virus und seiner Gefahr weiterhin auf die Straße gehen und mit klaren Forderungen auftreten!
#LeaveNoOneBehind - #AllLivesMatter - #RotfrontstattQuerfront sind nur einige der Losungen.
Mehr als 80 Millionen Menschen sind aktuell nach offiziellen Rechnungen auf der Flucht. Jede/r mag sich selbst darüber klar werden, was dies unter Pandemie-Bedingungen heißt. Doch von den Regierungen gibt es zu Flucht, Asyl und Abschiebung kein anderes Herangehen, als vor der Coronapandemie.
Der Bundesinnenminister Seehofer setzt wie bisher auf strikte Begrenzung von Geflüchteten und missachtet dabei selbst das Votum der Städte, die sich zum Sicheren Hafen und zur Aufnahme Geflüchteter bereit erklärt haben. Auch eine Katastrophe wie der Brand auf Moria brachte kein Umdenken, nur wenige Menschen durften nach Deutschland. Ähnlich sieht nun mit der Hilfe oder Unterlassung von Hilfe für die Menschen aus, die in unbeheizten Zelten in Schnee und Eis auf der Flucht sind, oder die Kinder, die in Lagern auf Lesbos von Ratten gebissen werden.
Spätestens wenn dann in den Weihnachts- und Neujahrsansprachen nur darüber geredet wird, dass "wir in Deutschland" wegen Covid-19 nun zusammenrücken und solidarisch sein müssen, stellt sich die Frage: Wie kann dies schweigend hingenommen werden?
Solidarität wird durch Regierende eindeutig nur innerhalb der Grenzen Deutschlands, maximal Europas, gefordert – und auch dann doch nur soweit, wie es den Konzernen die Möglichkeit zum Erhalt und Mehrung des Profits dient.
Der Impfstoff gegen das Corona-Virus ist nun gefunden. Doch zugänglich für alle Menschen ist er nicht. Das liegt nicht nur daran, dass noch nicht genug Impfstoff vorhanden ist, was ja zu verstehen ist, sondern auch, weil die Verteilung unter dem Gesichtspunkt "Gesundheit als Ware" geprägt ist von Macht und Profit - ausgetragen auf dem Rücken der Menschen, vor allem im globalen Süden. Denn Patente der Pharmakonzerne wie Pfizer, der mit der deutschen Biontech einen Impfstoff entwickelt hat, verhindern, dass Arzneimittel als globale öffentliche Güter gehandelt werden. Anträge aus Südafrika und Indien an die WTO, diesen Patentschutz für Covid-19 Impfstoffe auszusetzen, wurden auch mit Stimme Bundesregierung Deutschland abgelehnt. So wird verhindert, dass alle Länder den Zugang zum Impfstoff erhalten, Menschen werden dem Virus weiter hilflos ausgeliefert. Die Konsequenz muss heißen, die Macht von Pharmaunternehmen zu begrenzen. Medizin muss global und für die Gesundheit aller Menschen zur Verfügung stehen!
Heinz: Ab März 2020 haben wir eine bisher so nicht gekannte politische Erfahrung erlebt. Die Folgen der lebensbedrohenden Pandemie sind jetzt zunächst im Alltagsleben gravierend erfahrbar. Die Einschränkung bisher gelebter bürgerlicher Freiheits-und Demokratierechte ist eine neue Erfahrung. Das faktische Erliegen politischer Tätigkeit macht mir arg zu schaffen, auch weil aktuell Meinungsaustausch, Debatten und Aktionen sehr notwendig wären. Wir erleben einen stärker werdenden Bundeswehreinsatz im Inneren, mehr massenwirksame Darstellungen der Bundeswehr in den Medien, ein umfassender Sozialabbau findet statt und wird weiter vorbereitet. Armutszahlen aktuell zeigen eine erschreckende Entwicklung, wichtige Betriebe in unserer Region bauen massiv Arbeitsplätze ab, Standorte können dicht gemacht werden. Nachdem gerade eine Klinik in Wedel geschlossen wurde, wird der beginnende Notstand öffentlich diskutiert. In der Gesellschaft nimmt offensichtlich die Aggressivität zu. Die Jugend ist besonders durch die schulische- und Freizeitsituation betroffen. Aus meiner Sicht spitzen sich latent vorhandene Probleme recht schnell zu.
Unter diesen Bedingungen ist es notwendig, das Handeln zurückzugewinnen und auf Erfahrungen und Erfolge aufzubauen, immer unter strenger Beachtung der Regeln, die diese Zeit erfordern.
Wir haben hier in Elmshorn im Juni das Fest für Demokratie in neuer Form gestaltet. Keine öffentliche Aktion, stattdessen ein Aufruf mit deutlich antifaschistischer Ausrichtung. Er umfasst an die 300 Unterschriften; darunter sind viele gesellschaftliche Organisationen und bekannte Persönlichkeiten des Ortes. Er wurde auf einer Seite in den "Elmshorner Nachrichten" veröffentlicht. Und wir haben einen Ratschlag von der DKP und "Die Linke" auf die Beine gestellt, auf dem wir mit 30 Teilnehmer*innen die sozialen und politischen Auswirkungen der Coronapandemie diskutiert haben und konkret die Frage aufgeworfen haben "Was müssen wir jetzt tun?"
Die IG Metall-Senioren haben jetzt die Initiative ergriffen um eine örtliche "Anti.Armuts-Koalition" zu schaffen. Positive Rückmeldungen gibt es vom DGB, von der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und anderen. Wir brauchen Debatten, Aktionen, außerparlamentarische Bewegung, die über den bisherigen Kreis hinausgehen und vor allem auch junge Menschen ansprechen. FridaysForFuture gestaltete einen Aktionstag, die Antifa mobilisierte 50 Menschen zu einer Kundgebung gegen verschärften Naziterror. Die Friedensbewegung protestierte in Elmshorn gegen den Rüstungshaushalt.
Trotz dieser Aktivitäten habe ich den Eindruck, das bisherige genügt nicht in dieser Zeit der Brüche. Die Schwierigkeiten, Neues anzustoßen, sehe ich bundesweit.
Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf in Bündnissen, Bewegungen und linken Parteien, in den Gewerkschaften und den Sozialorganisationen. Das, was mal mit "Sozialforen" begonnen wurde, ist leider stecken geblieben - aber in diese Richtung sich weiter Gedanken zu machen, wird Aufgabe für die Zukunft sein. Es gab also beachtliche Aktivitäten, sie stehen aber auch großen Herausforderungen gegenüber.
Günther: Heinz Bierbaum, Vorsitzender der Europäischen Linkspartei formulierte jüngst in einem Interview, dass die Linke (und dabei hat er sicherlich nicht nur seine Partei im Blick) in Zeiten der Corona-Pandenie politisch zu wenig präsent gewesen sei. Fest machte er dies insbesondere daran, dass der Abbaus demokratischen Rechte und die Umsteuerung des Militärhaushalts in Richtung Gesundheitswesens zu wenig im Focus gestanden hätte.
Heinz: Natürlich ist die Fragestellung berechtigt – es gibt einem aber noch keine Antworten auf die aufgeworfenen Problemstellungen und "Schuldzuweisungen" helfen dabei auch nicht weiter. Fakt ist doch: Wir haben es mit einer Rechtsentwicklung schon vor der Pandemie zu tun gehabt und natürlich verändern sich die Kampfbedingen durch eine Pandemie nicht automatisch in eine günstigere Richtung für linke Politik. Ich sehen die gegenwärtige politische Situation als eine Weiterentwicklung der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung unter den Bedingungen der Pandemie.
Was man linker Politik im allgemeinen anlasten muss ist, dass wir in den letzten Jahrzehnten keinen Weg gefunden haben, um diese Rechtsentwicklung zu stoppen und gesellschaftliche Alternativen diskutabel zu machen. Das fängt meines Erachtens jetzt an ein bisschen aufzubrechen.
Bettina: Nehmen wir das Beispiel des Gesundheitswesens: Das Problem der Krankenhausversorgung und des Gesundheitswesens im Allgemeinen ist natürlich älter. Es wird versucht, dass jetzt auf Corona zu schieben, die Ursachen dieser Probleme liegen ja viel tiefer. In den zurückliegenden Jahren sind ständig Krankenhäuser geschlossen oder privatisiert worden und kurz vor Ausbruch der Pandemie hatte die Bertelsmann-Stiftung für eine weitere drastische Reduzierung der Anzahl der Krankenhäuser plädiert. Wären diese Pläne bereits umgesetzt worden, wäre die Versorgungs-Situation noch dramatischer als sie jetzt ist.
Eine Schlussfolgerung aus den Pandemieerfahrungen müsste sein, weiteren Krankenhaus-Privatisierungen einen Riegel vorzuschieben mit dem Ziel, das Gesundheitswesen als Teil der Daseinsvorsorge grundsätzlich wieder in öffentliches Eigentum zurückzuführen. Die Gegenüberstellung der Steuergelder, die in die Militarisierung gesteckt wurden und denen, die für das Gesundheitswesen geblieben sind, hätten gerade zu dem Defender 2020-Manöver noch viel kritischer und öffentlicher betrachtet werden müssen. Dass viele Ostermärsche wegen der Pandemie gar nicht stattgefunden haben, spielte leider negativ gegen die Friedensbewegung. Zum Antikriegstag war dies vielfach auch nur ein Nebenthema. Es scheint so, als hätte sich niemand so richtig "getraut", dies stärker zu problematisieren. Die Mehrheit – und viele Linke ebenso – haben die Regierung gelobt für ihr Herangehen an die Pandemie. Da wurde Kritik an der Regierung sehr kleinlaut geäußert, wenn überhaupt.
Günther: Wie hat sich Eurer Meinung nach das Agieren der Herrschenden während der Pandemie auf das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen ausgewirkt?
Heinz: Das ganze Ausmaß der gegenwärtigen Krise ist für die Masse der Menschen nicht fassbar. Wer kann sich vorstellen, was diese Milliarden an Schulden, die jetzt gemacht werden, um in erster Linie die Wirtschaft am Laufen zu halten, tatsächlich für die Zukunft bedeuten. Mir ist klar, das wird die Masse der Bevölkerung bezahlen müssen. Wie das konkret aussehen wird, ist unklar. Und auch die Prophezeiung, dass im nächsten Jahr die "Wirtschaftsdelle" wieder ausgebügelt werden wird, steht auf sehr wackligen Beinen. Daraus folgt für den größten Teil der Bevölkerung eine enorme zusätzliche Verunsicherung - in ohnehin schon unsicheren Zeiten. Selbst in der in der ARD-Themenreihe "Wie wollen wie leben" wurde ja die Frage gestellt, ob "der Kapitalismus" ein Zukunftsmodell sei.
Ich kann mir gut vorstellen, das bei Vielen die Erkenntnis wächst, dass die Herrschenden und ökonomisch Mächtigen doch nicht alles im Griff haben und durch Drehen an einigen Stellschrauben alles wieder hinkriegen.
Bettina: Ich sehe eine Tendenz in unserem Land, bei dem überwiegenden Teil der Bevölkerung, und selbst in der Linkspartei im Bundestag, die der Kanzlerin und der Regierung bescheinigt, die Pandemie im Vergleich mit anderen Staaten ganz gut im Griff zu haben. Auch hier wird leider der Blick immer in erster Linie auf "uns" auf Deutschland gerichtet, anstatt auf internationale Zusammenarbeit z.B. im Rahmen der WHO, und von uns natürlich auch in linken Netzwerken wie z.B. der Europäischen Linken, zu setzen.
Und wenn man uns einreden will, wegen der Pandemie müsse man sich selber Quarantäne verordnen, dürfe nun nicht mit dem politischen Protest auf die Straße gehen, dann dürfen wir diesen "Ratschlägen" nicht auf den Leim gehen. Diese Gefahr sehe ich momentan ein wenig.
Demgegenüber gehen z.B. in Leipzig 20.000 auf die Straße, von den Rechten mitorganisiert, um gegen die Pandemie-Politik der Regierung zu protestieren. Das macht die Gefahr deutlich, dass Menschen letztendlich den rechten Stichwortgebern hinterherlaufen, in die falsche Richtung gehen. Auch weil die Linke viele berechtigte Fragen gar nicht aufgreift mit Verweis darauf "mit Corona-Leugnern will ich nichts zu tun haben". Natürlich habe ich mit einem Attilla Hildmann nichts zu tun, aber trotzdem muss die Diskussion insgesamt darüber geführt werden, welche inhaltliche Kritik wir an dem System, an der Regierung und der Regierungspolitik haben. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass DIE LINKE nicht schon von Anfang an die Forderung erhoben hat, dass das Parlament über die Einschränkung von Grundrechten zu entscheiden hat.
Günther: "Krisenzeiten" werden von den Herrschenden seit je her genutzt, um die Ideologie des "wir sitzen allen in einem Boot" und der "nationalen Verantwortung" zu beschwören, so etwa wenn Wirtschaftsminister Altmaier dafür plädiert, "Schlüsselindustrien" (z.B. Rüstungsproduktion) wieder stärker "in nationaler Hand" zu konzentrieren.
Heinz: Es ist ja nicht nur die nationale Frage, die sie aufwerfen, um Probleme scheinbar lösen zu wollen, sondern darüber hinaus wird von Seiten der Politik und der Medien ja auch immer so getan, als seien "die Menschen" selber Schuld an der weiteren Ausbreitung der Pandemie und als Konsequenz – quasi als Bestrafung - müssten deshalb die vorgenommenen rigiden Maßnahmen ergriffen werden. Eine Pandemie ist natürlich ein großes Unglück mit vielfältigen gravierenden Folgen. Und trotzdem ist das, was zu dieser Pandemie geführt hat, natürlich auch ein gesellschaftspolitisches Problem - beeinflusst durch die Art und Weise der Ausbeutung der Natur und ihrer Ressourcen und der Art und Weise der gesellschaftlichen Produktion.
Hier sind wir gefordert, das politische Klima zu verändern oder zumindest mit zu bestimmen, sei es durch Diskussionen im politischen und privaten Umfeld, in Leserbriefen oder durch kleine Aktionen. Ansonsten verfestigt sich der Eindruck der Alternativlosigkeit. Wir müssen in die Diskussion immer wieder einbringen, dass die Dinge änderbar sind. In dieser notwendigen Auseinandersetzung wird doch auch deutlich, dass die Herrschenden im Prinzip auf viele dieser Herausforderungen keine konstruktiven Antworten haben.
Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen der Meinung sind, dass die gegenwärtigen Eigentumsverhältnisse, in der selbst in der Pandemie die Reichen immer reicher werden, nicht förderlich sind für ein gutes Leben für die große Mehrheit der Bevölkerung. Diese Profit-Kritik zur Kapitalismus-Kritik zu entwickeln, das muss Aufgabe der Linken sein.
Ich erlebe das zum Beispiel bei der Frage: Was passiert, wenn der Arbeitsplatzabbau bei der Werft- und deren Zulieferindustrie in Schleswig-Holstein immer weiter fortschreitet? In den Antworten zu dieser Fragestellung steckt oft eine große Hilflosigkeit. Das Denken bewegt sich immer noch sehr im parlamentarischen Rahmen. "Wir" können da ohnehin nichts machen – das muss schon die Politik in die Hand nehmen. Und nur zu häufig bleibt es bei dem Ärger, dass die Parteien es dann doch nicht machen was sie versprachen. Die Herangehensweise, dass wir diese Fragen zu unseren eigenen Aufgabe machen müssen, ist zu wenig ausgeprägt. Und das ist eine Schwierigkeit vor der wir stehen. Und das zu verändern ist Kärrnerarbeit, Kleinarbeit ohne Ende.
Bettina: Aktuelles Beispiel ist z.B. der massenhafte Wegfall von Jobs für Studierende, insbesondere im Gastronomiebereich, die diese zur Finanzierung ihres Studiums benötigen. Wo bekommen sie jetzt das Geld für ihre Miete, für ihren Lebensunterhalt her? Hier wirkt die Pandemie wie ein Brennglas auf das grundlegende ungelöste Problem der Finanzierung eines Studiums für einen Großteil der Studierenden, die kein oder zu wenig BAFÖG erhalten. Es besteht die Gefahr, dass wieder nur noch jene studieren können, die es sich leisten können. Damit wird einer Elitebildung wieder Vorschub geleistet.
Corona hat international betrachtet natürlich auch erhebliche Auswirkungen auf das, was wir "Lieferketten" nennen. Und wie sich das auswirkt z. B. auf Arbeitsbedingungen der Textilarbeiter*innen z.B in Bangladesch oder Indien; in Brasilien, wo drei Konzerne den weltweit getrunkenen Orangensaft unter Arbeitsbedingungen auf den Plantagen und in den O-Saft-Fabriken produzieren lassen, die ohnehin oft nicht den ILO-Standards entsprechen. Der Kampf ums Überleben unter der faschistischen Regierung Bolsonaro wurde in der Pandemie noch einmal verschärft. Das alles wirft natürlich die Frage auf, was produziert wird, wie produziert wird, aber auch warum wird welcher Konsum geschaffen. Aber offensichtlich wird dieser Konsum zur Zeit ja gar nicht mehr gebraucht.
Ähnliches könnte man zur "Abwrackprämie" in der Autoindustrie feststellen, um einen Neukauf von Autos anzukurbeln. Jetzt soll es den Kauf von Elektro-Fahrzeugen fördern, im Prinzip geht es doch aber um das "Pampern" der Automobilindustrie mit den von uns gezahlten Steuergeldern. Das Prinzip ist übrigens eine "Erfindung" von Volkswagen in der Zeit des Faschismus, wie Jan Böhmermann jüngst in seiner Sendung sehr prägnant geschildert hat.
Günther: Wie fällt Euer Blick in die Zukunft aus, vor welchen Herausforderungen steht die Linke im kommenden Jahr, was sind Eurer Meinung "Knackpunkte" an denen sich linker Widerstand und linke Projekte entfalten könnten?
Bettina: Als Ende 2015 allerorten Initiativen entstanden waren, um den Geflüchteten in vielfältigster Weise zu helfen, wurde dies auch von Linken oftmals als nur "bürgerlich-humanistisches" Engagement abgetan. Und die meisten dieser Initiativen sind nach wie vor am Leben, sind verankert in den Stadtteilen und Orten und machen nach wie vor wichtige solidarische Arbeit. Teilweise wurde diese Arbeit institutionalisiert – was ja auch nicht unbedingt schlecht sein muss. Denn auch diese Tatsache ist ja auch erkämpft worden – gegen den teilweisen Widerstand in Rathäusern, Gremien und Institutionen. Hier komme ich wieder auf die eingangs zitierte Bemerkung von Heinz Biermann zurück, der als Vorsitzender der Europäische Linken den Zustand der Linken ja europaweit ein wenig beklagt. Und ich glaube, dass es in Zukunft darauf ankommen wird, wieweit es gelingt, die Verknüpfung der globalen Fragen wie Antifa, Flucht, Ökologie und Krieg und Frieden zu schaffen. Die ganzen Kriege, die jetzt in Afrika passieren, wird natürlich wieder Fluchtbewegungen auslösen.
Heinz: Auch mich treibt die Frage um: Was kommt da in Zukunft auf uns zu? Vor welchen Herausforderungen werden wir als Linke gestellt werden?
Ich lese ja aufmerksam, was in der IG Metall passiert. Dort sehe ich manchmal auch eine Hilflosigkeit wenn es um Fragen für Alternativen zum Arbeitsplatzabbau geht: Wir machen Sozialpläne, die für die Kolleg*innen dann den Übergang in zeitlich befristete Auffanggesellschaften bedeuten, die Gewerkschaften handeln darüber hinaus Abfindungen aus, aber die Betriebe und Arbeitsplätze sind unwiderruflich weg. Einige Kolleg*innen finden dann in einem zeitlich begrenztem Rahmen neue Arbeitsplätze sind aber oft die ersten die in Krisensituationen wieder entlassen werden. Es wird zu wenig darüber diskutiert, ob es gesellschaftliche Alternativen gibt - und die Eigentumsfrage wird kaum gestellt. Stattdessen feiern auch einige in den Vorständen der Gewerkschaft den 100. Jahrestag der "Sozialpartnerschaft". Das schmerzt um so mehr, als ich die Gewerkschaften nach wie vor für entscheidend halte für den Anspruch, linke Politik zu gestalten und umzusetzen.
Die Partei DIE LINKE ringt gerade mit sich, wie man jetzt koalitionsfähig werden kann, in welche sauren Äpfel man beißen will, um regierungsfähig zu werden.
Das ist die Lage, die sich auch vor Ort widerspiegelt. Es gibt Menschen, die über den sozialpartnerschaftlichen und parteipolitischen Tellerrand hinausblicken und handeln wollen - diese befinden sich aber in einer absoluten Minderheit und gehören zudem leider auch oft schon der älteren Generation. Eine tolle Ausnahme bilden hier die Aktivist*innen von Fridays for Future.
Es gibt Herausforderungen und teilweise auch außerparlamentarische Bewegungen auf den verschiedenen politischen Feldern –in der Friedenspolitik,zum Antifaschismus, in der Flüchtlingsfrage, der Klimapolitik – leider zu wenig in der sozialen Frage, die man wahrnehmen kann und die Hoffnung machen. Ob diese Bewegungen zusammengeführt werden können und ob in diesem Zusammenhang dann gesamtgesellschaftlichen Grundfragen gestellt werden können ist noch ungewiss, bestimmte Prozesse werden sich entwickeln und finden müssen und die Aufgabe der marxistischen Kräfte dabei ist tatkräftig mitzuwirken und nicht in einer Beobachterrolle zu verharren oder es bei klugen Ratschlägen von außen zu belassen.Wenn ich das Beispiel der Flüchtlingspolitik nehme: Ich habe den Eindruck das die Mehrheit der Bevölkerung sich doch unterstützend und solidarisch zu den hier lebenden Geflüchteten verhält. Das hat mich schon positiv überrascht und ich kann mich nicht erinnern, in der Geschichte der Bundesrepublik eine so politisierte breite tatkräftige Bewegung zu diesem Problem erlebt zu haben.
Günther: Was beinhaltet Eurer Meinung nach der Kampf gegen die fortschreitende Rechtsentwicklung?
Heinz: Wenn es denn ein gemeinsames Projekt aller linken und darüber hinaus aller demokratischen Kräfte gibt, so ist es der Kampf gegen rechts, das ist ein verbindender Punkt. Denn das gesamten rechte Spektrum wird diese Krise nutzen wollen, um einen reaktionären Ausweg aus der Krise zu propagieren. Und in der Abwehr dieses reaktionären teils auch verbrecherischen Vorhabens sehe ich andererseits auch Chancen, dass die verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Kräfte durch Bündelung der Kräfte und Aktivitäten gemeinsam zu einer neuen Qualität außerparlamentarischer Massenbewegung gelangen könnten. Über diesen Weg könnte dann auch entscheidender Druck zu progressiven parlamentarischen Entscheidungen ausgeübt werden.
Bettina: Im Prinzip stimme ich dem zu. Wir müssen jedoch darauf achten, dass durch die Fokussierung auf den Kampf gegen die Rechtsentwicklung die Ökologiefrage nicht zu kurz kommt. Antifa-, antirassistische Arbeit und die Frage Flucht zusammen zu bringen, das ist auch vom Thema her relativ einfach. Aber den Bogen von dieser Frage auch zu ökologischen Fragen zu schlagen braucht es erheblich mehr Diskussionen. Das sehen zwar Aktivist*innen in der Antifa oder bei Seawatch – aber insgesamt ist das schon wieder schwieriger. Obwohl ich in letzter Zeit feststelle, dass dort wo trotz oder mit/im Rahmen der Corona-Maßnahmen Aktionen stattfinden, verschiedene Punktbewegungen mehr als früher zusammenarbeiten.
International steht natürlich die Frage der Klimaveränderung als eines der Hauptthemen globaler Herausforderung und nicht die Frage der Rechtsentwicklung im globalen Maßstab. Darin sehe ich einen gewissen Widerspruch. Die Rechtsentwicklung weltweit, wirkt sich ja negativ auf die Klimaentwicklung aus – auch hier nenne ich als Beispiel Brasilien, wo die Brandrodungen der Wälder im Amazonasgebiet nicht nur mit Wissen der Regierung geschehen, sondern die Verursacher der Brände auch noch mit öffentlichen Mitteln "entschädigt" werden. Dass dies ohne größeren internationalen Protest von Regierungen stattfindet, zeigt wie wahr der alte Spruch "eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" ist. Oder besser aus einem meiner Lieblingsgedichte von Bert Brecht: "....Unaufhörlich sehn wir sie einander grollen und bekämpfen. Einzig und alleinig, wenn wir sie nicht mehr ernähren wollen, sind sie sich auf einmal völlig einig."
Heinz: Es geht letztendlich bei allen Problemen darum, Antworten zu finden auf die sich tatsächlich weiter entwickelnden und sich zuspitzenden Herausforderungen für die gesamte Menschheit. Und da gibt natürlich im wesentlichen nach wie vor diese zwei Pole: nämlich die Klasseninteressen der Bourgeoisie, die über eine gewisse Massenbasis verfügen, und es gibt die Interessen des übrigen Teils der Bevölkerung. Und die Frage lautet doch, umgesetzt in marxistisches Handeln: Wie kann man diese Klassenkräfte (nicht nur bezogen auf die Arbeiterklasse im engeren Sinne) zusammenbringen gegen die Bourgeoisie und deren Klassenvertreter in allen möglichen gesellschaftlichen Fragen: So in der Klimafrage oder der Demokratiefrage usw. Die Herrschenden haben ihre Konzepte, eingebunden in ihre Profit-Logik. Aber auch deren Profit-Logik ist ja Veränderungen unterworfen, wie z.B. Werner Rügemer in seinem Buch über "Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts" nachweist. Wir müssen den Plänen der Herrschenden ein gesellschaftspolitisch fortschrittliches Konzept und Projekt entgegen stellen, das ist die Herausforderung.
Günther: Wie bewertet ihr die auch im vergangenen Jahr vor sich gegangenen Veränderungen in den internationalen Beziehungen und globalen Kräfteverhältnissen?
Heinz: In der internationalen Entwicklung spielt vor allem China eine entscheidende Rolle. Ich persönlich hätte so eine Entwicklung wie in den zurückliegenden zehn Jahren nicht für möglich gehalten, obwohl ich vor allem durch die Delegationen nach China schon optimistisch war. Die ökonomische und politische Stabilität der VR China macht mir sehr viel Hoffnung. Das hängt natürlich auch zusammen mit dem Niedergang der USA und der Krise des neoliberalen Kapitalismus.
Bettina: Ich sehe die Entwicklung in China jedenfalls auch mit großer Spannung. Beschreiben würde ich deren Politik mit den Begriffen Stabilität und Flexibilität. Auch gerade unter dem Eindruck des jetzt geschlossenen Freihandelsabkommens im asiatisch-pazifischen Raum. In dem Zusammenhang werden wir mit den Bündnispartnern, mit denen wir gegen das CETA-Freihandelsabkommen aktiv waren, diskutieren müssen, wo wir die Unterschiede sehen.
Heinz: In der aktuellen Granma habe ich gelesen, dass Kuba bei der Produktion eines Impfstoff erfolgreich ist und dass er Anfang des Jahres wohl zur Verfügung stehen soll. Damit besteht also Hoffnung, das auch die "armen" Länder schnell und vor allem kostengünstig an den Impfstoff gelangen. Ich denke, dass kann auch Auswirkungen auf das Denken vieler Menschen auch in unserem Land haben,und zwar in der Hinsicht dass man unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen humanistische Alternativen hat. Gerade auch in Hinblick auf die Bewältigung der Corona-Pandemie nehmen bei uns aufgeschlossene Menschen die Entwicklung auf Kuba, in China und in Vietnam positiv wahr.
Es ist eine gewisse Tragik, dass in den höchst entwickelten kapitalistischen Ländern kaum eine durchsetzungsfähige marxistische Kraft zu sehen ist, die entscheidenden Einfluss ausüben könnte. Die Katastrophe besteht ja nicht nur darin, dass es in den hochentwickelten kapitalistischen kaum einflussreiche marxistische Parteien gibt – denn ohne Parteien könnte man dem Marxismus auch zu mindestens zeitweilig irgendwie am Leben erhalten –, aber es fehlen vor allem Marxistinnen und Marxisten, die in der jungen Generation wirken. Die vorhanden marxistischen/kommunistischen Parteien und die kommunistische Bewegung in der Welt sind in vielen Regionen der Erde im Vergleich zur Nachkriegszeit nur noch ein Torso, von denen einige aus meiner Sicht die Kämpfe von gestern führen und manchmal in einer Scheinwelt leben, auch weil sie interne Probleme für gesamtgesellschaftliche Herausforderungen halten.
Zu Recht haben wir betont: Auf uns in den hoch entwickelten kapitalistischen Ländern kommt es in einem beachtlichem Ausmaß an, wenn es um die Durchsetzung progressiver politischer Entscheidungen in der Welt geht. Doch gegenwärtig wird umgekehrt ein Schuh daraus. Durch die kaum vorhandene Kraft, die wir einbringen können, entsteht auch die Beschleunigung der Riesentragik für viele Menschen und für die Umwelt
Günther: Damit wären wir bei der Bewertung der Lage der Linkskräfte in unserem Land. Wie fällt da Euer Fazit aus?
Bettina: Ich sehe insgesamt bei den linken Kräften den mangelnden Versuch, linke Netzwerke zu bilden, mit anderen aktiv werden aber auch von anderen lernen zu wollen. Und manchmal habe ich den Eindruck, dass man auch gar nicht von sich gegenseitig lernen möchte. Man sitzt irgendwo im Wolkenkuckucksheim, Sitzungen und nun Videokonferenzen, erzählt sich was und entscheidet dann per Abstimmung wer Recht hat und wer nicht. Dabei gibt es viele gesellschaftliche Fragen, zu denen niemand eine Antwort hat, schon gar keine durchsetzungsfähige und die Bevölkerungen überzeugende.
Das Herangehen zur Bundestagswahl spricht da meiner Meinung nach Bände. Obwohl sehr oft noch keine offiziellen Kandidat*innen aufgestellt wurden, präsentieren oder nennen sich einige bereits als Kandidat*innen. So wird eine Entscheidung vorweggenommen, die Wahl der Kandidat*in zu einer Farce. Dies in einer linken Partei zu sehen erschrickt mich. Meinem Anspruch an (auch innerparteilicher) Demokratie entspricht es nicht. Leider scheint damit sogar verbunden, dass auch programmatisch zählt, was diese "Kandidat*innen" wollen. Der Wahlkampf zum Bundestag hat also begonnen, obwohl noch kein Mitgliedervotum vorliegt. Dies weist auf Probleme hin, die nicht nur in linken Parteien, sondern auch insgesamt stehen.
Es ist das Problem der Unfähigkeit unter Linken zu diskutieren, gemeinsame Alternativen und politisches Herangehen zu entwickeln. Sich zuhören, sich ernst nehmen als Bündnisparter*in, den Willen zu haben gemeinsam Alternativen zu entwickeln – zumindest für die nächsten Schritte, um dem Ziel gesellschaftlicher Veränderung nach links näher zu kommen. Stattdessen werden Fehler gesucht und diese destruktiv hervorgehoben, anstatt daraus die Analyse für linke Politik zu ziehen. Ein Beispiel hier die Diskussion der Friedensfrage in der Partei DIE LINKE, die einige nicht mehr ganz so eng sehen – das ist ein Problem. Aber statt zu versuchen, positiv Einfluss in die Richtung zu nehmen, dass sie bei ihrer konsequenten Antikriegshaltung bleiben, hat man den Eindruck, dass einige Mitglieder und auch linke Kräfte von außen fast froh sind über solche Auseinandersetzung in DIE LINKE - sie sich selbst damit meinen profilieren zu können. Vielleicht wurde noch nicht verstanden, wie wichtig das gemeinsame Handeln aller linken Kräfte hier ist. Vielleicht soll damit aber auch von eigenen organisatorischen Problemen abgelenkt werden. Das wäre aus meiner Sicht sehr fragwürdig, weil es um die Interessen der Menschheit geht. Es geht um die Frage Krieg oder Frieden – und zwar im globalen Maßstab. Und wer in eine Partei, die den Frieden will und auf ihre Fahnen geschrieben hat, diesen Keil treibt, qualifiziert sich ab.
Heinz: Nehmen wir das Beispiel die Eigenkandidatur der DKP bei den bevorstehenden Bundestagswahlen: Ich bin für ein maximal mögliches politisches Eingreifen, denn es wird um politische Weichenstellungen gehen und um Eingreifen in eine politisiertere Zeit als sonst. Es wird aus meiner Sicht wahrscheinlich um eine Blockwahl gehen. Irgendwie wird es darum gehen ob es ein Projekt geben wird mit Unterstützung oder Einbeziehung der SPD und der Partei Die LINKE evtl. mit Die Grünen/Bündnis 90, im Gegensatz zur CDU/FDP in Kooperation mit der AfD. In dieser Situation als DKP unbedingt kandidieren zu müssen, geht aus meiner Sicht an der Realität vorbei. Auch vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass wie nur begrenzt kandidaturfähig sind und stimmenmäßig kaum vorhanden sein werden, befürchte ich, dass diese Entscheidung uns schwächen wird und unser Ansehen in Bündnissen und Bewegungen weiter schaden kann. Enttäuschung bei Mitgliedern kann die DKP weiter schwächen.
Große Sorgen macht mir die Tendenz in einem Teil der Mitgliedschaft der DKP, die politische Hauptkritik gerne gegen den sozialdemokratischen Teil der Arbeiterbewegung, vorzugsweise gegen deren linken Teil, zu richten. Ich mache das auch fest an manchen Meinungsäußerungen in der UZ, in der Auseinandersetzungen mit CDU-Politik und mit der Strategie der entscheidenden Konzerne zu wenig stattfindet. Zu wenig wird der gegenwärtige Differenzierungsprozess innerhalb der SPD thematisiert. Der gewerkschaftlich orientierte Teil der SPD Mitgliedschaft und auch die Vorsitzenden von verd.i und IG- Metall bringen ja durchaus interessante Gesichtspunkte in die Debatte z. B. zum Friedensthema ein. Da passiert offensichtlich etwas, und es wäre allemal interessant darüber nachzudenken und mit zu diskutieren. Aber das findet bei uns zu wenig statt. Manchmal habe ich den Eindruck, die Politik der Partei DIE LINKE wird zu wenig differenziert wahrgenommen, dadurch entsteht manchmal der Eindruck, dass wir zu wenig unter dem Gesichtspunkt notwendiger Gemeinsamkeiten und notwendiger sachlicher Kritik agieren.