Im Interview

Paul WellsowInterview des Journals rossana mit Paul Wellsow      

31.05.2021: rossana ist ein neues sozialistisches Journal und ein Netzwerk. Redakteur*innen und Autor*innen denken aus linker Sicht über ihre Themen nach. Sie arbeiten an einer Erneuerung der gesellschaftlichen Linken, die wir bitter brauchen. In der Reihe "Im Handgemenge" spricht rossana mit Paul Wellsow. Er arbeitet bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, war in Thüringen bis Mitte 2020 Geschäftsführer der Landesstiftung. Der sog. "Thüringer Weg" der LINKEN liegt ihm besonders am Herzen. Er arbeitete bis 2018 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Grundsatzfragen bei der Fraktion im thüringischen Landtag. Grund genug, um mit ihm über linkes Regieren zu sprechen.

 

rossana: Wir haben vor einer Weile über die AfD in Thüringen gesprochen. Du hast gesagt, dass die LINKE offen für eine Regierung im Bund eintreten soll. Warum?

Paul Wellsow: Nein, so nicht. Dringend notwendig ist, dass DIE LINKE offensiv eine Politik entwickelt, die reale Veränderungen anstrebt und umsetzen kann. Das kann Regieren heißen – auch im Bund. Das kann aber zu anderen Zeiten und an anderem Ort Oppositionspolitik im Parlament, Protest auf der Straße, Unterstützung praktischer sozialer Kämpfe und so weiter heißen. Und es heißt, die Formen der Politik zusammen-, und nicht gegeneinander zu denken.

Also: Wenn wir regieren, müssen wir auch zugleich Linke in Bewegung sein, und müssen weiterhin klarmachen, dass wir die Vorstellung eines demokratischen Sozialismus haben. Das darf sich nicht ausschließen, das darf in Theorie und Praxis nicht gegeneinander stehen.

Und wir müssen vor allem die kommentierende Politik verlassen. Das ewige Abarbeiten an Anderen, den Glauben an Pressemitteilungen als schärfste Waffe der Politik und die Bitten – getarnt als "Forderungen" – an die Regierungen. Es braucht eine eigene linke Macht- und Veränderungsperspektive und eine reale Vorstellung davon, wie wir – nicht andere – unsere Ziele umsetzen können und wie wir dafür Mehrheiten gewinnen – in der Gesellschaft, in Parlamenten und Institutionen. Darum geht es doch, wenn wir Politik betreiben – und nicht um kritische Publizistik.

Logo rossana rossana will verbinden, damit wir gewinnen können. Wir arbeiten an einem politischen Projekt, das Kämpfe gegen soziale Ungleichheit, gegen Ausbeutung und für Demokratie mit denen verbindet, die sich gegen Rassismus und Sexismus richten. Nur dann, wenn wir verbinden, was oft gegeneinander ausgespielt wird, werden wir politisch mächtiger werden. Und nur dann werden wir das Einfache erkämpfen können, was so schwer zu machen ist: einen grünen, ökologischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Den Ökosozialismus.
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rossana: Was meinst Du mit einer linken Machtperspektive? Und: Wie kommen wir da hin?

Paul Wellsow: Die politischen Ziele sind im Erfurter Programm beschlossen. Ebenso eine klare strategische Orientierung, die sich an das "Strategische Dreieck" der PDS anlehnt. Also Protest und Widerstand gegen die Zumutungen im Kapitalismus, reale Veränderungen im Hier und Heute und schließlich die Vision eines demokratischen Sozialismus. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Thüringen im Februar 2020, als CDU, AfD und FDP gemeinsam einen Ministerpräsidenten gewählt haben, müssen wir einsehen, dass wir inzwischen in einer sehr ernsthaften Situation sind.

Wenn wir nicht für eine progressive Politik und Mehrheiten links der Mitte sorgen, werden andere sich nicht scheuen, rechte Realpolitik zu betreiben. Die Zeiten, als ein Koalitionspartner rechts der CDU/CSU undenkbar war, sind vorbei. In anderen Bundesländern hätte der "Putsch" wahrscheinlich nicht abgewehrt werden können. In Thüringen – und mit bundesweiter Unterstützung – gab es das effektive Bündnis von Straße, manchen Medien und Parlament dagegen, und ab der ersten Minute den klaren Willen und den Mut, auf der "Straße" und bei Rot-Rot-Grün, die Ära Kemmerich schnellstmöglich zu beenden.

rossana: Okay, also eine Mitte-Links-Regierung auch als Bollwerk gegen eine denkbare Rechtsregierung?

Paul Wellsow: Ja, aber nicht nur. Als LINKE müssen wir darüber nachdenken, wie wir Mehrheiten für unsere Politik finden – also unterschiedliche Interessen bündeln und praktisch organisieren, im Kleinen wie im Großen. Natürlich ist ein rot-rot-grünes Bündnis in der Kommune oder einem Land wie Thüringen einfacher als im Bund. Aber Regieren im Bund auszuschließen, nimmt uns eine politische Option – und macht uns kaum glaubwürdiger. Denn wer, außer einem Kreis an fest "Überzeugten", wählt eine Partei, die sagt: Ändern soll sich zwar alles, aber wir machen das nicht. Wählen sollt ihr uns aber trotzdem.

So treibt man jene, die reale Veränderungen im Alltag brauchen, in die Arme von SPD, Grünen, Spaßparteien oder anderen "kleineren Übeln". Ich bin also dafür, eine Regierungsoption im Bund ernsthaft zu denken, real vorzubereiten und dafür zu werben. Ich bin mir sicher, SPD und Grüne werden uns kaum den Gefallen tun, sich darauf einzulassen. Aber wir müssen ausstrahlen: Wir wollen Veränderungen, und wir können verändern. Ein Kreuz bei der LINKEN am Wahltag lohnt sich, Engagement in der Partei oder ihrem Umfeld führt zu Veränderung.

Und wenn es dann doch eines Tages – vermutlich nicht 2021, aber vielleicht 2025 – Mehrheiten für progressive Politik gibt, sind wir gut vorbereitet. Dann stolpern wir nicht in ein Regierungsprojekt, in dem man alles nur Erdenkliche falsch machen kann. Mir scheint, dass auch oft einfach Angst vor den möglichen Fehlern und der großen Verantwortung die Ablehnung eines Regierungsprojektes mit begründet.

rossana: Du sagst, eine Regierungsoption 2021 ist eher unwahrscheinlich. Warum? Und was müsste passieren, dass sie 2025 greifbarer wird?

Paul Wellsow: Derzeit gibt es in den Umfragen keine rechnerische Mehrheit. Natürlich, das kann sich noch alles ändern – die Zeiten sind ja sehr unvorhersehbar. Auch die derzeitige Stärke der Grünen kann schnell wieder kippen. Die Partei hatte in der Vergangenheit in Umfragen immer wieder Höhenflüge, von denen dann bei den realen Wahlen manchmal nicht mehr viel übrig blieb.

Und die SPD scheint ja nun nicht aus ihrem Dauertief herauszukommen. Aber wir profitieren davon bei Wahlen bisher nicht. Alle drei Parteien eint zudem doch eine unklare Haltung, ob es ein gemeinsames Projekt geben kann und wie es dazu kommen könnte. Wenn man eine fortschrittliche Regierung wollen würde, müsste man das vorbereiten und glaubhaft deutlich sagen – und es nicht als möglichen Betriebsunfall betrachten, der irgendwie durchgestanden werden muss.

rossana: Siehst du denn momentan in den drei Parteien überhaupt Leute, die eine gemeinsame Regierung wollen?

Paul Wellsow: Klar In allen drei Parteien gibt es starke Befürworter:innen, teils in den Führungen, aber gerade auch unter den Mitgliedern. Doch es fehlt das politische Signal in Gänze: Ja, wir wollen eine andere Politik – und für die braucht es nun einmal Mehrheiten und Bündnisse. Deswegen bräuchte es eine entsprechende Debatte und Vorbereitung in der Gesellschaft, bei Bündnispartner*innen, in Bewegungen und natürlich in den Parteien selbst.

Gleichzeitig gilt natürlich, dass Vorhersagen schwierig sind, besonders dann, wenn sie die Zukunft betreffen. Wenn es im September überraschender Weise eine rechnerische Mehrheit gibt, wäre es fatal, unvorbereitet – intern, aber auch gesellschaftlich – in eine solche Situation, mögliche Gespräche und am Ende gar eine Regierungsbeteiligung zu stolpern.

In der Wahlstrategie der Partei zur Bundestagswahl steht ja aber eine interessante Passage: "…wir trauen uns zu, unsere Ideen auch umzusetzen. Wir strahlen aus, dass wir die sozialen und ökologischen Veränderungen, konsequente Friedenspolitik auch durchsetzen wollen – mit allen, die auch dazu bereit sind. Wir sind überzeugt, dass es möglich und vor allem notwendig ist, mit einem konsequenten Politikwechsel zu beginnen – nicht irgendwann, sondern jetzt." Das ist doch sehr erfreulich. Das muss nun mit Leben gefüllt werden – mit Blick auf 2021 – für den Fall der Fälle -, aber auf jeden Fall für 2025.

rossana: Sagen wir mal bis hierherossana: Es ist Konsens, dass die LINKE einen konkreten Gebrauchswert, einen Nutzwert für die Menschen haben muss. Ein gängiges Argument gegen eine Regierungsoption im Bund lautet ja, dass gerade das die Menschen von uns wegtreiben würde – weil sie die Kompromiss- und Anpassungspolitik an die Interessen der Unternehmen satt haben, die LINKE so zum Teil des Establishments würde. Wenn ich das richtig überblicke, findest Du diese Stimmen in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, in Kreisen der Sozialistischen Linken, bei der Bewegungslinken, ganz sicher natürlich bei der Antikapitalistischen Linken. Was entgegnest du dem?

Paul Wellsow: Ein Blick in Befragungen, sowohl von Wähler*innen und potentiellen Wähler*innen als auch von Mitgliedern, zeigt: Es gibt dort deutliche Mehrheiten dafür, dass wir regieren – auch im Bund. Ich habe den Eindruck, die Ablehnung des Regierens findet sich vor allem bei Funktionär*innen und in manchen Strömungen, weniger bei den Mitgliedern. Vielleicht ist es die Angst vor der eigenen Verantwortung?

rossana: Nehmen wir an, das stimmt mit den Funktionären. Im Unterschied zu den meisten Leuten, die sich nicht wahnsinnig viel mit Politik beschäftigen, haben die ja auch geschichtliche Beispiele vor Augen, wo es schon mal gehörig in die Hose gegangen ist und linke Parteien danach enorm an Glaubwürdigkeit verloren haben. Wir teilen z.B. die Einschätzung, dass das Gros der linken Wähler:innen will, dass ihre Anliegen in einer Regierung umgesetzt werden. Aber wir weisen auch gerne darauf hin, dass dieselben Leute gleichzeitig nicht enttäuscht werden möchten.

Paul Wellsow: Mein Eindruck ist, dass wir schon mit dem Zögern viele Menschen verprellen – also an SPD und Grüne sowie in die Wahlenthaltung verlieren. Alle wissen doch aus dem zwischenmenschlichen Alltag, von der Arbeit oder dem Engagement in Vereinen und in der Partei, dass Kompromisse zum Leben gehören. Das darf nicht zu politischer Beliebigkeit führen, klar. Grobe Fehler, eine nicht-linke Regierungspraxis oder unrealistische Versprechen, die von der Realität eingeholt werden, werden uns nicht verziehen. Aber irgendwann wird uns sicherlich auch nicht verziehen, dass wir unsere Forderungen und Versprechen nicht erfüllen können. Deswegen fokussiere ich so stark auf die Frage, auf welchen Wegen wir unsere Politik realisieren können. Das kann Regieren sein, aber auch andere Wege. Deswegen müssen wir vor allem über Durchsetzungsperspektiven sprechen.

rossana: Was wären denn grobe Fehler? Was unrealistische Versprechen?

Paul Wellsow: In den parteiinternen und –nahen Debatten und Texten zum Regieren ist wahrscheinlich fast jeder bisher gemachte grobe Fehler ausgewertet worden. Die Fehler zu benennen, kann helfen. Sie müssen einsortiert werden – auch gerade in eine Betrachtung der damaligen Kräfteverhältnisse -, um zu verstehen, wieso es so kam – und wie es eben künftig anders wird.

Aber haben wir als Partei gemeinsam die gleiche Energie aufgebracht, um Erfolge zu analysieren und Strategien für verändernde Politik zu entwickeln? Also zu fragen: Was haben wir erreicht, auf welchem Weg – und mit und gegen welche Kräfte? Wir müssen mehr über Macht nachdenken – unsere eigene, und die der anderen.

Wenn die Kritik an bisheriger Regierungspraxis nach vorne weisen soll, müssen wir die Auswertung der bisherigen Erfahrungen anders angehen als bisher. Systematischer, vergleichender, konkreter was Inhalte, Strukturen und Prozesse angeht – und immer mit dem Blick auf eine verändernde Praxis und das kluge Nutzen von gesellschaftlichen und politischen Möglichkeitsfenstern.

Versprechen, von denen wir wissen, dass wir sie nicht umsetzen können, werden auch bei Wähler:innen zu Enttäuschung führen. Hier braucht es in der Kommunikation kluge Wege, um deutlich zu machen, was unsere Ziele und Forderungen sind, und was wir real umsetzen können – sei es vor Ort in der Kommunalpolitik, in Opposition und in Bewegungen oder eben auch in einer Regierung.

rossana: Das klingt eher nach einer Art Richtschnur, weniger danach, was konkret vermieden werden müsste. Es stehen ja immerhin eine Reihe von Forderungen im Raum, die sogar die erheben, die nicht regieren wollen. Aber was folgt aus Deinen Überlegungen weiter?

Paul Wellsow: Es geht also darum, klug zu entscheiden, wo und wann wir regieren können und sollten, und wo eben auch nicht. Aber wir müssen die politische Zögerlichkeit überwinden. Für Bedenken werden wir doch nicht gewählt.

Was auch klar und eine Aufgabe ist: Wir müssen dann auch ganz praktisch regieren können. Dafür braucht es nicht nur gute Forderungskataloge, sondern auch die fachlichen Kompetenzen – also das Handwerkszeug – zum Verwalten und Regieren, zum Verbinden der eigenen Politik mit Gesellschaft und Bewegungen, das Nutzen der Öffentlichkeit und strategischer Weichenstellungen. Es braucht eine linke Theorie des Regierens – und das Lernen, wie es praktisch geht. Also: DIE LINKE muss für das Regieren eintreten und werben und sich sehr praktisch vorbereiten – aber natürlich nicht, um dann um jeden Preis in eine Regierung einzutreten.

rossana: Du sprichst vom Handwerkszeug. Was gehört für Dich dazu? Klingt erstmal nach Fachkenntnissen, Kenntnissen davon, wie Staatsapparate überhaupt funktionieren. Was gehört noch zur "Theorie des Regierens"?

Paul Wellsow: Es geht um das Verständnis davon, wie Entscheidungsprozesse ablaufen, wie Verwaltungsstrukturen funktionieren und wie Themen in der Gesellschaft gesetzt werden und eine Relevanz erlangen, dass Entscheidungen getroffen werden. Wie reagiert die Öffentlichkeit und Gesellschaft, welchen Einfluss haben Medien, welchen Einfluss haben Mitarbeiter:innen und Beamte in den Verwaltungen?

Wie formen wir politische Bündnisse, um auch Entscheidungen durchzusetzen, die auf starken Widerstand zum Beispiel in der Wirtschaft treffen werden? Im Kern geht es um die Fragen, die sich daraus ableiten, wie wir unsere politischen Ziele real umsetzen können. Erkennen, wann und mit welchen Mitteln wir einzelne Maßnahmen umsetzen können – und zu wissen, wo wir uns verrennen werden.

rossana: Ich will Dich etwas Grundsätzlicheres fragen. Nebenbei hast Du in unserem ersten Gespräch den Sozialismus als Vision ins Spiel gebracht, der unsere Politik leiten sollte. Ich sehe einige Genoss*innen mit drei Fragezeichen vor den Augen: Wie soll denn bitte eine Regierung im Bund zum demokratischen Sozialismus führen?

Paul Wellsow: Eine rot-rot-grüne Koalition im Bund oder einem Land wird nicht den demokratischen Sozialismus einführen. Ein Blick in unser Parteiprogramm gibt aber Hinweise, dass auch die sogenannten kleinen Schritte – zum Beispiel als Teil von Regierungspraxis – Teil des Weges zum demokratischen Sozialismus sein können.

Es heißt im Programm: "DIE LINKE kämpft in einem großen transformatorischen Prozess gesellschaftlicher Umgestaltung für den demokratischen Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Dieser Prozess wird von vielen kleinen und großen Reformschritten, von Brüchen und Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe gekennzeichnet sein." DIE LINKE muss im Regieren also tagtäglich einerseits eine sozialere, ökologische und demokratische Realpolitik machen. Zugleich muss sie aber auch andererseits darin Wege suchen, transformatorische Projekte anzustoßen. Also einzelne Vorhaben, relevante Teile der Gesellschaft der kapitalistischen Verwertung zu entziehen oder zum Beispiel die Demokratisierung von Wirtschaft voranzutreiben.

rossana: Was wären da konkrete Schritte, die auch wirklich machbar wären?

Paul Wellsow: Das kann zum Beispiel heißen, Nahverkehr oder Krankenhäuser wieder von den Privaten in öffentliche Hand zu holen, wirtschaftliche Genossenschaften zu stärken oder als Kommune oder Land sozialen Wohnungsbau selbst zu übernehmen. Von den Kommunen über das Land bis zum Bund gibt es hier unzählige Möglichkeiten, wenn man wollte. Als ein Beispiel: Ich finde die Idee von kommunalen Schlachthöfen für reale Politik, aber auch politisch symbolisch interessant.

Sie sind noch in einigen Bundesländern in den Kommunalordnungen verankert, de facto aber seit Jahrzehnten abgeschafft, also privatisiert. Das Schlachten findet privatwirtschaftlich mit Blick auf möglichst großem Gewinn statt – mit all` den negativen Folgen für Beschäftigte, Verbraucher:innen und Tiere, die wir aktuell erleben und diskutieren. Hier könnte der Staat einfach die Verantwortung übernehmen und so selbst umsetzen, unter welchen Arbeitsbedingungen und Hygiene- und Tierschutzstandards produziert wird.

Also: Der Staat nicht bloß als Kontrolleur der kapitalistischen Produktion, sondern organisiert Wirtschaft hier in kommunaler Hand und somit wenigstens formal demokratisch und ohne Zwang zum Profit. Auch das – mehr Staat, mehr gesellschaftliche Infrastruktur – ist noch kein Sozialismus – das ist erst einmal nur das, was einmal Sozialdemokratie versprach und in Teilen realisierte. Aber das können die im Programm beschriebenen kleinen transformatorischen Schritte sein, wenn sie immer weitergetrieben werden und immer mehr Bereiche der Gesellschaft umfassen. Gerade für solche Entscheidungen braucht es starke Unterstützung aus der Gesellschaft, von Gewerkschaften oder Bewegungen, um diese Projekte gegen starke ökonomische Interessen durchzusetzen. Aus meiner Sicht muss also nicht die Frage im Mittelpunkt stehen, ob wir regieren, sondern wie. Wie gelingt es, soziale und demokratische Politik um einen wahrnehmbaren und effektiven transformatorischen Überschuss zu ergänzen?

 

Das Interview wurde veröffentlicht unter: https://rossana-online.de/2021/05/wir-muessen-mehr-ueber-macht-nachdenken-unsere-eigene-und-die-der-anderen-warum-linkes-mit-regieren-notwendig-ist/

kommunisten.de dankt für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung

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