19.04.2014: Noch vor zwei Monaten ging es der Deutschen Telekom nach den Worten ihres Vorstandschefs Timotheus Höttges blendend. Alle Zahlen im grünen Bereich, da könnten die Aktionäre wieder wie langjährig üblich mit 50 Cent Dividende pro Aktie rechnen statt wie letztes Jahr mit 20 Cent. Das wären über drei Milliarden in diesem Jahr. Bei der Tarifrunde für rund 70.000 Beschäftigte der Telekom hörte sich das anders an. Das Lamento der Manager war groß, die Klage über die angeblich ausufernden Personal- und sonstigen Kosten unüberhörbar.
Ein 'Angebot' von 1,6 Prozent für dieses und 1,4 Prozent für nächstes Jahr wurde von vielen Beschäftigten ebenso als Provokation empfunden wie Medienmeldungen, die von einem Angebot von drei Prozent fabulierten. Die Beteiligung an den bundesweit vom ver.di-Fachbereich Telekommunikation und Informationstechnologie Warnstreiks daraufhin war gut, auch bei den Demonstrationen der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes beteiligten sich Tausende Telekombeschäftigte. Im Internet konnte man täglich Berichte über phantasievolle Aktionen örtlicher Gliederungen des ver.di-Fachbereichs 9 sehen. Sie stritten für 5,5 Prozent mehr Lohn in zwölf Monaten, eine soziale Komponente für die unteren Einkommensgruppen und 65 Euro mehr für die Auszubildenden.
Nach dem Abschluss im öffentlichen Dienst erwarteten viele, dass bei der Telekom etwa die gleichen Zahlen rauskommen würden, auch weil man hier einen erheblich höheren gewerkschaftlichen Organisationsgrad hat. Angesichts der Geschäftsergebnisse des Kommunikationskonzerns wäre das ein nicht gerade berauschendes Ergebnis gewesen. Was dann in der Nacht von Montag auf Dienstag letzter Woche ausgehandelt wurde, konnte da viele nur enttäuschen. Nach zwei Leermonaten gibt es für 2014 2,5 Prozent mehr, für die unteren Einkommensgruppen 2,9 Prozent und 2015 für alle nochmals 2,1 Prozent Die Auszubildenden bekommen 40 und 2015 nochmals 20 Euro mehr.
Gemessen an der Forderung ist das noch nicht mal deren Hälfte, auch wenn in Veröffentlichungen des ver.di- Fachbereichs groß fünf Prozent und 4,6 Prozent zu lesen sind, die Details dann aber im Kleingedruckten das relativieren. Auch das Niveau des öffentlichen Dienstes wurde um 25 bis 50 Prozent unterschritten, waren dort doch mit 90 Euro Mindestbetrag die unteren Lohngruppen um bis zu fast sechs Prozent angehoben worden und zudem der Urlaub verlängert. Dabei ist die öffentliche Diskussion um leere Kassen schwerer zu führen als die um die Kassen eines Konzerns, der über drei Milliarden Dividende ausschütten will.
Nach Ostern sollen mehrere Regionalkonferenzen stattfinden, in denen die Verhandlungsführer dann den ver.di- Mitgliedern das Ergebnis werden begründen müssen. Ob es der Preis für den um zwei Jahre verlängerten Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen war? Auch das wird kontrovers gesehen, herrscht doch in vielen Bereichen der Telekom mittlerweile auch von den Managern eingestandener Personalmangel. Nicht wenige erwarten da sehr heiße Diskussionen.
Noch nicht abgeschlossen sind die Tarifverhandlungen für die Telekomtochter T-Systems. Dort überschneidet sich die Tarifrunde mit dem Kampf gegen die geplante Vernichtung von 4.900 Arbeitsplätzen. Das gewerkschaftliche Durchsetzungsvermögen bei der Telekom ist seit der Postprivatisierung auch geschwächt dadurch, dass es keinen Branchen-, noch nicht mal einen Konzerntarifvertrag gibt. Statt dessen einen tarifpolitischen Flickenteppich, auch mit unterschiedlichsten Verhandlungsterminen, der es nicht nur schwer macht gewerkschaftliche Kraft zu bündeln, sondern auch einheitliche Forderungen zu stellen, die auf alle mobilisierend wirken könnten.
Text: Stefan Heinrich / Foto: mami