Wirtschaft

Mindestlohn 12 50Euro05.12.2019: Berlins rot-rot-grüner Senat beschließt 12,50 Euro Mindestlohn bei Vergabe öffentlicher Aufträge und für Landesbeschäftigte ++ DGB: "großer Schritt zu Löhnen, von denen man leben kann" ++ IHK: "geht in die völlig falsche Richtung" ++ IHK beklagt "schwindenden Einfluss"

Wer in Berlin öffentliche Aufträge haben will, muss seinen Beschäftigten bald 12,50 Euro pro Stunde zahlen. Dies hat Berlins rot-rot-grüner Senat am Dienstag (3.12.) im Zuge einer Novelle des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes beschlossen. Damit gibt Berlin, sofern das Abgeordnetenhaus zustimmt, den höchsten vergabespezifischen Mindestlohn deutschlandweit vor. Bisher liegt der Mindestlohn bei öffentlichen Vergaben in Berlin bei neun Euro.

Der rot-rot-grüne Senat setzt mit dem Beschluss ein zentrales Projekt des Koalitionsvertrages um. Die Vergabepolitik wird dem Grundsatz »öffentliches Geld nur für gute Arbeit« folgen, heißt es dort.

"Wir haben unsere gemeinsamen Ziele erreicht. Mit dem Vergabegesetz haben wir ein ausgewogenes Paket aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien", erklärte Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Nicht allein der Preis solle künftig entscheiden, welches Unternehmen vom Land den Zuschlag erhält. "Das billigste Angebot ist nicht immer das wirtschaftlichste", betonte Pop. Stattdessen macht der Gesetzentwurf auch klare Vorgaben für die Einhaltung zwingend zu berücksichtigender sozialer und ökologischer Kriterien.

Die sozialen und ökologischen Kriterien des Vergabegesetzes sollen allerdings erst ab einer Größenordnung von 50.000 Euro bei Bauleistungen und von 10.000 Euro bei Dienstleistungen gelten. Für Aufträge, die unter dieser Grenze liegen, gelten die Kriterien wie der Mindestlohn nicht. Allerdings, so die Einschätzung des Senats, liegen 95 Prozent des Auftragsvolumens von rund fünf Milliarden Euro über dieser Schwelle.

Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (LINKE) kündigte gleichzeitig an, dass auch im Berliner öffentlichen Dienst und in den Landesbetrieben der Mindestlohn von neun auf 12,50 Euro erhöht wird. Rot-Rot-Grün erhöht damit den Landesmindestlohn zum zweiten Mal. In diesem Zusammenhang sprach Breitenbach von einer Annäherung "in Richtung einer armutsfesten Alterssicherung"

Zum Vergleich: Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn, den der Bund festsetzt, steigt 2020 von 9,19 auf 9,35 Euro pro Stunde.

Der Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte die Beschlüsse zum Landesmindestlohn und dem Vergabegesetz. "Öffentliche Aufträge werden endlich an gute Bezahlung, an Bezahlung nach Tarifvertrag, geknüpft", sagt der DGB-Bezirksvorsitzende von Berlin und Brandenburg, Christian Hoßbach. Damit gehe die Hauptstadt voran und nutze die vorhandenen europarechtlichen Spielräume, um Tarifbindung und gute Arbeit zu stärken. "Das ist ein großer Schritt auf dem Weg zu Löhnen, von denen man leben kann", sagte Hoßbach.

Während der DGB positiv reagierte, kam aus der Wirtschaft erwartungsgemäß umgehend Protest.

IHK Berlin beklagt schwindenden Einfluss

So sorgt sich Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), um die Tarifautonomie. "Der Senat greift mit dem höheren Mindestlohn im Ergebnis in bestehende Tarifverträge ein und schwächt die Tarifautonomie", so Christian Amsinck.

"Dieses Vergabegesetz ist falsch", sagte die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK), Beatrice Kramm. Nach Ansicht der IHK gehen Vergabemindestlohn und zum Vergabegesetz in die völlig falsche Richtung. Weil mit diesen Regelungen "die öffentliche Hand kein attraktiver Auftraggeber ist", werden die Unternehmen die öffentliche Auftragsvergabe boykottieren, vermutet Kramm, so dass Aufträge mangels Bewerber liegenbleiben würden.

Insgesamt sorgt sich die Berliner IHK um einen "schwindenden Einfluss". Enteignungsdebatte und Mietendeckel würden das Verhältnis zwischen Senat und der Wirtschaftskammer belasten, klagten Jan Eder (Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin) und Beatrice Kramm (Präsidentin der Kammer) beim alljährlichen adventlichen Abendessen mit Vertreter*innen aller großen Medienhäuser Berlins. Der Senat würde sich "konsequent über wirtschaftspolitische Bedenken hinwegsetzen, ärgerten sich Eder und Kramm. "Unsere Themen werden wahrgenommen von den Mitgliedern des Senats", sagte Kramm. "Aber sie genießen offenbar nicht mehr die Priorität wie früher".

 

Vor der endgültigen Beschlussfassung über das Vergabe- und das Mindestlohngesetz muss sich der Rat der Bürgermeister noch dazu äußern. Anschließend muss auch das Abgeordnetenhaus zustimmen. Der neue Mindestlohn soll 2020 in Kraft treten.

 

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