15.05.2020: Amazon ist einer der größten Profiteure der Krise ++ Amazon-Boss Jeff Bezos seit Jahresbeginn um 29.4 Milliarden US-Dollar reicher geworden ++ Corona-Hotspot Amazon ++ Offener Brief von Amazon Workers International (AWI): "Wir sehen ja, dass unsere Kolleg*innen weiterhin krank werden." ++ Video der STRG_F-Reporter*innen Sebastian Friedrich und Simone Horst über die Zustände bei Amazon ++ ver.di nimmt Tarifkampf wieder auf
Bei Amazon klingeln trotz -- oder richtiger: wegen - Corona die Kassen. Der US-Konzern ist einer der größten Profiteure der Krise. Die Logistikzentren laufen auf Hochtouren. Amazon-Boss Jeff Bezos ist seit Jahresbeginn um 29.4 Milliarden US-Dollar reicher geworden und liegt mit einem Vermögen von 144 Mrd. US-Dollar weltweit wieder auf Platz 1 der reichsten Menschen der Welt. (Bloomberg, 15. Mai 2020) Profit auf Kosten der Gesundheit der Amazon Beschäftigten.
Nicht nur die Schlachthöfe sind Zentren der Corona-Pandemie, auch in den Betrieben von Amazon ist die Ansteckungsgefahr nicht eingedämmt. Ende April sickerte durch, dass im Versandzentrum »HAM2« in Winsen nachweislich 68 der rund 1.800 Beschäftigten infiziert waren. Eine Zahl die weit über dem Hamburger Durchschnitt liegt.
Erst nachdem Beschäftigte auf die unhaltbaren hygienischen Zustände hingewiesen hatten, überprüfte das örtliche Gesundheitsamt das Versandzentrum und erließ einen Maßnahmenkatalog. So wurde die Zahl der Arbeiter*innen, die gemeinsam in einem Shuttlebus vom Bahnhof zur Lagerhalle pendeln, auf 20 begrenzt. In den Hallen wurden Markierungen zur Einhaltung der Abstandsregeln gesetzt. Die Körpertemperatur der Beschäftigten wird am Eingang mit einem neuen Infrarotkamerasystem automatisch überwacht. Seitdem gebe es vorerst "keine Beanstandungen" mehr, heißt es bei der Behörde.
"Wir sehen ja, dass unsere Kolleg*innen weiterhin krank werden."
Die Amazonarbeiter*innen beruhigt das nicht. Sie fürchten um ihre Gesundheit. "Wir sehen ja, dass unsere Kolleg*innen weiterhin krank werden. Wir prangern an, dass Amazon weiterhin das Ausmaß der Ausbreitung des Coronavirus in seinem Logistiknetzwerk vertuscht, dass Amazon weiterhin Menschenleben in Gefahr bringt und sich dabei fälschlicherweise als systemrelevantes Unternehmen darstellt und dass Amazonarbeiter*innen, die sich dagegen wehren, rauswirft und zum Schweigen bringt", heißt es in einem Offenen Brief von Amazon Workers International (AWI) [1] an die Amazon-Bosse Jeff Bezos und Stefano Perego.
Mit dem Offenen Brief verfolgt AWI zwei Ziele:
"Erstens wollen wir eine Reihe von gemeinsamen Forderungen vorstellen, welche auch die Forderungen aufgreifen, die neulich von "Amazon Employees for Climate Justice" aufgestellt wurden, einem Zusammenschluss von höheren Angestellten in den Amazon-Büros auf der ganzen Welt. Dazu gehört auch die Forderung, einige der positiven Veränderungen beizubehalten, die in den letzten Wochen in den Warenlagern eingeführt worden sind, und zwar als Reaktion auf den weltweiten Druck der Arbeiter*innen auf das Amazon-Management. Wir fordern auch transparente Richtlinien, sichere Arbeitsplätze, einen Schutz vor willkürlichen Kündigungen und die Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeiter*innen.
Zweitens stellen wir aber nicht nur Forderungen für die Zeit nach der Pandemie auf. Sie arbeiten zwar schon daran, diese vorübergehenden Fortschritte wieder rückgängig zu machen, aber die Lage in den Betrieben zeigt uns, dass die Krise und die Ansteckungsgefahr noch lange nicht eingedämmt sind. Wir sehen ja, dass unsere Kolleg*innen weiterhin krank werden. Wir prangern an, dass Amazon weiterhin das Ausmaß der Ausbreitung des Coronavirus in seinem Logistiknetzwerk vertuscht, dass Amazon weiterhin Menschenleben in Gefahr bringt und sich dabei fälschlicherweise als systemrelevantes Unternehmen darstellt und dass Amazon Arbeiter*innen, die sich dagegen wehren, rauswirft und zum Schweigen bringt. Wir fordern Sie auf, diese Praktiken jetzt zu beenden!"
(Offener Brief »Die Pandemie bei Amazon«) [2]
Da in der Krise die Bestellungen stark angestiegen sind, zahlt Amazon seinen Logistikarbeiter*innen einen Bonus in Höhe von 2 Euro pro Stunde – aber nur, wenn sie auch wirklich anwesend sind. Betriebsräte und Gewerkschaft kritisieren die Maßnahme als Anreiz, sich trotz möglicher Covid-19-Symptome zur Arbeit zu schleppen. Viele befristet angestellte Kollegen würden zudem fürchten, dass ihr Vertrag bei zu vielen Krankheitstagen nicht verlängert wird.
Die STRG_F-Reporter*innen Sebastian Friedrich und Simone Horst sind den Zuständen bei Amazon nachgegangen und wollten wissen: Wie behandelt Amazon seine Beschäftigten in der Krise?
Amazon und das Virus: Profit auf Kosten der Beschäftigten? |
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Verdi will nach Corona-Zwangspause Amazon wieder bestreiken
Gestern (14.5.) kündigte die Gewerkschaft ver.di an, dass der Tarifkampf mit dem Online-Händler nach einer coronabedingten Zwangspause wieder aufgenommen wird.
"Wir werden jetzt die nächsten Aktivitäten ins Leben rufen", sagte der für den Einzel- und Versandhandel zuständige ver.di-Bundesfachgruppenleiter, Orhan Akman.
Gestern jährte sich der Dauer-Tarifkonflikt zum siebten Mal. Am 14. Mai 2013 fand am größten deutschen Standort im osthessischen Bad Hersfeld und in Leipzig der erste reguläre Streik bei Amazon Deutschland statt. Orhan Akman: "Das ist einer der längsten Arbeitskämpfe in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte und auch einer der härtesten. Wir kämpfen gegen einen Giganten, der über enorme wirtschaftliche Möglichkeiten verfügt. Dafür brauchen wir einen langen Atem. Leider glaubt Amazon, mit Geld alles erreichen zu können."
"Wir werden keine Ruhe geben, bis wir einen Tarifvertrag haben"
Ver.di will jetzt auch wieder zum Streik aufrufen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie waren solche Aktionen durch die auf dem Infektionsschutzgesetz beruhenden Verordnungen der Bundes- und Landesregierungen nicht möglich. Mit den Lockerungen gibt es jetzt wieder Spielraum. "Normalerweise hätten wir bereits seit März wieder Aktionen gestartet. Durch Corona wurden wir eingeschränkt. Aber wir haben das ganze Jahr 2020 durchgeplant und sind gut aufgestellt", sagt Akman. Ver.di werde auch weiter an seiner internationalen Vernetzung arbeiten und mit ausländischen Gewerkschaften kooperieren. "Wir werden keine Ruhe geben, bis wir einen Tarifvertrag haben", versichert der Gewerkschaftssekretär.
Anmerkungen
[1] Amazon Workers International (AWI) ist ein grenzübergreifender Zusammenschluss von Amazonbeschäftigten aus verschiedenen Gewerkschaften und Ländern, unter anderem aus Deutschland, Polen, Spanien, Frankreich, der Slowakei und den USA.
[2] »Die Pandemie bei Amazon«
https://amworkers.wordpress.com/2020/04/30/offener-brief-an-jeff-bezos-und-stefano-perego/
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