29.08.2022: In der heutigen Ausgabe deckt die Zeitung BUSINESS INSIDER auf, dass die Gasumlage auf Druck von Ratingagenturen und mit direkter Beteiligung von Spitzenmanagern von Uniper und weiteren Energiekonzernen erarbeitet worden ist. ++ Demo in Köln: RWE & Co enteignen und die Energieproduktion vergesellschaften
"Es waren dramatische Tage im Juli dieses Jahres. 14 Tage lang brüteten Beamte, Juristen und Manager in Düsseldorf und Berlin bis tief in die Nacht hinein, wie der Gas-Riese Uniper gerettet werden kann. ... Am Ende verkündete Kanzler Olaf Scholz (SPD) ein 15 Milliarden Euro schweres Rettungspaket, mit dem die Bundesregierung dem Konzern unter die Arme greifen will.
Ein Teil dieses Pakets: die heute umstrittene Gasumlage. 2,8 Cent extra sollen Gaskunden ab 1. Oktober für jede Kilowattstunde extra zahlen. Für eine Familie macht das schnell mehr als 500 Euro zusätzlich. Das Geld soll an notleidende Gasversorger fließen, allen voran Uniper", so beginnt BUSINESS INSIDER den Artikel "Dramatische Tage bei Uniper-Rettung: Energiekonzerne schrieben an Verordnung mit – so entstand die umstrittene Gasumlage". [1]
"Verflechtung der Macht des Staates mit der Macht der Monopole" (Stamokap)
Uniper ist 2016 durch Abspaltung der konventionellen Stromerzeugung aus Kohle, Gas, Wasserkraft (ohne Kernenergie) und des globalen Energiehandels von der E.ON entstanden. E.ON befindet sich zu 61 Prozent im Besitz von institutionellen Investoren, rund 58 Prozent befinden sich im Auslandsbesitz (Großbritannien 18 Prozent, Nordamerika 17 Prozent)
Die "E.ON-Resterampe" Uniper ist laut eigenen Angaben mit rund 15.000 Mitarbeitern in mehr als 40 Ländern aktiv, mit der größten Präsenz in Deutschland, Russland, Schweden und Großbritannien.
Seit März 2020 gehört Uniper zu 78 Prozent dem finnischen Energiekonzern Fortum, an dem wiederum der Staat Finnland mit knapp 51 Prozent beteiligt ist. Seit 2019 sitzt der frühere Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der als “Spezi” von FDP-Chef Christian Lindner gilt, im Aufsichtsrat von Fortum.
Bei Uniper gilt es einen Verlust von 12 Milliarden Euro abzudecken, für den eigentlich die finnische Muttergesellschaft mit aufkommen müsste. Fortum kassierte in der Vergangenheit die Dividenden und trägt als Großaktionär die "unternehmerische Verantwortung". Doch mit dieser ist es bekanntermaßen nicht weit her, wenn Verluste auflaufen.
Um eine Pleite von Uniper und eine mögliche Kettenreaktion zu verhindern - Dutzende Stadtwerke, die Uniper beliefert, hätte ebenfalls eine Pleite gedroht – griff der Staat ein:
- Die Bundesrepublik Deutschland erwirbt im Zuge einer Kapitalerhöhung um rund 267 Millionen Euro eine Beteiligung von etwa 30 Prozent an Uniper zum Nominalwert von 1,70 Euro pro Aktie. Der Anteil von Fortum sinkt damit von knapp 80 Prozent auf etwa 56 Prozent.
- Bis zu 7,7 Milliarden Euro stellt der deutsche Staat zudem über ein Pflichtwandelinstrument zur Verfügung
- 90 Prozent ihrer zusätzlichen Beschaffungskosten können die Gasversorger über die Umlage an ihre Kunden weitergeben.
Gasumlage: So funktioniert Stamokap |
BUSINESS INSIDER berichtet nun, dass "Ratingagenturen im Juli plötzlich mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit Unipers gedroht haben, da sie kein dauerhaftes Geschäftsmodell mehr in Uniper sahen". Ein Beteiligter berichtet: "Die Agenturen hatten damals gefordert, dass wir an die Eigentümerstruktur und an die Verbraucher ran gehen.“
Doch der eigentliche Knackpunkt der Verhandlungen sei die Frage gewesen, "wie man auch die Verbraucher an den Kosten beteiligt".
Und weiter: "Daraufhin sei von den Ratingagenturen und aus dem Uniper-Umfeld, so bestätigen mehrere Insider aus Regierungskreisen, die Idee zur Gasumlage als sogenannte 'Backstop-Lösung' gekommen. An den rechtlichen Details der Verordnung tüftelten aber nicht nur die Beamten aus Wirtschafts- und Finanzministerium sowie Vertreter Unipers, sondern sogar die Bosse zweier großer Energiekonzerne persönlich. … Mit der Gasumlage waren schließlich auch die Ratingagenturen zufrieden."
Dass auch gut laufenden Unternehmen in den Genuss der Gasumlage kommen und auf Kosten der Allgemeinheit ihre Milliardenprofite vergrößern, habe man "in der Hektik" angeblich nicht gesehen.
Da kommen Erinnerungen daran auf, dass während der Schröder-Regierung (SPD / Grüne) "Drehtüren" zwischen der Finanzwirtschaft und dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium bestanden und Spitzenleute aus Versicherungswirtschaft und Banken die Gesetze schrieben, die den Hedgefonds für Unternehmensübernahmen auf den Leib geschnitten waren und auch die Grundlagen für die "Cum-Ex-Verbrechen" legten.
RWE & Co enteignen und die Energieproduktion vergesellschaften.
1.500 Menschen demonstrierten am Samstag (27.8.) in Köln für die Vergesellschaftung des Energiesektors und für soziale Lösungen auf die steigenden Energiepreise. Sie zogen am Samstagmittag durch die Kölner Innenstadt. Aufgerufen zur Demonstration "Enteignen statt Krise – eine klimagerechte Zukunft" hatten Fridays For Future, Ende Gelände, Lützerath lebt und RWE & Co. enteignen.
Die Initiative "RWE und Co. enteignen" (https://rwe-enteignen.de) war vor etwa einem Jahr gestartet und hatte damals vor allem im Blick, dass der Energiekonzern RWE zugunsten der Profite umweltzerstörerisch handelt. Jetzt, mit den explodierenden Preisen für Strom und Gas, hat sich der Fokus der Kampagne verschoben.
Eine Rednerin der "Interventionistischen Linken Köln"« sprach bei der Auftaktkundgebung über die systemischen Ursachen der Krise. In solchen Zeiten werde immer davon gesprochen, dass "wir alle im selben Boot" sitzen würden. Das sei aber nicht so, während Millionen Menschen sich vor Nachzahlungen fürchteten, Strom- und Gassperren drohten und vielen Angst haben, aus ihren Wohnungen zu fliegen, gäbe es Meldungen über Milliardengewinne bei Energiekonzernen, die sogar noch von der Krise profitierten. Das mache deutlich: "Wir sitzen nicht im selben Boot. Wir saßen noch nie im selben Boot."
Janou Reiser von "RWE & Co. enteignen" sagte: "Während im Herbst mehrere Millionen Menschen Strom und Gas nicht mehr bezahlen können und bereits jetzt hunderttausenden Haushalten jährlich der Strom abgestellt wird, fahren RWE, Shell & Co. Milliardengewinne durch die Energiekrise ein. Wir brauchen grundlegende Veränderungen in Form einer Vergesellschaftung des Energiesektors. Stromproduktion kann sich so an Bedarfen orientieren und allen Menschen einen sicheren Zugang zu Strom garantieren. Stromsperren und fette Konzernprofite werden Geschichte sein!”
Dibia von Fridays for Future dazu: “Mehrere Jahre auf der Straße zeigen uns deutlich: Konzerne und Regierungen haben weder Interesse daran solidarische und angemessene Lösungen für die Klimakrise noch für die sich immer weiter zuspitzende Energiekrise zu finden. Die Klimakrise wütet vor allem im Globalen Süden. Um dem effektiv entgegenzuwirken, braucht es die Vergesellschaftung der Energiekonzerne. Die Profite zerstören schon zu lange die Lebensgrundlagen von Menschen. Wir müssen die Energieproduktion selbst in die Hand nehmen. Nur so können wir die Ohnmacht gegenüber den Krisen unserer Zeit beenden und global eine klimagerechte Zukunft aufbauen.”
Video: https://twitter.com/i/status/1563513552387784704 |
Anmerkungen:
[1] BUSINESS INSIDER, 29.8.2022: Dramatische Tage bei Uniper-Rettung: Energiekonzerne schrieben an Verordnung mit – so entstand die umstrittene Gasumlage
https://www.businessinsider.de/politik/deutschland/dramatische-tage-bei-uniper-rettung-energiekonzerne-schrieben-an-verordnung-mit-so-entstand-die-umstrittene-gasumlage-a/