22.06.2011: Die Redaktion der Zeitschrift T&P, zu deren Herausgeberkreis auch der stellvertretende Parteivorsitzende Patrik Köbele gehört, schwingt die große Keule des Revisionismusvorwurfes gegen die Mehrheit des Sekretariats der DKP. In ihrer neuen Nummer (Ausgabe 25) ist im Artikel "Ein Grußwort und drei Anträge, die die Spaltung der Partei vertiefen" zu lesen: „Vertreter der Thesen versuchen ihre Politik unbeirrt und kompromisslos der gesamten Partei aufzuzwingen. Politische Initiativen werden auf Konfrontation angelegt. Es soll „durchmaschiert“ werden.
Diese spalterische Politik zeigt sich auch in den Anträgen zur 3. Tagung des Parteivorstands zum 70. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion, zu den Briefen der griechischen KKE und zur Unterstützung der EL-Kampagne für die Schaffung ‚eines europäischen Fonds für soziale Entwicklung’.“
Die Entschließung des PV zum 70. Jahrestag der Überfalls auf die Sowjetunion wurde mit 25 Ja- Simmen bei 5 Nein-Stimmen angenommen. Der Entwurf für diese Resolution wurde am 17.03.2011 an die PV-Mitglieder versendet. So hatte jedes PV-Mitglied 10 Tage Zeit, sich mit dem Entwurf zu beschäftigen. Auch das Sekretariat hat sich mit dem Entwurf auseinandergesetzt. 2 Sekretariatsmitglieder wollten den Entwurf wegen folgender Passage nicht mittragen:
„Diese großen Leistungen des sowjetischen Volkes und seiner Armee, dürfen niemals vergessen werden. Viele Menschen weltweit verbanden die Leistung der Sowjetunion damals unmittelbar mit dem Namen Stalins.
Erst später wurde nicht wenigen bewusst, dass dieser wie die gesamte Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion neben der Leistungen in diesem Krieg aber auch die Verantwortung dafür trug, dass es den faschistischen Truppen in den ersten Kriegswochen gelang, weit in das Land vorzudringen, Städte und Dörfer zu erobern, viele hunderttausende sowjetische Soldaten gefangen zu nehmen.
Es waren einerseits grundlegende politische und militärische Fehleinschätzungen und falsche Entscheidungen, die zu dieser Situation führten. In der Hoffnung, eine Atempause zu erhalten und weil Großbritannien, Frankreich und die USA jeden Vertragsabschluss mit der UdSSR in der Hoffnung umgingen, sich doch noch mit dem faschistischen Deutschland zu einigen, schloss die Führung der Sowjetunion im August 1939 einen Nichtangriffspakt mit Hitlerdeutschland. Am 28. September folgte der zwischen Ribbentropp und Molotow abgeschlossene Deutsch-Sowjetische Grenz- und Freundschaftsvertrag, zu dem drei geheime Zusatzprotokolle gehörten.
Zur Vermeidung eigener Kriegsbeteiligung wurden auch in der Folgezeit durch die Sowjetunion gegenüber dem faschistischen Deutschland immer wieder Zugeständnisse gemacht.
Schon der Abschluss eines „Nichtangriffspaktes“ der Sowjetunion mit dem faschistischen Deutschland war problematisch. Die Existenz von geheimen Zusatzprotokollen des für ein sozialistisches Land unwürdigen, ja völlig unannehmbaren „Grenz- und Freundschaftsvertrages“ wurde Jahrzehnte verschwiegen.
Am 22. Juni 1941 hatte infolge politischer Fehlentscheidungen nur ein Teil der sowjetischen Truppen Verteidigungsstellungen bezogen. Auf einen Überfall waren sie nicht eingestellt. Viele Divisionen erhielten erst, als sie bereits im Kampf standen den Befehl, die Truppen in die Gefechtsbereitschaft zu versetzen.
Stalin selbst hatte zuvor alle Mitteilungen von französischer wie britischer Seite sowie die Warnungen von Kundschaftern wie jener der „Roten Kapelle“ oder Richard Sorges und des eigenen Generalstabs ignoriert. Kurz vor dem faschistischen Überfall, am 15. Juni, verwies er noch auf die Freundschaft zwischen dem russischen und dem deutschen Volk sowie auf die „Dauerhaftigkeit“ des am 23. August 1939 in Moskau unterzeichneten sowjetisch-deutschen Nichtangriffspakts, der sich nun als Falle erwies. Stalin schlug alle Warnungen aus. Noch am Tag des Angriffs rollten sowjetische Züge mit für Deutschland bestimmten Gütern Richtung Westen.
Zu den Ursachen für die Niederlage in den ersten Monaten des Krieges gehört andererseits zweifellos der mit den Idealen des Sozialismus völlig unvereinbare Terror im eigenen Land. Er richtete sich auch gegen die eigene Partei.
Der Verfolgung fielen in den Jahren zwischen 1937 und 1939 große Teile des Offizierskorps der Roten Armee zum Opfer – über 40 000 Offiziere. Die Sowjetarmee verlor in diesen Jahren drei von fünf Marschällen – darunter Marschall Michail Tuchatschewski aufgrund einer faschistischen Intrige -, fünf von sechzehn Armeekommandeuren, alle Korpskommandeure, fast alle Kommandeure von Divisionen und Brigaden, etwa die Hälfte aller Regimentskommandeure. Dies ist durch nichts zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Viele Offiziere mussten im Kampf ihr Handwerk lernen. Zudem kam die eingeleitete Modernisierung zu spät um den Feind früh aufzuhalten.
Es ist für Kommunistinnen und Kommunisten anlässlich des 70. Jahrestages des Überfalls auf die Sowjetunion notwendig, auch daran zu erinnern, um zu lernen, sowie für Gegenwart wie Zukunft Schlussfolgerungen zu ziehen. Das ist auch deshalb erforderlich, weil es in den Reihen der kommunistischen Bewegung zunehmende Versuche gibt, die Verbrechen der Stalinzeit zu rechtfertigen und Fehler zu relativieren. Das nicht zuzulassen ist eine Aufgabe von weittragender Bedeutung für die Zukunft unserer Bewegung.“
Da im Sekretariat kein Konsens hergestellt werden konnte, wurde auf der PV-Tagung vom Sekretariat vorgeschlagen, diese Passage zu streichen. Dies wurde auch in einem Änderungsantrag gefordert mit der Begründung: „Die Auseinandersetzung mit den von Stalin zu verantwortenden Repressalien gegen Teile der Führung der Roten Armee kann in der vorgelegten Form nur offene Fragen aufwerfen. Sie verfehlt im Rahmen einer Stellungnahme zu diesem Jahrestag absolut ihren Zweck“.
Es war eine interessante und qualifizierte Diskussion, in der aber auch deutlich wurde, dass der Diskussionsstand über Stalin, den sich die DKP bis 1989 erarbeitet hatte, nicht mehr von allen getragen wird.
Die Redaktion von T&P schreibt nun dazu: „Der ursprünglich vorgelegte Resolutionsentwurf zum „70. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion“ wurde von einem „antistalinistischen Grundkonsens“ verfasst, der dem Dokument immer noch anhaftet, wenn auch in abgeschwächter Form.“ Deshalb wohl auch die Gegenstimmen.
Aber durchgepeitscht wurde dieser Antrag nun wirklich nicht. Und richtig perfide wird es dann, wenn wider besseren Wissens aus einer Erklärung des Landesvorstandes von Berlin zitiert wird, in der als Autor des Antrages Leo Mayer genannt wird: „Die von Leo Mayer eingebrachten Anträge zur Antwort auf die Briefe der KKE, zum 70. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion und zur oben genannten EL-Kampagne können nicht anders als ein provokativer Vorstoß, die DKP mit Brachialgewalt unter die Fittiche der EL zu bringen, gewertet werden“.
Dem Landesvorstand gehört auch Wera Richter an, die Mitglied im Sekretariat ist und den Antrag nicht mittragen wollte. Sie wusste aber, dass der Antragsentwurf nicht von Leo Mayer sondern von Nina Hager erarbeitet worden ist. Nina hat auf diese Falschbehauptung den Landesvorstand auch hingewiesen.
Eine Politik personifizieren, und dann auf diese Person einschlagen, eine bewährte Methode. Leider wohl auch in der DKP. So wird die verabschiedete Resolution missbraucht, um Stimmung gegen Leo Mayer zu machen. Der Zeitpunkt kurz vor dem Pressefest ist da wohl auch kein Zufall. Ein unwürdiges Schauspiel.
Die Redaktion von T&P schreibt: „Die Frage ist, wie wir mit diesen Widersprüchen in der Partei umgehen. Es gibt die Möglichkeit, die Differenzen weiter zu diskutieren, die Positionen an der realen Entwicklung zu überprüfen und unsere Politik so anzulegen, dass nicht die einen den anderen ihre Position in der Praxis aufzuzwingen versuchen. Und es gibt die Möglichkeit, auf Biegen und Brechen weiter zuzuspitzen“
Die Redaktion hat sich für die 2. Möglichkeit entschieden.
Michael Maercks, Berlin
Quelle: T&P, Ausgabe 25, Juni 2011 (gedruckte Ausgabe)