29.06.2011: Der Anruf erreichte mich am frühen Morgen. Ob ich schon das ND gelesen hätte, den Bericht über das UZ-Pressefest. Dort stehe drin, dass eine rechte Band aufgetreten sei, die zum bewaffneten Kampf aufgerufen habe. Und außerdem habe er gehört, dass diese Band auf einem Video den Kapitalisten als einen orthodoxer Juden mit Schläfenlocken symbolisiert habe. Und wenn dann, wie in dem Artikel steht, "Klick, klack! Bumm! Kapitalisten? Kopfschuss!" gesungen wird, wenn diese Band dann DEN Kapitalisten als "jüdisch" und DEN Juden als Kapitalisten darstellt, das auch noch gepaart mit einer Mordmentalität ("Kapitalisten? Kopfschuss!" - die jüdischen Locken als Bild), dann ist das der historisch abscheulichste Kern der deutsch-faschistischen Judenfeindschaft, des faschistischen Antisemitismus. Das ist nicht nur unvereinbar mit dem kommunistischen Humanismus seit dem "Kommunistischen Manifest", also auch unvereinbar mit den Grundpositionen der DKP, das ist auch unvereinbar mit jeder nur möglichen Breite antifaschistischer Bündnisse. Diese antijüdische Mordmentalität, dieser ganz und gar hohle Schein-Antikapitalismus ist grundsätzlich abzulehnen. Und dann kam noch ein zweiter Einwurf: Aus dem Artikel werde auch deutlich, dass wohl Dieter Dehm dahinter stecke. Der habe damit objektiv die Rolle eines Provokateurs gespielt.
Ich war erschrocken und sprachlos, hatte ich doch selber die Diskussion über die Gruppe „Die Bandbreite“ auf dem Pressefest mitverfolgt, hatte die Dokumente zur Diskussion auf diese Web-Seite gestellt und hatte auch den Auftritt der Gruppe im Anschluss gesehen. Ich fragt noch einmal nach, ob dieser Artikel wirklich im ND stehe oder nicht doch in der Bild-Zeitung. Nein, sagte er, der Artikel steht so im ND , aber eigentlich kann er das nicht glauben. Ich soll das doch mal prüfen. Gleich vorweg. Das angebliche Video existiert so nicht und es gab auch keinen Aufruf zum bewaffneten Kampf. Im Gegenteil, aber dies passte wohl nicht in des Bild des ND-Autors. In einem Kommentar zu diesem Bericht wird das Wort „Schmierenjournalismus“ verwendet. Aber es sollte sich jeder selber sein Bild darüber machen. Da wir aus urheberrechtlichen Gründen den Artikel nicht nachdrucken können, deshalb hier der Link auf das ND.
Der Artikel im ND ist vom Kölner Journalisten Marcus Meier geschrieben, der regelmäßig für das ND schreibt, unter anderem jeweils Freitags in der Kolumne „Linke und Technik“. Ob er für die Überschrift und die Unterzeile „Hip-Hop-Band rockte erst bei Schweizer Rechtspopulisten, dann beim UZ-Pressefest“ verantwortlich ist, muss offen bleiben. Aber er nimmt die Diskussion innerhalb der DKP über die Einladung der Gruppe „Die Bandbreite“ zum Anlass, mit Halbwahrheiten und Unterstellungen die DKP und ihr Fest zu diffamieren. Und es ist wohl auch beabsichtigt, mit dem Artikel Dieter Dehm anzugreifen. Zum einen haben einige aus der LINKEN versucht, den Auftritt der LINKEN mit einem eigenen Zelt auf dem Pressefest zu verhindern, zum anderen passt dies zur Diskussion über den angeblichen Antisemitismus bei der LINKEN. Und dann soll diese Auseinandersetzung auch in die DKP hineingetragen werden.
Marcus Meier zitiert Dieter Dehm mit den Worten: „Diether Dehm, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, forderte, die »Bandbreite« solle musizieren. Dehm hat nach eigener Aussage einen Auftritt der Band auf einem Liedermacherfestival ermöglicht, indem er aus eigener Tasche einen Ordnerdienst bezahlte, der Störungen verhindern sollte.“
Was er aber wissentlich verschweigt, ist, dass Dieter auf die Ereignisse im Frankfurter Club Voltaire hingewiesen hatte. Dort hatte man den Auftritt der Gruppe dadurch verhindert, dass der Club völlig demoliert wurde. Aufgerufen hatte dazu die Bewegung der „Antideutschen“, die die Band als antisemitisch bewertet und jegliche Auftritte der Gruppe verhindern will. Dies geht so, seit sich die Band kritisch zur Politik des Staates Israel gegenüber den Palästinensern geäußert hat. Dieselbe Drohung wurde auch ausgesprochen gegen die Freidenker, die die Band zum Linken Liederfestival auf Burg Waldeck eingeladen hatten. In diesem Zusammenhang hatte sich Dieter Dehm, der auch persönliche Drohungen bekommen hatte, dafür eingesetzt, das Festival auf Burg Waldeck zu sichern und den Auftritt der Band zu ermöglichen.
Es waren auch diesmal dieselben Drohungen gegen die Veranstalter des Pressefestes ausgesprochen worden. Der Ordnerdienst auf dem Fest, damit konfrontiert, konnte die Sicherheit nicht garantieren, wohl auch deshalb, weil im Raume stand, dass bei einem Auftritt der Gruppe einige Bezirke ihre Ordner für eine Absicherung dieses Auftrittes nicht zur Verfügung stellen würden. Unter diesem Druck wurde der Auftritt der Gruppe abgesagt und stattdessen eine Diskussionsrunde mit der Gruppe angesetzt. Bettina Jürgensen, die Vorsitzende der DKP, verwies auf die gezielten Mailkampagnen, um den Auftritt der Gruppe zu verhindern. Das Sekretariat sei nach Prüfung aller Vorwürfe mehrheitlich der Meinung gewesen, dass „die Bandbreite eine Gruppe ist, die sehr wohl links verortet ist, sich selbst als links begreift, die zum linken Spektrum gehört“. Sie äußerte deshalb auch Verständnis für die Reaktion von vielen Kulturschaffenden, die forderten, der Gruppe auf dem Fest die Möglichkeit eines Auftritts zu geben.
Diejenigen aus der Parteiführung, die den Auftritt der Gruppe verhindern wollten, wollten sich leider nicht an der Diskussionsrunde beteiligen. So hat nur Klaus Stein, stellv. Bezirksvorsitzender und Kreisvorsitzender aus Köln, Stellung bezogen, warum der Bezirk und der Kreis gegen den Auftritt der Gruppe ist. Er machte es fest an der Teilnahme der Band auf einer Gegenveranstaltung gegen die Bilderberg-Konferenz* in der Schweiz. Diese Veranstaltung wurde nicht nur von der Jugendorganisation der Schweizer SVP unterstützt, es traten auch SVP-Nationalräte auf. Klaus Stein erinnerte an die Aktionen gegen pro Köln im Mai dieses Jahres. Der „Marsch für die Freiheit“, zu dem pro Köln aufgerufen hatte, konnte durch ein breites Bündnis gestoppt werden. Pro Köln hatte dazu auch Vertreter der SVP eingeladen. Für Klaus hat die Gruppe Bandbreite mit dem Auftritt in der Schweiz eine Grenze überschritten. „Das ist so, als wenn die Gruppe vor Pro Köln auftritt“.
Wojna, der Sänger der Gruppe, bestritt dagegen, dass es eine SVP-Veranstaltung gewesen sei. Er gab zu, wohl zu naiv an die Sache rangegangen zu sein. “Ich dachte, die SVP sei das Pendant zur CDU in Deutschland“. Er verwies auf das Video, das zeige, dass das Publikum international war und nicht einfach der rechten Szene zugeordnet werden könne. „Es war kein rechtes Publikum. Wir haben unseren linken Standpunkt betont und haben damit verhindert, dass diese Veranstaltung von der SVP vereinnahmt werden konnte“.
Diese Argumentation konnte Klaus Stein und viele andere nicht überzeugen, die gerade in der Verwischung der Grenzen eine Gefahr sehen. Bettina verwies darauf, dass das video über den Auftritt der Band auf dieser Veranstaltung die Aussage von Wojna stützt. Sie machte auf das Problem aufmerksam, dass es in der linken Bewegung durchaus unterschiedliche Auffassungen gibt, wie man sich mit den Rechten auseinandersetzen soll. „Wir können den Gruppen nicht vorschreiben, wo sie auftreten dürfen“. Die Grenze wäre die Unterstützung einer offen faschistischen Veranstaltung, diese kann man der Bandbreite aber nicht vorwerfen.
Sowohl aus dem Publikum als auch auf dem Podium war die Forderung erhoben worden, die Gruppe auftreten zu lassen. Jahne Zahn: “Die Jungs sind phantastisch gut. Sie haben das Potential, Jugendliche und Erwachsene zum Nachdenken zu bringen. Und das will man verstummen lassen“. Auch Dieter Dehm warb für einen Auftritt: „Die Freiheit der Kunst schliesst nicht faschistisches Gedankengut ein. Wir wollen eine Unidad popular sein, und die schliesst alle ein, die gegen Imperialismus, Faschismus und Krieg sind“. Und dazu gehöre auch die Gruppe Bandbreite.
Es gab einige auf dem Platz, die den Auftritt noch verhindern wollten, aber der Protest entwickelte sich dann doch zur Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern.
Das erste Lied der Gruppe „Lieber Veranstalter“ hatte als Refrain ein Voltaire-Zitat: „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“. Am Ende ihres Auftritts wurde als Zugabe dann das Lied „Die neue Raf“ gesungen. Darin beschreibt Wojna den Versuch, ihn von der Gewaltfreiheit und zivilem Ungehorsam abzubringen.
Der ND-Autor beendet den Artikel mit den Worten: Dann rappte Wojna: »Klick, klack! Bumm! Kapitalisten? Kopfschuss!« Ist das nun links? Die Veranstalter bedankten sich jedenfalls artig.“ So das ND, und so sieht die Wahrheit aus:
Eingeleitet mit den Worten: „Wir sind Pazifisten. Könnt Ihr das bis zum Ende des Liedes behalten?“ beginnt er das Lied, in dem als Refrain die Zeile auftaucht, die der ND-Autor als Aussage nimmt. Das Lied endet aber mit einer klaren Absage an die Gewalt.
Wojna, bist du dabei?
Nein!
Und dann folgt noch eine Begründung, die sich auf der CD so anhört:
Und ich werde Dir auch sagen, warum nicht.
Ich kann Deine Wut auf die Mächtigen der Welt verstehen, die Wut auf die Ungerechtigkeit.
Aber wenn Du etwas verändern willst, dann brauchst Du einen Rückhalt im Volk.
Und sobald Du anfängst, den Pfad der Friedfertigkeit zu verlassen, werden Organisationen und Dienste in Deinem Namen Terroranschläge begehen, Dein Ansehen und Deine Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung vernichten.
Und den Mächtigen gibst Du damit die Möglichkeit, die Überwachung und Kontrolle über ihre Bürger noch weiter auszubauen, so dass Dein Ziel in immer weitere Ferne rückt.
Wenn Du etwas verändern möchtest, dann musst Du es friedlich tun.
Denn wenn Du Dich mit dem Teufel einlässt, verändert sich nicht der Teufel, der Teufel verändert Dich.
(Der vollständige Text des Songs als Anlage)
Schade, dass sich das ND dafür hergegeben hat, ein solches Pamphlet gegen die DKP zu drucken.
Das Video übrigens, in dem die Gruppe angeblich den Kapitalisten als jüdisch darstellt, ist das Video zu ihrem Palästina-Lied. Hier sind Fernseh-Bilder hinterlegt, die den Gaza-Krieg und die Situation in Gaza zeigen. Unter anderem auch eine Pressekonferenz der Hamas und ein Interview mit einem orthodoxen Rabbiner. So schnell können Legenden entstehen.
Michael Maercks
hier noch ein Link auf die Neuen Rheinischen Zeitung / NRhZ
*Die Bilderberg-Konferenz:
Dazu schrieb das ND:
Das elitäre Forum war 1954 von Prinz Bernhard der Niederlande ins Leben gerufenen worden, um die Beziehungen zwischen Westeuropa und den USA zu stärken. Der Name »Bilderberg« kommt vom ersten Konferenzort, einem Hotel im niederländischen Oosterbeek. Über die Gespräche wird traditionell völliges Stillschweigen bewahrt. Die Presse ist nicht zugelassen. Dies hat den Verdacht genährt, dass die »Bilderberger« eine Art »globale Herrschaft« und eine neue Weltordnung anstreben.
Und die FR berichtete in diesem Jahr:
Doch dieses Mal, wenn die „Bilderberger“ vom 9. bis 12. Juni im schweizerischen St. Moritz zusammenkommen, ist die Aufmerksamkeit größer: Seit Tagen berichtet die Schweizer Presse über die „Geheimkonferenz“, die nun nicht mehr so geheim ist. Die Lokalzeitung Engadiner Post, die auch in St. Moritz erscheint, fragt beispielsweise, ob für die Dauer der Konferenz Auswirkungen auf das Dorfleben zu erwarten seien. Denn es gibt atmosphärische Störungen. Ein Bündnis von Bilderberg-Kritikern hat angekündigt, während des Treffens vor Ort zu demonstrieren. Laut Angaben der Engadiner Zeitung könnten gut 1000 Personen erwartet werden, die sich im Internet zusammengeschlossen haben. Vor allem um die Aktivistenseite wearechange.ch und den Polit-Blog Alles Schall und Rauch formiert sich seit längerem eine Gegenöffentlichkeit, die in den Treffen eine Gefahr für die Demokratie sieht.