Die Linke verliert mit «Jein» zu Europa auf dem gesamten Kontinent
27.05.2019: Spätestens mit der Ankündigung des griechischen Präsidenten Alexis Tsipras, nach der Wahlniederlage von Syriza in Griechenland Neuwahlen auszurufen, wurde der sich bereits abzeichnende Abwärtstrend nahezu der gesamten europäischen Linken bittere Gewissheit. Bereits vor den Wahlen deutete sich an, dass die Linke in Europa im besten Falle mit stabilen Ergebnissen in einigen Ländern abschneiden würde, wie zum Beispiel in Irland und Portugal, aber aus keinem EU-Mitgliedsland wirkliche Erfolge würde vermelden können.
Fraktionen im Europäischen Parlament
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Das unerwartet dramatische Wahlergebnis der Partei DIE LINKE in Deutschland (siehe hierzu die detaillierte Analyse von Horst Kahrs) kündigte sich in Umfragen an und auch in anderen europäischen Ländern blieb die Linke hinter ihren Erwartungen zurück.
So konnte der bei den Präsidentschaftswahlen in 2017 in Frankreich überraschend als Dritter hervorgegangene Jean-Luc Mélenchon nur 6,6% hinter seine Bewegung La France insoumise bringen, gleichwohl diese – im Gegensatz zur deutschen Linken – deutlich europakritischer ist. Laut einer Analyse der französischen Tageszeitung Libération wählte eine Mehrheit derer, die in der Bewegung der Gelbwesten protestieren, die rechtsextreme Bewegung Rassemblement National von Marine Le Pen (ehemals Front National).
DIE LINKE kommt mit 2.056.010 Stimmen - 112.445 weniger als bei der Europawahl 2014 – auf 5,5%. Aufgrund der höheren Wahlbeteiligung ein Minus von 1,9 Prozentpunkten. "Die Linke geht erstmals in ihrer Geschichte als Linkspartei mit einer fünf vor dem Komma aus einer bundesweiten Wahl hervor. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Ein Grund dürfte die für viele unklare Haltung gegenüber der Europäischen Union und ihrer Reformierbarkeit sein, so dass der Wahlslogan »Macht Europa sozial« politisch in der Luft hing. Ein zweiter Grund ist die traditionell niedrigere Mobilisierungsfähigkeit der Partei bei europäischen Wahlen im Vergleich zur Bundestagswahl. Und ein dritter Grund ist in der Vielzahl konkurrierender kleinerer Parteien zu finden, die für Wähler der Linken bei einer fehlenden Sperrklausel ebenfalls wählbar sind. Die Wahlschlappe wird zwar überdeckt durch den Wahlerfolg in Bremen, dürfte gleichwohl aber mit Blick auf die kommenden Vorstandswahlen in Fraktion und Partei die innerparteilichen Debatten um die strategische Ausrichtung wieder neu beleben." |
Dass in Großbritannien die Europawahlen vor dem Hintergrund des Brexit-Gerangels und Mays am Donnerstag bereits sichtbar bevorstehenden Rücktritts in den Hintergrund treten würden, war zu erwarten. Das Gesamtergebnis der Labourpartei liegt mit 14,6% aber am unteren Rand der bereits negativen Befürchtungen. Auch hier konnten die Liberalen sich noch mit 6% Vorsprung deutlich vor die Labourpartei setzen, die in UK sowohl Linke als auch Sozialdemokratie gleichermaßen präsentiert. Die irische Sinn Féin allerdings konnte an ihr letztes Europawahlergebnis anknüpfen und wird wieder mit vier Abgeordneten im Europaparlament vertreten sein.
In Spanien konnte das Bündnis Unidos Podemos zwar mit 11,6% und fünf Sitzen ein stabiles Ergebnis vorweisen, bedenkt man jedoch, dass Pablo Iglesias 2015 noch als nächster spanischer Präsident gehandelt wurde, muss auch dieses Ergebnis als deutlicher Einbruch linker Wahlerfolge in Europa gewertet werden.
In Portugal bleiben die linken Parteien um Bloco de Esquerda (+1 Sitz) und Coligação Democrática Unitária (-1 Sitz) insgesamt mit vier Sitzen und 19% stabil und gehen als drittstärkste Kraft aus den EP-Wahlen in Portugal hervor. Die sozialdemokratische PS gewinnt mit 33,3% einen Sitz hinzu und die grüne PAN kann mit 5% erstmalig mit einem Sitz ins EP einziehen.
In Italien verpasst das linke Parteienbündnis SI mit 1,9% den Einzug ins Europäische Parlament, obwohl 2014 die linke Partei «L’altra Europa con Tsipras», die in diesem Jahr nicht antrat, noch 3 Sitze bzw. 4% gewinnen konnte. Mit Lega kommt eines der Schwergewichte der rechten Fraktion im EP aus Italien, wo die Partei von Salvini mit 28 Sitzen bzw. 33,6% stärkste Partei wird. Die Sozialdemokraten vom Partito Democratico folgen mit 23,5% und die 5-Sterne-Bewegung mit 16,7%. Letztere werden sich voraussichtlich der rechtspopulistischen EFDD-Fraktion anschließen.
Auch in Südosteuropa konnte die Linke nicht an die Erfolge der letzten Wahlen anknüpfen. So verfehlte das Linksbündnis Levica nach jetzigem Stand der Ergebnisse den Einzug ins EU-Parlament, nachdem es bei den slowenischen Parlamentswahlen im letzten Jahr sehr gut abgeschnitten hatte. In Osteuropa konnte keine linke Partei Erfolge verzeichnen.
Dass Syriza die in Griechenland noch für Juni zu erwartenden Wahlen gewinnen wird, ist nicht unmöglich, aber nach den gestrigen Ergebnissen nicht unbedingt wahrscheinlich. Obwohl Syriza gegenüber 2014 keine maßgeblichen Verluste verzeichnet hat, ging die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia mit 33,3% als stärkste Kraft aus den EU-Wahlen in Griechenland hervor.
(Ergänzung von kommunisten.de: Zwar verlor Syriza knappe 3 Prozentpunkte, holte aber mit 23,7 Prozent immer noch das zweitbeste Ergebnis aller Linksparteien in Europa – hinter AKEL aus Zypern mit 27,5 Prozent. Starke Verluste musste die Sozialistische Partei (SP) der Niederlande hinnehmen; sie stürzte von 9,6 auf 3,4 Prozent ab. Die Sinn Féin in Irland sank von 19,5 auf 13 Prozent. In Tschechien ging der Stimmenanteil der Kommunistische Partei Böhmens und Mährens KSČM von 11 auf 6,9 Prozent zurück.)
Erste Analysen deuten an, dass die Linke in Europa auf den Stand von 1989 zurückgefallen sein könnte. Ein kleiner Lichtblick ist in Belgien zu verzeichnen, wo die PTB-PVDA (Parti du Travail de Belgique) einen Sitz gewinnen konnte und damit ins Europäische Parlament einzieht.
Ungeachtet dessen haben die Austeritätspolitik der Europäischen Union und das Dogma des Neoliberalismus einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung der nationalistischen und rassistischen Parteien geleistet. Wir sind mit einem klaren Kurs in den Wahlkampf gegangen: Wir wollen ein soziales, friedliches, ökologisches Europa. Dazu müssen wir die EU von Grund auf verändern. Diese Einheit ist ein Fortschritt, der sich auf lange Sicht auszahlen wird. Dennoch ist es uns nicht gelungen, mit unseren politischen Angeboten genügend Menschen zu gewinnen. Es stellt sich heraus, dass die Linke den aktuellen politisch-kulturellen Kampf mit ihren politischen Positionen nicht erfolgreich durchdringen kann. Unabhängig davon möchte ich allen Aktivist*innen in den einzelnen Ländern danken, die sich für eine starke Linke eingesetzt haben. Insbesondere möchte ich unseren beiden Spitzenkandidaten Violeta Tomic und Nico Cue für ihren entschlossenen Kampf danken. Für die nächste Zeit brauchen wir eine eigene Analyse der Wahlergebnisse in Europa und eine politische Debatte in den Ausschüssen der Mitgliedsparteien und in unserer Partei. Wir sollten auch über eine neue Netzwerkstrategie nachdenken. Gregor Gysi, Präsident der Partei der Europäischen Linken |
Für die Fraktion der Linken im Europäischen Parlament bedeuten die Ergebnisse einen Wegfall von ca. 10 Sitzen auf 42 Mandate. Da es vermutlich drei Fraktionen rechts des großen Blocks der Konservativen geben wird, wird es trotz des Höhenflugs der Grünen vor allem in Deutschland und Frankreich eng für progressive Politik im Europäischen Parlament.
Ergebnisse der Wahl des Europäischen Parlaments: |
Das Ergebnis der Linken in Europa macht deutlich, dass es in den kommenden Jahren einer eindeutigen Entscheidung jenseits des «Jein» vieler linker Parteien zu Europa bedarf, da dieses augenscheinlich nicht zu vermitteln ist. Die leider enormen Wahlerfolge einerseits rechter, europakritischer Parteien und andererseits liberaler und grüner Parteien mit pro-europäischem Ansatz machen dies umso deutlicher. Diese Entscheidung wird umso schwieriger, da Brüssel in den kommenden fünf Jahren wahrscheinlich aus einem Bündnis zwischen liberalen und konservativen Kräften regiert wird und keine Ziele verfolgen wird, die das Europa-Bild im linken Spektrum verbessern werden.
Übernommen von Rosa-Luxemburg-Stiftung
Autorin: Johanna Bussemer
Quelle: https://www.rosalux.de/news/id/40481/ende-des-linken-aufschwungs-in-europa/
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