12.11.2019: Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei (PSOE), Pedro Sánchez, und Pablo Iglesias (Unidas Podemos) haben sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung geeinigt ++ 10 Punkte für eine progressive Regierung
Heute (12.11.) haben Pedro Sánchez und Pablo Iglesias im Abgeordnetenhaus die vorläufige Vereinbarung für eine "progressive Koalitionsregierung" für die nächsten vier Jahre unterzeichnet. An der Zeremonie nahmen auch der Bundeskoordinator von Izquierda Unida, Alberto Garzón, und einige andere Abgeordnete teil.
"Die PSOE und Unidas Podemos haben eine Vorvereinbarung zur Bildung einer fortschrittlichen Koalitionsregierung getroffen, die Spanien als Bezugspunkt für den Schutz der sozialen Rechte in Europa positionieren wird", heißt es in der Präambel.
"Was im April eine historische Chance war, ist heute zu einer historischen Notwendigkeit geworden", sagte Pablo Iglesias (Podemos) bei der Unterzeichnung des Bündnisses mit den Sozialisten. Er betonte, dass die Regierung "die Erfahrung der PSOE mit dem Schwung von Unidas Podemos verbinden wird".
"Die Vereinbarung, die wir hier vorstellen, war vor den Wahlen nicht möglich, obwohl wir sehr nah dran waren", sagte Pedro Sanchez (PSOE). Aber jetzt sei das Projekt "so vielversprechend, dass es jede Meinungsverschiedenheit überwindet".
Alberto Garzón (Izquierda Unida), dessen Ziel es war, "eine Regierung gegen die extreme Rechte zu bilden und die Arbeiterfamilien zu verteidigen", erklärte: "Wir haben eine Einigung über eine Koalitionsregierung zwischen Unidas Podemos und PSOE erzielt. Heute ist ein Tag des Feierns. Danke an all die Aktivist*innen, die dafür gekämpft haben, dass so weit kommen konnten. Wir haben gezeigt, dass man es schaffen kann."
10 Punkte einer progressiven Regierung
Das gemeinsam unterzeichnete Dokument benennt in zehn Punkten die "prioritären Aktionsschwerpunkte der progressiven Koalitionsregierung".
Im ersten Punkt geht es um die "Konsolidierung von Wachstum und Schaffung von Arbeitsplätzen" sowie um "Bekämpfung der Prekarität auf dem Arbeitsmarkt und Gewährleistung menschenwürdiger, stabiler und qualitativ hochwertiger Arbeit".
Die Koalitionsregierung wird die kleinen und mittleren Unternehmen und die Selbständigen stärken sowie "Reindustrialisierung und den Primärsektor" fördern.
Desweiteren gehören die Bekämpfung der Korruption und der Schutz öffentlicher Dienstleistungen - unter anderem Bildung, Gesundheit und Altersvorsorge -, sowie die Gewährleistung von Renten und Wohnen "als Recht und nicht als bloße Ware" zu den Prioritäten der künftigen Regierung.
Einen eigener Punkt ist der "Bekämpfung des Klimawandels" gewidmet. Es geht dabei um einen "gerechten ökologischen Transformationsprozess, Schutz unserer biologischen Vielfalt und die Garantie eines würdevollen Umgangs mit Tieren".
Der Punkt sieben steht unter dem Motto "Feministische Politik: Gewährleistung der Sicherheit, Unabhängigkeit und Freiheit von Frauen durch den entschlossenen Kampf gegen männliche Gewalt, gleiches Entgelt, die Einführung eines gleichen und nicht übertragbaren Vaterschafts- und Mutterschaftsurlaubs, die Beendigung des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und die Ausarbeitung eines Gesetzes zur Gleichstellung am Arbeitsplatz."
In der Vereinbarung geht es auch um die Gewährleistung des Rechts auf Kultur und die Förderung des Sports.
Ein schwieriger Punkt ist Katalonien, wo PSOE und Unidas Podemos unterschiedlich Positionen einnehmen. Während die PSOE im Wesentlichen die traditionelle Haltung des zentralistischen spanischen Staates teilt, tritt Unidas Podemos für einen föderales Spanien und das Recht auf ein Referendum ein und verurteilt die Haftstrafen für katalanische Politiker*innen.
In der Übereinkunft ist nun geregelt, dass sich die Regierung um die "Gewährleistung des Zusammenlebens in Katalonien" kümmern will (Punkt neun). " Die spanische Regierung wird es sich zur Priorität machen, das Zusammenleben in Katalonien und die Normalisierung des politischen Lebens zu gewährleisten. Zu diesem Zweck wird in Katalonien der Dialog gefördert, indem nach Formeln des Verständnisses und der Begegnung gesucht wird, die stets im Rahmen der Verfassung liegen. Auch der Status der autonomen Regionen wird gestärkt, um eine angemessene Bereitstellung der Rechte und Dienstleistungen, für die sie zuständig sind, zu gewährleisten."
Es gibt auch Hinweise auf das "entleerte Spanien", und das Abkommen endet mit einer Verpflichtung zur "Steuergerechtigkeit und zum Haushaltsausgleich".
Obwohl PSOE (120 Sitze) und Unidas Podemos (35 Sitze) nach der Wahl vom Sonntag nicht über eine eigene Mehrheit im Parlament verfügen, sind die beiden Parteien optimistisch, mit anderen kleineren Parteien die erforderliche Mehrheit von 176 Stimmen zusammen zu bekommen.
Bei der Wahl am Sonntag gab es Zugewinne für die Rechte sowie eine starke Verschiebung innerhalb des rechten Lagers zugunsten der Faschisten: Die rechtsextreme, rassistische Vox war im Jahr 2016 auf lediglich 47.000 Stimmen (0,2 %) gekommen, im April 2019 kam sie schon auf 2,7 Millionen (10 Prozent und 24 Sitze) und am 10. November auf 3,6 Millionen Stimmen (15 %); wächst von 24 auf 52 Mandate und wird drittstärkste Kraft. Die rechts-konservative Volkspartei PP gewinnt 22 Mandate dazu und bleibt mit 88 Abgeordneten zweitstärkste Parlamentsfraktion. Der große Verlierer sind die rechts-neoliberalen Ciudadanos, die von 57 auf 10 Mandate abstürzen. (Sitzverteilung siehe weiter unten)
Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Spaniens PCE, Enrique Santiago, erklärte zu dem Abkommen: "Wir begrüßen die Ernsthaftigkeit der PSOE, eine Einigung zu erzielen: Wir brauchen eine Regierung, die unseren Bürger*innen soziale Stabilität garantiert. Wir werden auf ein fortschrittliches Programm hinarbeiten, um zu verhindern, dass die Krise von der Arbeiterklasse bezahlt wird, und um den Faschismus zu stoppen."
"Wir haben die extreme Rechte mit 52 Sitzen im Kongress, wir müssen die Türen schließen: Wir dürfen unsere Bevölkerung nicht enttäuschen, und der einzige Weg ist, ein menschenwürdiges Leben für alle zu garantieren, und indem wir die extreme Rechte zurückdrängen, bis sie wieder im Mülleimer der Geschichte landet."
Enrique Santiago
Auch die Vorsitzenden der Gewerkschaften CCOO und UGT, Unai Sordo und Pepe Álvarez, äußerten ihre Zufriedenheit über das Zustandekommen des Paktes. "Das ist die Regierung, die Spanien braucht", freut sich Pepe Álvarez, der erklärte, dass er den Pakt mit "großer Zufriedenheit entgegengenommen habe, wie die große Mehrheit der Bürger*innen, die am Sonntag mehrheitlich für eine Regierung des Fortschritts stimmte".
Für den Generalsekretär der CCOO, Unai Sordo, ist die heute unterzeichnete Vereinbarung "eine gute Nachricht für Spanien". Jetzt sei es notwendig, "mehr Unterstützung für eine parlamentarische Mehrheit und für eine Regierung für die Mehrheit zu suchen". Spanien dürfe "nicht zu einem Prozess der internen Abwertung oder eines Gewichtsverlustes der öffentlichen Dienste zurückkehren, weil es die Bürger*innen in eine sehr gefährliche Unzufriedenheit mit der Politik und dem Gemeinwesen ziehen kann", warnt Sordo.
Demgegenüber fordern die zwei wichtigsten Unternehmerverbände CEOE und Cepyme in einer gemeinsamen Erklärung, dass "es unerlässlich ist, von Haushaltsdisziplin zu sprechen". Angesichts der "wirtschaftlichen Verlangsamung" bestehen sie darauf, dass "die anstehenden Reformen vorangetrieben werden müssen", wie zum Beispiel Steuersenkungen für Unternehmen und die Beseitigung der Erbschaftssteuer.
Sitzverteilung im Parlament
Grafik: eldiario.es