20.08.2021: Der bekannte britische Filmregisseur und Drehbuchautor Ken Loach wurde aus der Labour-Partei ausgeschlossen. Er wurde rausgeschmissen, weil er sich mit anderen linken Gruppen in der Partei solidarisiert hat, die wegen des an den Haaren herbeigezogenen Vorwurfs des Antisemitismus wie auch wegen ihrer Verbundenheit mit Jeremy Corbyn, Labour-Vorsitzender von 2015 bis 2020, aus der Partei ausgeschlossen wurden.
"Die Labour-Zentrale hat schließlich entschieden, dass ich nicht geeignet bin, Mitglied der Labour-Partei zu sein, da ich mich nicht von den bereits Ausgeschlossenen distanziert habe. Nun... ich bin stolz darauf, den guten Freunden und Genossen, die Opfer der Säuberung wurden, zur Seite zu stehen. Starmer und seine Clique werden niemals eine Volkspartei führen. Wir sind viele, sie sind wenige. Solidarität". So lautete die Botschaft des 85-jährigen Ken Loach, der umgehend von einer Welle der Empörung über seinen Ausschluss überrollt wurde (siehe: https://twitter.com/hashtag/StandWithKenLoach).
Ken Loach ist das jüngste prominente Opfer der Parteisäuberung, die unter dem Vorsitzenden Keir Starmer mit dem Ziel angelaufen ist, den linken Flügel kaltzustellen und die fünf Jahre linker Labour-Politik unter Jeremy Corbyn vergessen zu machen.
Begonnen wurde die Säuberung im Oktober vergangenen Jahres mit dem Rauswurf des ehemaligen Vorsitzenden selbst. Der Vorwurf: Corbyn habe während seiner Amtszeit angebliche antisemitische Vorfälle nicht mit der nötigen Sorgfalt und Dringlichkeit behandelt. Corbyn verteidigte sich und sagte, dass das Problem des Antisemitismus in der Labour-Partei "aus politischen Gründen dramatisch übertrieben″ werde. Ein Disziplinarausschuss des Nationalen Parteivorstandes (NEC) nahm daraufhin den Ausschluss zurück, aber diese Rücknahme wurde von Starmer blockiert.
Die Parteiführung verfügte, dass die lokalen Labour-Verbände den Rauswurf nicht debattieren dürften. Taten sie es trotzdem, wurden sie ebenfalls aus der Partei geworfen. Nach internen Zahlen ist die Labour-Partei in den vergangenen 16 Monaten um über 100.000 Mitglieder geschrumpft.
Anfang Juli schloss der Nationale Parteivorstand (NEC) verschiedene "radikale" linke Corbyn-Gruppen mit Tausenden Mitgliedern aus, darunter Resist, Labour Against the Withch-hunt und das Labour In Exile Network. Die ersten beiden protestierten gegen die politische Instrumentalisierung von Antisemitismusvorwürfen, und die andere solidarisierte sich mit den Vielen, die ausgeschlossen wurden oder ihre Mitgliedschaft aus Abscheu vor dem prinzipienlosen Rechtskurs der Labour-Führung und den Repressalien gegen den linken Flügel nach der Ära Corbyn aufgegeben haben. Eine marxistische Jugendgruppe mit dem Namen Socialist Appeeal wurde ebenfalls verboten.
Graham Bash, ein Labour-Veteran und Vorsitzender der South Thanet Labour Party, äußerte: "Der Ausschluss von Ken ist ein äußerst destruktiver und törichter Akt der Labour-Führung, den sie noch bereuen wird. Ken ist ein äußerst talentierter und aufrichtiger Sozialist und wir können es uns nicht leisten, ihn zu verlieren". Aufgrund dieser Stellungnahme ist er jetzt selbst vom Parteiausschluss bedroht. Bash bekräftigt: "Ich werde weiterhin für den Sozialismus in Großbritannien und international kämpfen - innerhalb der Partei, wenn ich darf, außerhalb, wenn ich muss." [1]
Der in Nazaret im Norden Israels lebende Journalist Jonathan Cook erinnert anlässlich des Parteiausschlusses von Loach an seinen Artikel vom April 2020, in dem er schrieb: "Das Verbrechen des Filmemachers - wie das von Corbyn - war nicht Antisemitismus, sondern die Erinnerung an eine Zeit, als Klassensolidarität den Kampf für eine bessere Welt inspirierte. .. Es sollte kaum Zweifel daran geben, dass Loach sowohl ein Antirassist als auch ein entschiedener Verfechter der Machtlosen und Unterdrückten ist." [2]
"Keir Starmer ist völlig unglaubwürdig und ein totaler Lügner...wirklich prinzipienlos. Und soweit ich sehen kann, ist es seine Absicht, eine kleine Partei ohne lästige Aktivisten zu haben, ohne ein transformatives Programm."
Ken Loach
Mit der Parteisäuberung versucht Keir Starmer alle Widerstände in Labour gegen seinen Rechtskurs zu beseitigen. In einem Interview mit der Financial Times sagte er kürzlich, Labour müsse Tony Blairs politisches Erbe wiederfinden. Da sind ihm die Linken im Wege.
″Loachs Ausschluss zielt darauf ab, die Linke zu demoralisieren und aus der Partei zu treiben«, twitterte Gaya Sriskanthan, Co-Vorsitzende der linken Labour-Organisation Momentum. Sie fordert progressive Mitglieder auf, unbedingt in der Partei zu bleiben. Denn obwohl die Linke derzeit schwach aussieht, hat sie dank ihrer zahlenmäßigen Stärke viele interne Wahlen gewonnen.
Was den legendären Regisseur betrifft, so war er bereits zusammen mit anderen bekannten Persönlichkeiten wie Corbyn, Bernie Sanders, Brian Eno und Roger Waters in die Vorwürfe und das absichtliche Durcheinander von Antisemitismus und Antizionismus verwickelt worden. Loach war massiven Angriffen ausgesetz, als er 2018 von 30 Labour-Abgeordneten, die sich an einer Kampagne gegen parteinterne Gegner mit dem Vorwurf des Antisemitismus beteiligt hatten, gesagt hatte, dass "sie es sind, die rausgeworfen werden müssen" und dass die Vorwürfe des Antisemitismus "übertrieben oder falsch" seien.
Zur Verteidigung von Ken Loach gegen absurde Antisemitismus-Vorwürfe |
Loach trat der Labour-Partei in den frühen 1960er Jahren bei und verließ sie während der Blair-Ära in den 1990er Jahren nach 30 Jahren. Mit dem Amtsantritt von Jeremy Corbyn im Jahr 2015 wurde er wieder Mitglied.
Ken Loach ist auch außerhalb Großbritanniens mit seinen Filmen wie ″Sorry We Missed You″ kein Unbekannter. Mit seinem Kriegsdrama ″The Wind that Shakes the Barley″ und besonders dem Film ″Ich, Daniel Blake″ gewann er bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2006 und 2016 jeweils die Goldene Palme.
Anmerkungen
[1] Morning Star, 17.8.2021: "Veteran Labour member warns ‘witch-hunt’ is ‘endangering the very existence’ of the party"
https://morningstaronline.co.uk/article/b/veteran-labour-member-warns-witch-hunt-is-endangering-the-very-existence-of-the-party
[2] Jonathan Cook, 8.4.2020: "The smearing of Ken Loach and Jeremy Corbyn is the face of our new toxic politics"
https://www.jonathan-cook.net/blog/2020-04-08/ken-loach-smears-toxic-politics/