08.11.2013: "Polizei hat soeben die Studios des griechischen Rundfunks besetzt. ... Es geht nicht nur um ERT. Es geht nicht nur um unsere Jobs. Es geht um die Demokratie! Bemüht Euch nicht um Legalität, verteidigt die Demokratie, ... verteidigt die Würde und Ehre, Schulter an Schulter. ... Weil wir uns auf den Straßen gemeinsam treffen, weil wir den gleichen Kampf gemeinsam führen, rufen wir Euch auf, jetzt zur Zentrale des staatlichen Rundfunksenders ERT zu kommen. Die Stimme des griechischen Radios wird zum Schweigen gebracht." Mit diesen letzten Worten des Moderators brach gestern am frühen Morgen um 4:20 Uhr die Sendung von ERT ab.
Anti-Aufstandseinheiten der Polizei hatten am Donnerstag im Morgengrauen die Zentrale des Staatsrundfunks ERT gestürmt und dutzende Mitarbeiter festgenommen. Diese hatten den Rundfunkbetrieb in Eigenregie und ohne Bezahlung aufrechterhalten, nachdem die griechische Regierung den staatlichen Sender vor fünf Monaten eingestellt hatte. Die konservative Regierung begründete die verfassungswidrige Einstellung des hochdefizitären Senders mit Staatsverschuldung und EU-Vorgaben. Nachdem die Polizei die Kabel zu den Sendeeinrichtungen gekappt hatte, war der Sendebetrieb über Internet aufrechterhalten worden.
"So geht der Faschismus vor"
Nach den Überfällen der Polizei auf Wohnungen und Häuser in Chalkidiki, mit dem Ziel den Widerstand gegen die Goldmine zu kriminalisieren und zu zerstören, der Zwangsverpflichtung streikender Lehrer, Transport- und Hafenarbeiter, den Polizeiüberfällen auf Sozialkliniken in Athen und Thessaloniki ist die Räumung der Rundfunkanstalt nun ein bisheriger Höhepunkt der 'Law and Order'-Kampagne des griechischen "Staates im Ausnahmezustand". Bei der Räumung der ERT-Gebäude setzte die Polizei Tränengas ein, riegelte das Areal ab, versperrte den Zugang zum ERT-Areal. "So geht der Faschismus vor, verschlagen und im Dunkeln", sagte Journalistin Adrianna Bili, die Beamte aus dem Gebäude brachten.
Zeitgleich zum Überfall auf ERT verhängte die Regierung Disziplinarstrafen gegen Beschäftigte an den Universitäten. Diese streiken seit neun Wochen gegen die Zerstörung der Hochschulausbildung und gegen Entlassungen. Die Leitungen der Universitäten weigern sich, Listen für Entlassungen zu erstellen. Acht Universitäten und Hochschulen haben den Betrieb eingestellt.
Internationaler Tag der Solidarität mit der Bevölkerung Griechenlands
"Zur gleichen Zeit – Tag für Tag – verstößt und demontiert das delegitimierte Regime der pro-Troika-Regierung in einem 'Staatsstreich' alle verfassungsrechtlichen und demokratischen Verfahren. Dieser Autoritarismus erreicht einen Höhepunkt zu dem Zeitpunkt, in dem die Troika das Land besucht, um mit der griechischen Regierung die nächsten Austeritätsmaßnahmen zu entwerfen", heißt es von Seiten der Partei der radikalen Linken SYRIZA.
Das griechische Netzwerk 'Solidarität für Alle' ruft für Samstag, 9.11., zu Massendemonstrationen auf, kombiniert mit einem Internationalen Tag der Solidarität mit der Bewegung gegen die Goldmine in Chalkidiki und des Protestes gegen die Repressionsmaßnahmen der griechischen Regierung.
Informationsmonopol der Privaten
Der Überfall auf ERT erfolgte nahezu zeitgleich mit einem Regierungsgeschenk an die Privatsender. Vor zwei Tagen hat die griechische Regierung den Privaten die neuen digitale Linzenzen kostenlos überlassen. Nach der Schließung des staatlichen Radios und Fernsehens ERT beeinflussen nur noch eng mit der Regierung verbundene private Fernsehsender die öffentliche Meinung. Da ist es ein schwerer Schlag, dass nun auch noch die Kommunistische Partei Griechenland (KKE), die als Einzige im linken Spektrum über einen landesweiten Fernsehsender verfügte, diesen für 3,7 Millionen Euro an eine Holding in Zypern verkauft hat. Wegen finanzieller Schwierigkeiten war das TV Programm bereits im Sommer 2012 eingestellt worden. Linke Journalisten hatten vorgeschlagen, den Sender als gemeinsames Projekt der linken Kräfte Griechenlands zu betreiben, um der bürgerlichen Propaganda etwas entgegensetzen zu können. Dieser Vorschlag war von der KKE kategorisch abgelehnt und kürzlich mit dem Verkauf an einen Investor beantwortet worden.
Valencias TV eingestellt
Die Angriffe auf die öffentlichen Rundfunk- und TV-Anstalten beschränken sich nicht nur auf Griechenland. Die Regionalregierung in Valencia, Spanien, stellt ihr öffentliches, mit 1,1 Milliarden verschuldetes Regionalfernsehen ein. Dem Hauptstadtfernsehkanal Telemadrid droht laut Medienberichten ein ähnliches Schicksal. Andere staatliche TV-Regionalsender in Spanien müssen drastisch sparen. So wird Platz gemacht für das Informationsmonopol der privaten Medienkonzerne im Kampf um die Köpfe.
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