23.05.2015: Mit „einer noch nie dagewesenen Erpressung“ wollen die europäischen und internationalen Institutionen das griechische Volk und die Linksregierung in die Knie zwingen. „In diesen kritischen Augenblicken rufen wir zu Aktionen sozialer und politischer Solidarität auf“, um Europa „weg von der verheerenden Austeritätspolitik hin zu einem Modell des nachhaltigen Wachstums umzugestalten“. So steht es in einem Appell, mit dem Tasos Koronakis, Sekretär des Zentralkomitees von Syriza, zu Aktionen und Kampagnen in an allen Orten und in allen Ländern Europas aufruft. Denn der Kampf Griechenlands sei nicht auf seine nationalen Grenzen beschränkt, vielmehr habe die Stunde der Wahrheit für ganz Europa geschlagen.
Liebe Freundinnen und Freunde!
Nach nunmehr fast vier Monaten intensiver Verhandlungen steht unser europäisches Projekt vor einem Augenblick der Wahrheit. Die von SYRIZA geführte Regierung tut ihr Bestes, um mit den europäischen und internationalen Partnern ein Abkommen zu erreichen, das sowohl die Verpflichtungen Griechenlands als Mitglied der Europäischen Union als auch das Mandat respektiert, das ihr durch die Wahlen durch die griechische Bevölkerung erteilt wurde.
Die SYRIZA-Regierung hat bereits eine Reihe von Reformen auf den Weg gebracht, die sowohl die Korruption als auch die weit verbreitete Steuerhinterziehung in Angriff nehmen. Die Staatsausgaben sind eingeschränkt worden, die Steuereinnahmen übertreffen die Erwartungen, sodass (von Jänner bis April 2015) ein primärer Budgetüberschuss von 2,16 Milliarden erzielt wurde, der den anfänglich geschätzten erreichbaren Budgetüberschuss von 287 Millionen bei weitem übertrifft. Griechenland ist auch all seinen Schuldenverpflichtungen aus eigenen Mitteln nachgekommen – ein einmaliger Fall unter den europäischen Nationen –, da seit August 2014 jedwede Auszahlung von Erträgen aus dem Verkauf von Staatspapieren ausgesetzt wurde.
Nunmehr sind vier Monate erschöpfender Verhandlungen vergangen, in denen die Kreditgeber noch immer darauf beharren, dass die von SYRIZA geführte Regierung das Austeritätsprogramm umsetzt, das die Menschen in Griechenland in den Wahlen vom 25. Jänner eindeutig abgelehnt haben. Die von den Institutionen orchestrierte und herbeigeführte Erstickung der Liquidität hat zu einer kritischen Situation der Finanzen unseres Landes geführt, weshalb es für Griechenland unmöglich geworden ist, seinen unmittelbar bevorstehenden Schuldenverpflichtungen nachzukommen.
Die griechische Regierung hat ihr Bestes getan, um ein Abkommen zu erreichen, aber rote Linien – diese betreffen nachhaltige und nicht unrealistische Primärüberschüsse, die Wiederinkraftsetzung von Kollektivverträgen und des Mindestlohns, den Schutz der Arbeitenden vor massiven Kündigungen, den Schutz von Löhnen, Gehältern und Pensionen und des sozialen Sicherungssystems vor weiteren Einschnitten, die Notprivatisierungen – müssen respektiert werden. Die Geduld und der gute Wille der Menschen in Griechenland dürfen nicht als Bereitschaft missverstanden werden, sich einer noch nie da gewesenen Erpressung zu beugen. Die europäische Demokratie darf nicht auf diese Weise erstickt werden.
Wir erleben entscheidende Zeiten. Von unseren europäischen Partnerinnen und Partnern brauchen wir eine Bekundung ihres politischen Willens zur Überwindung der momentanen Pattsituation. Das ist nicht bloß ein Aufruf zur Solidarität, sondern einer zur gebührenden Achtung der wichtigsten europäischen Werte.
Innerhalb dieses Rahmens appelliert SYRIZA an alle fortschrittlichen und demokratischen sozialen und politischen Akteurinnen und Akteure, die anerkennen, dass der Kampf Griechenlands nicht auf seine nationalen Grenzen beschränkt ist, sondern einen Kampf um Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Europa darstellt.
In diesen kritischen Augenblicken rufen wir zu Akten sozialer und politischer Solidarität auf, die von Kundgebungen zu Aufklärungskampagnen in ganz Europa reichen und die sowohl Initiativen auf institutioneller Ebene, in lokalen, regionalen und nationalen Parlamenten, als auch Unterstützungserklärungen durch Einzelpersonen und durch Gruppen für die Bemühungen Griechenlands beinhalten, das europäische Paradigma weg von der verheerenden Austeritätspolitik hin zu einem neuen Modell des nachhaltigen Wachstums umzugestalten.
Ihre und Eure Unterstützung ist von äußerster Wichtigkeit, nicht nur für die Menschen in Griechenland, sondern für das Schicksal der europäischen Idee.
Mit unseren herzlichsten Grüßen,
Tasos Koronakis
(Sekretär des Zentralkomitees von SYRIZA)
Athen, 18. Mai 2015
Übersetzung: Hilde Grammel
Weitere Information in der jüngsten Erklärung des Politischen Sekretariats von SYRIZA
Quelle: transform
Terminhinweis:
Am 31. Mai kommt der griechische Außenminister Nikos Kotzias nach Marburg. Auf einer Veranstaltung der Bundestagsfraktion wird er gemeinsam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE Wolfgang Gehrcke und der hessischen Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig über die aktuelle Situation in Griechenland debatieren. Es wird eine gute Gelegenheit sein, mehr von der Politik der Syriza-Regierung, von all ihren Schwierigkeiten und ersten Erfolgen im Originalton zu hören. Für das Kulturprogramm sorgen die Sängerin und Schauspielerin Gina Pietsch mit einem Mikis-Theodorakis-Programm und der Bundestagsabgeordnete Diether Dehm, der Brecht singen wird.
siehe auch
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- Die Lage spitzt sich zu – Zum Stand der Verhandlungen zwischen Athen und den „Institutionen“ (NachDenkSeiten – Die kritische Website)
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