22.11.2024: Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und seinen Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen "des Kriegsverbrechens des Aushungerns als Mittel der Kriegsführung und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen" erlassen. ++ Alle 124 Vertragsstaaten des IStGH sind nun verpflichtet, die beiden Israelis zu verhaften und sie dem Gericht zu übergeben. ++ Was wird Netanyahu und Gallant vorgeworfen? ++ Folgen des Haftbefehls ++ Strafanzeige gegen 1.000 israelische Soldaten ++ Reaktionen auf den Haftbefehl ++ USA drohen dem IStGH ++ Dokumentiert: Presseerklärung des IStGH
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am Donnerstag (21.11.), sechs Monate nach dem Antrag von Chefankläger Karim Khan, Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant erlassen.
Das in Den Haag ansässige Gericht erließ auch einen Haftbefehl gegen Mohammed Diab Ibrahim al-Masri, den Militärchef der Hamas, besser bekannt als Mohammed Deif, trotz israelischer Behauptungen, er sei in Gaza getötet worden.
Die zuständige Vorverfahrenskammer des IStGH, die über den Antrag auf einen Haftbefehl entscheiden muss, wies die von Israel eingereichten Einsprüche gegen seine Zuständigkeit zurück. Zwar ist Israel kein Mitglied des IStGH, aber der Staat Palästina wurde 2015 als Mitglied aufgenommen. Dementsprechend kann das Gericht israelische Personen wegen Verbrechen belangen, die im besetzten Palästina begangen wurden, wozu der Gazastreifen, das Westjordanland und Ostjerusalem gehören.
Mit Maffia-Methoden gegen den IStGH
Das Gericht war seit dem Antrag des Chefanklägers des IStGH, Karim A.A. Khan, auf einen Haftbefehl am 20. Mai massivem Druck aus Israel, den USA und anderen Ländern ausgesetzt, die den Haftbefehl verhindern wollten.
Republikanische Mitgliedern des US-Senats drohten Karim A.A. Khan, mit "schweren" Konsequenzen für ihn, seine Familie und seine Mitarbeiter, sollte er einen Haftbefehl gegen Netanjahu erwirken. Ein Haftbefehl gegen die israelische Führung würde "als eine Bedrohung der Souveränität der Vereinigten Staaten" interpretiert werden, und die USA hätten mit dem American Service-Members' Protection Act gezeigt, "wie weit wir bereit sind zu gehen". "Wenn Sie Israel ins Visier nehmen, nehmen wir Sie ins Visier", schrieben sie in einem gemeinsamen Brief an Khan. Und schloßen: "Sie sind gewarnt." (siehe kommunisten.de, 20.5.2024: "IStGH beantragt Verhaftung von Netanjahu und Gallant wegen Kriegsverbrechen in Palästina")
Im Oktober wurde Khan über einen anonymen X-Account beschuldigt, eine Mitarbeiterin sexuell belästigt zu haben. "Der Staatsanwalt sollte mit sofortiger Wirkung zurücktreten, um den Weg für eine unabhängige Untersuchung zu ebnen", heißt es in einem Dokument, das von einigen Vertragsstaaten des IStGH in Umlauf gebracht wurde. Khan bestritt die Vorwürfe kategorisch und sagte, es gebe "keine Wahrheit hinter den Vorwürfen des Fehlverhaltens". Ein Kontrollorgan des Gerichts konnte kein Fehlverhalten feststellen. Gerichtsbeamte erklärten, dass die Vorwürfe möglicherweise im Rahmen einer Verleumdungskampagne des israelischen Geheimdienstes erhoben wurden.
Am 28. Oktober beklagte die Präsidentin des IStGH, Tomoko Akane, in einer Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen, dass der Gerichtshof beispiellosen Drohungen, Druck und Zwangsmaßnahmen ausgesetzt ist, die eine ernsthafte Bedrohung für die Rechtspflege des Gerichtshofs darstellen: "Wir sind nur an das Gesetz gebunden und ändern unseren Handlungsverlauf nicht aufgrund von Drohungen, seien sie politischer oder anderer Natur. Wir werden weiterhin unbeirrt unserem Mandat nachkommen und dabei stets Integrität, Entschlossenheit, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit an den Tag legen. Lassen Sie mich das ganz klar sagen. Wir dürfen nicht aufgeben. Wir werden nicht aufgeben."
Aufgegeben hat die Vorsitzende der dreiköpfigen Vorverfahrenskammer, die über den Antrag auf einen Haftbefehl gegen Netanjahu und Gallant entscheiden muss. Die rumänische Richterin Iulia Motoc gab 25. Oktober den Fall "aus medizinischen Gründen und zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege" ab. Sie wurde durch die slowenische Juristin Beti Hohler ersetzt.
Doch trotz des Drucks und der Sanktionsdrohungen" der US-Regierung und Israels erließ die Vorverfahrenskammer jetzt einstimmig einen Haftbefehl gegen Netanjahu und Gallant wegen "des Kriegsverbrechens des Aushungerns als Mittel der Kriegsführung und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen".
Alle 124 Mitglieder des Römischen Statuts, des Vertrags, mit dem der IStGH gegründet wurde, sind nun verpflichtet, die beiden Israelis zu verhaften und sie dem Gericht zu übergeben. Ein Verfahren kann nicht in Abwesenheit eröffnet werden und das Gericht hat keine Vollstreckungsbefugnisse.
Es ist das erste Mal in der 22-jährigen Geschichte des Gerichts, dass es Haftbefehle gegen hochrangige westliche Beamte erlassen hat. "Das ist ein wichtiger Schritt für seine Legitimität und Glaubwürdigkeit", sagte Triestino Mariniello, ein Anwalt, der Opfer aus Palästina vor dem IStGH vertritt.
IStGH-Haftbefehle: Was wird Netanyahu und Gallant vorgeworfen?
Die Kammer erklärte, die Haftbefehle seien als "geheim" eingestuft, sie habe sich jedoch zu deren Veröffentlichung entschlossen, da "ein ähnliches Verhalten wie das im Haftbefehl angesprochene weiterhin zu bestehen scheint", und bezog sich dabei auf den anhaltenden Angriff Israels auf Gaza.
"Darüber hinaus ist die Kammer der Ansicht, dass es im Interesse der Opfer und ihrer Familien liegt, über die Existenz der Haftbefehle informiert zu werden", heißt es weiter. [Presseerklärung hier]
Kriegsverbrechen durch Aushungern als Kriegsmethode
Es gebe hinreichende Gründe für die Annahme, dass die beiden Israelis "die Zivilbevölkerung in Gaza absichtlich und wissentlich der für ihr Überleben unverzichtbaren Gegenstände beraubt haben, darunter Lebensmittel, Wasser und Medikamente sowie medizinische Versorgung, aber auch Treibstoff und Strom, so das Gericht.
Es heißt, Netanjahu und Gallant haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, die humanitäre Hilfe zu behindern, die Fähigkeit humanitärer Organisationen, lebenswichtige Güter in Gaza zu verteilen, zu untergraben, die Stromversorgung zu unterbrechen und die Treibstoffversorgung in der Enklave zu reduzieren.
Das Gericht stellte fest, dass die Entscheidungen Israels, humanitäre Hilfe zuzulassen oder zu erhöhen, oft an Bedingungen geknüpft waren und nicht getroffen wurden, um Israels Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht zu erfüllen.
Es gebe hinreichende Gründe für die Annahme, dass es keine eindeutige militärische Notwendigkeit oder andere Rechtfertigung für die Einschränkung der Hilfe gab.
"Die Kammer berücksichtigte die anhaltende Zeit der Entbehrung und die Aussage von Herrn Netanjahu, der den Stopp der Lieferung lebenswichtiger Güter und humanitärer Hilfe mit Kriegszielen in Verbindung brachte", heißt es in der Erklärung.
Die Kammer befand, "dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Herr Netanyahu, und Herr Gallant die strafrechtliche Verantwortung für die folgenden Verbrechen als Mittäter tragen, die sie gemeinsam mit anderen begangen haben: das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Mordes, der Verfolgung und anderer unmenschlicher Handlungen."
Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mord
Die Richter des IStGH erklärten, dass der Mangel an Nahrung, Wasser und anderen überlebenswichtigen Gegenständen "Lebensbedingungen geschaffen hat, die darauf abzielten, einen Teil der Zivilbevölkerung in Gaza zu vernichten".
In der Erklärung wurde darauf hingewiesen, dass dies zum Tod von Zivilisten führte, "einschließlich Kindern aufgrund von Unterernährung und Dehydrierung".
Es heißt, dass auf der Grundlage der von der Staatsanwaltschaft bis zum 20. Mai vorgelegten Beweise nicht festgestellt werden konnte, "dass alle Elemente des Verbrechens gegen die Menschlichkeit der Ausrottung erfüllt waren". (Hervorhebung durch kommunisten.de)
"Die Kammer kam jedoch zu dem Schluss, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Mordes im Zusammenhang mit diesen Opfern begangen wurde."
Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verfolgung
"Darüber hinaus sind die beiden Personen auch dafür verantwortlich, dass sie durch die vorsätzliche Einschränkung oder Verhinderung der Einfuhr von medizinischer Ausrüstung und Medikamenten nach Gaza, insbesondere von Anästhetika und Anästhesiegeräten, großes Leid durch unmenschliche Handlungen an behandlungsbedürftigen Personen verursacht haben", so das Gericht. Und weiter:
"Ärzte waren gezwungen, verwundete Personen und Amputationen, auch bei Kindern, ohne Betäubungsmittel durchzuführen und/oder waren gezwungen, unzureichende und unsichere Mittel zur Sedierung von Patienten einzusetzen, was diesen Personen extreme Schmerzen und Leiden verursachte. Dies kommt dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit anderer unmenschlicher Handlungen gleich."
All diese Handlungen "beraubten einen bedeutenden Teil der Zivilbevölkerung in Gaza ihrer Grundrechte", einschließlich des Rechts auf Leben und Gesundheit. Die palästinensische Bevölkerung wurde auch "aus politischen und/oder nationalen Gründen" ins Visier genommen.
"Es wurde daher festgestellt, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Verfolgung begangen wurde", heißt es in der Erklärung.
Schließlich sah die Kammer Grund zu der Annahme, dass Netanjahu und Gallant strafrechtlich verantwortlich waren "für das Kriegsverbrechen, vorsätzliche Angriffe gegen die Zivilbevölkerung von Gaza zu leiten".
Es hieß, dass die Beiden zwar "über Maßnahmen verfügten, um die Begehung von Straftaten zu verhindern oder zu unterdrücken oder die Angelegenheit den zuständigen Behörden zu melden", dies jedoch nicht taten.
Haftbefehl gegen Mohammed Deif
Das Gericht beschloss außerdem "einstimmig", einen Haftbefehl gegen den Militärbefehlshaber der Hamas, Mohammed al-Masri, bekannt als Mohammed Deif, zu erlassen, "wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen des Mordes", die in Israel und Palästina ab dem 7. Oktober 2023 begangen wurden.
Darüber hinaus beschuldigt die Kammer Deif des Kriegsverbrechens der Geiselnahme, wegen der Entführung von etwa 250 israelischen Zivilisten, darunter Kinder und ältere Menschen.
Die Hamas gab an, dass die Geiselnahme mit dem Ziel durchgeführt wurde, die Freilassung palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen auszuhandeln.
Schließlich befand das Gericht, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gab, dass die Verbrechen der Folter, Vergewaltigung und anderer Formen sexueller Gewalt, grausamer Behandlung und Verletzung der persönlichen Würde gegen israelische Gefangene begangen wurden.
Folgen des Haftbefehls
Die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant haben erhebliches rechtliches und politisches Gewicht.
Sie haben unmittelbare Konsequenzen im Zusammenhang mit den rechtlichen Verpflichtungen der Staaten, die Vertragsparteien des Römischen Statuts sind. Alle 124 Vertragsstaaten des Römischen Statuts sind nun rechtlich verpflichtet, Netanjahu und Gallant sowie den Hamas-Militärchef Mohammed Deif zu verhaften und an den IStGH auszuliefern.
Kurz nachdem der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) seine Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant erlassen hatte, erinnerte der EU-Außenbeauftragte daran. "Diese Entscheidungen sind für alle Vertragsstaaten des Römischen Statuts bindend, zu denen alle EU-Mitgliedstaaten gehören", schrieb Josep Borrell am X. Viele der Staaten, die gezwungen sein werden, Netanyahu und Gallant auszuliefern, sind Verbündete Israels, darunter das Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland und Ungarn.
Die USA, China, Indien und Russland, gehören nicht zu den Unterzeichnern. Die meisten Länder im Nahen Osten und in Nordafrika, darunter die Türkei und Saudi-Arabien, erkennen den IStGH ebenfalls nicht an.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass Netanyahu und Gallant ihre Reisetätigkeit einschränken müssen, wie es der russische Präsident Wladimir Putin nach dem Haftbefehl des IStGH gegen ihn getan hat.
Eine künftige israelische Regierung könnte sich auch dafür entscheiden, sie nach Den Haag auszuliefern.
Darüber hinaus können Staaten, die nicht Mitglied des Römischen Statuts sind, beschließen, die Verdächtigen an Den Haag auszuliefern, ihnen die Einreise in ihr Hoheitsgebiet zu verweigern oder sie nach ihrem innerstaatlichen Recht zu verfolgen.
Die Haftbefehle werden über Netanyahu und Gallant hinaus Auswirkungen haben. Die Haftbefehle könnten zu innerstaatlichen Verfahren gegen andere Bürger Israels führen, insbesondere gegen Doppelstaatsangehörige in europäischen Ländern, da das Gericht festgestellt hat, dass Verbrechen begangen wurden.
Den nächsten entscheidenden Schritt unternehmen
Die in Belgien registrierte Hind Rajab Foundation (https://x.com/HindRFoundation/), benannt nach dem von israelischen Soldaten ermordeten fünfjährigen palästinensischen Mädchen im Gazastreifen, fordert den IStGH auf, den nächsten entscheidenden Schritt zu tun: Haftbefehle gegen die 1.000 israelischen Soldaten zu erlassen, die in der beim IStGH eingereichten detaillierten Anklageschrift identifiziert wurden. "Diese Personen sind direkt in Kriegsverbrechen im Gazastreifen verwickelt und ihre strafrechtliche Verfolgung ist von entscheidender Bedeutung, um eine umfassende Rechenschaftspflicht und Gerechtigkeit für die Opfer sicherzustellen", heißt es von der Hind Rajab Foundation. Und weiter: "Wir fordern die nationalen Regierungen auf, ihr Bekenntnis zum Völkerrecht zu verstärken, diese Fälle gründlich zu untersuchen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um diejenigen, die Gräueltaten begangen haben, zur Rechenschaft zu ziehen. Die Justiz kann und darf nicht selektiv sein."
Zu erwarten ist, dass der IStGH seine Ermittlungen ausweitet. Der Staatsanwalt hat bereits vor der Entscheidung des Gerichts bestätigt, dass andere Verbrechen und die anhaltende Bombardierung Israels derzeit vom IStGH aktiv untersucht werden. Die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, erklärte, dass der IStGH jetzt Haftbefehle für weitere israelische Regierungsmitglieder anstreben sollte.
"Jeder, der an der Begehung der Verbrechen beteiligt war, kann auf nationaler, aber auch auf internationaler Ebene vor Gericht gestellt werden."
Triestino Marinello, internationaler Menschenrechtsanwalt, der palästinensische Opfer vor dem IStGH vertritt
Israelischer Offizier in Zypern verhaftet
Ein Offizier der israelischen Streitkräfte war vergangen Woche in Zypern, wo er einen Kurzurlaub verbringen wollte, verhaftet worden. Der Offizier geriet ins Visier der Ermittler, nachdem Videos von seinem Dienst im Gazastreifen im Internet kursierten, darunter eines, in dem er zu hören war, wie er sagte: "Wir werden nicht aufhören, bis ganz Gaza brennt." Die in Belgien ansässige Hind Rajab Foundation nutzte diese Beiträge, um in Zypern Strafanzeige bei der Polizei zu erstatten und eine Klage wegen Völkermord und Kriegsverbrechen einzureichen.
Erst auf massiven Druck aus Tel Aviv wurde er freigelassen und Beamte des israelischen Außenministeriums organisierten schnell eine Notevakuierung.
Zu erwarten ist, dass der IStGH seine Ermittlungen ausweitet. Der Staatsanwalt hat bereits vor der Entscheidung des Gerichts bestätigt, dass andere Verbrechen und die anhaltende Bombardierung Israels derzeit vom IStGH aktiv untersucht werden. Die UN-Sonderberichterstatterin für Palästina, Francesca Albanese, erklärte, dass der IStGH jetzt Haftbefehle für weitere israelische Regierungsmitglieder anstreben sollte.
Keine Waffen mehr für die Durchführung von Kriegsverbrechen
"Den gesamten Waffenhandel mit Israel ab sofort neu bewerten und die Lieferung dieser Waffen einstellen."
Neve Gordan, Professor an der Queen Mary University of London
Neve Gordan, Professor für Menschenrechtsgesetze an der Queen Mary University of London, sagte gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung, Haftbefehle zu erlassen, auch Auswirkungen auf den Waffentransfer nach Israel haben könnte.
"Wenn die israelische Führung vom IStGH wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt wird", sagte er, "bedeutet dies, dass die Waffen, die die europäischen Länder nach Israel senden, zur Begehung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwendet werden. Sie müssen ihren gesamten Waffenhandel mit Israel ab sofort neu bewerten und, meiner Meinung nach, die Lieferung dieser Waffen einstellen."
Israel bezeichnet ICC-Urteil als "antisemitisch"
Das Büro des israelischen Premierministers Netanjahu bezeichnete die Entscheidung des IStGH in einer Erklärung als "antisemitisch" und verglich sie mit einem "modernen Dreyfus-Prozess", ein Hinweis auf einen Vorfall in Frankreich um die Wende zum 20. Jahrhundert, bei dem ein französischer Soldat jüdischer Abstammung fälschlicherweise wegen Hochverrats verurteilt wurde
"Israel weist die absurden und falschen Handlungen und Anschuldigungen des Internationalen Strafgerichtshofs, einer voreingenommenen und diskriminierenden politischen Institution, mit Abscheu zurück", heißt es in der Erklärung.
Für Israels Präsident Isaac Herzog hat sich der IStGH "auf die Seite des Terrors und des Bösen gestellt". Der ultrarechte Sicherheitsminister Ben Gvir droht mit der vollständigen Annexion der besetzten Gebiete als Reaktion auf die Entscheidung des IStGH.
Der israelische UN-Botschafter Danny Danon erklärte: "Die Entscheidung des ICC stellt den Höhepunkt diplomatischen Terrorismus dar."
Auch der israelische Oppositionsführer Yair Lapid verurteilte die Entscheidung des Gerichts,
Die Botschaft Israels in Deutschland schreibt: "Ein schwarzer Tag für den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, an dem er jegliche Legitimität für seine Existenz und Tätigkeit verloren hat. Er hat als politisches Werkzeug im Dienst extremistischer Kräfte agiert, die darauf abzielen, Frieden, Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten zu untergraben."
Anders Sarit Michaeli von der größten israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, die die Vertragsstaaten des IStGH auffordert, klare Erklärungen abzugeben, in denen sie bekräftigen, dass sie die Haftbefehle durchsetzen werden. "Staaten sollten den IStGH schützen und vor jeglichen Anschuldigungen oder Drohungen abschirmen", sagte sie.
Hamas
Die Hamas begrüßte die Entscheidung, Haftbefehle gegen Netanyahu und Gallant zu erlassen, und bezeichnete dies als "wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit".
"[Es ist] ein wichtiger Schritt in Richtung Gerechtigkeit und kann zu einer Wiedergutmachung für die Opfer im Allgemeinen führen, aber er bleibt begrenzt und symbolisch, wenn er nicht von allen Ländern auf der ganzen Welt mit allen Mitteln unterstützt wird", sagte Basem Naim, Mitglied des Politbüros der Hamas, in einer Erklärung.
Die Hamas forderte den IStGH außerdem auf, seinen Zuständigkeitsbereich auf andere israelische Beamte auszudehnen.
Die Gruppe erwähnte den Haftbefehl gegen Deif nicht.
USA drohen IStGH
Das Weiße Haus erklärte, Washington "lehne die Entscheidung des IStGH grundsätzlich ab" und fügte hinzu, man sei "zutiefst besorgt über die Eile, mit der der Ankläger Haftbefehle beantragt hat, und über die beunruhigenden Verfahrensfehler, die zu dieser Entscheidung geführt haben".
"Die Vereinigten Staaten haben klargestellt, dass der IStGH in dieser Angelegenheit nicht zuständig ist", sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates.
Der Nationale Sicherheitsberater des designierten US-Präsidenten Donald Trump, Michael Waltz, droht dem IStGH: "Sie müssen im Januar mit einer heftigen Reaktion auf die antisemitische Voreingenommenheit des Internationalen Strafgerichtshofs rechnen."
Und der republikanische Senator Lindsey Graham kündigt an: "Bald werde ich ein Gesetz einbringen, das Sanktionen gegen jedes Land vorsieht, das den Haftbefehlen des Haager Gerichtshofs Folge leistet. Dabei ist es mir egal, ob es sich um Kanada, Frankreich, Deutschland oder irgendein anderes Land handelt. Diese Haftbefehle sind eine Bedrohung für die USA, nicht nur für Israel. Wir sind als nächstes an der Reihe. Ich bin überzeugt, dass Präsident Trump dies unterstützen wird."
Der Republikaner Tom Cotton, Senator aus Arkansas und mit Millionen von der israelischen Lobbyorganisation AIPAC gesponsort, drohte auf X: "Der IStGH ist ein Gericht der Scheinjustiz und Karim Khan ist ein gestörter Fanatiker. Wehe ihm und jedem, der versucht, diese ungesetzlichen Haftbefehle durchzusetzen. Ich möchte sie alle freundlich daran erinnern: Das amerikanische Gesetz über den IStGH ist nicht ohne Grund als 'The Hague Invasion Act' bekannt. Denken Sie darüber nach."
Kanada
"Es ist wirklich wichtig, dass sich alle an das Völkerrecht halten", sagte Premierminister Justin Trudeau und fügte hinzu, dass Kanada sich an die Entscheidungen internationaler Gerichte halten werde.
Europäische Union
Der Chef der Außenpolitik der Europäischen Union, Josep Borrell, sagte, die Haftbefehle des IStGH seien nicht politisch und sollten respektiert und umgesetzt werden. "Diese Entscheidung ist bindend und alle Staaten, alle Vertragsstaaten des Gerichtshofs, zu denen alle Mitglieder der Europäischen Union gehören, sind verpflichtet, diese Gerichtsentscheidung umzusetzen", sagte er.
Die Niederlande, Frankreich, Jordanien, Belgien und Irland erklärten, die Entscheidung des Gerichts zu unterstützen.
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto verurteilte die Entscheidung des IStGH und nannte sie "beschämend und absurd". "Eine solche Entscheidung ist inakzeptabel."
Von der deutsche Regierung liegt zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels noch keine Stellungnahme vor.
Nachtrag:
Inzwischen gibt es eine Stellungnahme vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung:
"Die Bundesregierung war an der Ausarbeitung des IStGH-Statuts beteiligt und ist einer der größten Unterstützer des IStGH. Diese Haltung ist auch Ergebnis der deutschen Geschichte.
Gleichzeitig ist Konsequenz der deutschen Geschichte, dass uns einzigartige Beziehungen und eine große Verantwortung mit Israel verbinden.
Die innerstaatlichen Schritte werden wir gewissenhaft prüfen. Weiteres stünde erst dann an, wenn ein Aufenthalt von Premierminister Benjamin Netanjahu und dem ehemaligen Verteidigungsminister Joaw Galant in Deutschland absehbar ist." (https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/erklaerung-der-bundesregierung-zum-beschluss-des-internationalen-strafgerichtshofs-2321638)
Für die CDU erklärte Unionsfraktionsvize Johann Wadephul, dass es trotz des Haftbefehls des IStGH unvorstellbar sei, dass Israels Premier Benjamin Netanjahu in Deutschland festgenommen werde.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth (SPD), schreibt auf X: "Der IStGH erweist dem Völkerrecht einen Bärendienst, indem er blutrünstige Terroristen und eine rechtsstaatliche Demokratie faktisch gleichstellt. Das ist Wasser auf den Mühlen derjenigen, die die internationale Rechtsordnung auszuhöhlen versuchen."
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Netanjahu und Gallant scharf verurteilt. Er rief die Bundesregierung dazu auf, sich klar gegen diese Entscheidung zu stellen. "Die Bundesregierung darf diese Täter-Opfer-Umkehr nicht akzeptieren", so Schuster.
Presseerklärung, 21. November 2024
Situation im Staat Palästina: Die Vorverfahrenskammer I des IStGH weist die Einwände des Staates Israel gegen die Zuständigkeit zurück und erlässt Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant.
"Heute, am 21. November 2024, hat die Vorverfahrenskammer I des Internationalen Strafgerichtshofs ('Gerichtshof') in ihrer Zusammensetzung für die Situation im Staat Palästina einstimmig zwei Entscheidungen erlassen, mit denen sie die nach den Artikeln 18 und 19 des Römischen Statuts (das 'Statut') erhobenen Einsprüche des Staates Israel ('Israel') zurückgewiesen hat. Sie hat außerdem Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant erlassen.
Entscheidungen über Anträge des Staates Israel
Die Kammer entschied am 26. September 2024 über zwei Anträge Israels. Im ersten Antrag stellte Israel die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Lage im Staat Palästina im Allgemeinen und für israelische Staatsangehörige im Besonderen auf der Grundlage von Artikel 19 Absatz 2 des Statuts in Frage. Im zweiten Antrag forderte Israel die Kammer auf, die Anklagebehörde anzuweisen, ihren Behörden eine neue Mitteilung über die Einleitung einer Untersuchung gemäß Artikel 18 Absatz 1 des Statuts zu übermitteln. Israel forderte die Kammer außerdem auf, alle Verfahren vor dem Gerichtshof in der betreffenden Situation einzustellen, einschließlich der Prüfung der von der Anklagebehörde am 20. Mai 2024 eingereichten Anträge auf Haftbefehle gegen Benjamin Netanjahu und Yoav Gallant.
Was die erste Anfechtung betrifft, so stellte die Kammer fest, dass die Anerkennung der Zuständigkeit des Gerichtshofs durch Israel nicht erforderlich ist, da der Gerichtshof seine Zuständigkeit auf der Grundlage der territorialen Zuständigkeit Palästinas ausüben kann, wie sie von der Vorverfahrenskammer I in einer früheren Zusammensetzung festgelegt wurde. Darüber hinaus vertrat die Kammer die Auffassung, dass gemäß Artikel 19 Absatz 1 des Statuts die Staaten nicht berechtigt sind, die Zuständigkeit des Gerichtshofs gemäß Artikel 19 Absatz 2 vor der Ausstellung eines Haftbefehls anzufechten. Daher ist die Anfechtung durch Israel verfrüht. Dies gilt unbeschadet etwaiger künftiger Anfechtungen der Zuständigkeit des Gerichtshofs und/oder der Zulässigkeit eines bestimmten Falls.
Die Kammer wies auch den Antrag Israels gemäß Artikel 18 Absatz 1 des Statuts zurück. Die Kammer erinnerte daran, dass die Anklagebehörde Israel im Jahr 2021 über die Einleitung einer Untersuchung informiert hatte. Zu diesem Zeitpunkt entschied sich Israel trotz eines Klärungsersuchens der Anklagebehörde, kein Gesuch auf Verschiebung der Untersuchung zu stellen. Darüber hinaus vertrat die Kammer die Auffassung, dass die Parameter der Untersuchung in der Situation gleich geblieben sind und daher keine erneute Benachrichtigung des Staates Israel erforderlich war. Vor diesem Hintergrund befanden die Richter, dass es keinen Grund gab, die Prüfung der Anträge auf Haftbefehle auszusetzen.
Haftbefehle
Die Kammer erließ Haftbefehle gegen zwei Personen, Herrn Benjamin Netanyahu und Herrn Yoav Gallant, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, die sie mindestens vom 8. Oktober 2023 bis zum 20. Mai 2024, dem Tag, an dem die Staatsanwaltschaft die Anträge auf Haftbefehle stellte, begangen haben sollen.
Die Haftbefehle sind als „geheim“ eingestuft, um Zeugen zu schützen und den Ablauf der Ermittlungen zu gewährleisten. Die Kammer hat jedoch beschlossen, die folgenden Informationen zu veröffentlichen, da ein ähnliches Verhalten wie das im Haft
efehl angesprochene offenbar anhält. Darüber hinaus ist die Kammer der Ansicht, dass es im Interesse der Opfer und ihrer Familien liegt, über die Existenz der Haftbefehle informiert zu werden.
Die Kammer war zunächst der Ansicht, dass das mutmaßliche Verhalten von Herrn Netanyahu und Herrn Gallant in die Zuständigkeit des Gerichtshofs fällt. Die Kammer erinnerte daran, dass sie bereits in einer früheren Zusammensetzung entschieden hatte, dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs in dieser Situation auf den Gazastreifen und das Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, erstreckt. Darüber hinaus lehnte es die Kammer ab, ihre Ermessensbefugnisse proprio motu zu nutzen, um die Zulässigkeit der beiden Fälle in diesem Stadium zu bestimmen. Dies gilt unbeschadet einer späteren Entscheidung über die Zuständigkeit und Zulässigkeit der Fälle.
In Bezug auf die Verbrechen stellte die Kammer fest, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Herr Netanyahu, geboren am 21. Oktober 1949, zum Zeitpunkt des betreffenden Verhaltens Premierminister Israels, und Herr Gallant, geboren am 8. November 1958, zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Verhaltens Verteidigungsminister Israels zum Zeitpunkt des mutmaßlichen Verhaltens, jeweils die strafrechtliche Verantwortung für die folgenden Verbrechen als Mittäter tragen, die sie gemeinsam mit anderen begangen haben: das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Mordes, der Verfolgung und anderer unmenschlicher Handlungen.
Die Kammer stellte außerdem begründete Gründe für die Annahme fest, dass Herr Netanyahu und Herr Gallant jeweils die strafrechtliche Verantwortung als zivile Vorgesetzte für das Kriegsverbrechen der vorsätzlichen Anweisung eines Angriffs gegen die Zivilbevölkerung tragen.
Mutmaßliche Verbrechen
Die Kammer kam zu dem begründeten Schluss, dass während des relevanten Zeitraums das humanitäre Völkerrecht im Zusammenhang mit dem internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Israel und Palästina anwendbar war. Dies liegt daran, dass beide Parteien Vertragsparteien der Genfer Konventionen von 1949 sind und Israel zumindest Teile Palästinas besetzt hält. Die Kammer stellte außerdem fest, dass das Recht im Zusammenhang mit nicht-internationalen bewaffneten Konflikten auf die Kämpfe zwischen Israel und der Hamas anwendbar war. Die Kammer stellte fest, dass das mutmaßliche Verhalten von Herrn Netanyahu und Herrn Gallant die Aktivitäten israelischer Regierungsstellen und der Streitkräfte gegen die Zivilbevölkerung in Palästina, genauer gesagt gegen Zivilisten in Gaza, betraf. Es ging daher um die Beziehung zwischen zwei Parteien eines internationalen bewaffneten Konflikts sowie um die Beziehung zwischen einer Besatzungsmacht und der Bevölkerung in einem besetzten Gebiet. Aus diesen Gründen hielt es die Kammer im Hinblick auf Kriegsverbrechen für angebracht, die Haftbefehle gemäß dem Recht des internationalen bewaffneten Konflikts zu erlassen.
Die Kammer stellte außerdem fest, dass die mutmaßlichen Verbrechen gegen die Menschlichkeit Teil eines weit verbreiteten und systematischen Angriffs auf die Zivilbevölkerung in Gaza waren.
Die Kammer war der Ansicht, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass beide Personen der Zivilbevölkerung in Gaza absichtlich und wissentlich Gegenstände vorenthalten haben, die für ihr Überleben unerlässlich sind, darunter Lebensmittel, Wasser, Medikamente und medizinische Hilfsgüter sowie Treibstoff und Strom, und zwar mindestens vom 8. Oktober 2023 bis zum 20. Mai 2024. Diese Feststellung beruht auf der Rolle von Herrn Netanyahu und Herrn Gallant bei der Behinderung der humanitären Hilfe unter Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und ihrem Versäumnis, die Hilfe mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu erleichtern.
Die Kammer stellte fest, dass ihr Verhalten dazu führte, dass humanitäre Organisationen nicht mehr in der Lage waren, die notleidende Bevölkerung in Gaza mit Nahrungsmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern zu versorgen. Die oben genannten Beschränkungen hatten zusammen mit der Unterbrechung der Stromversorgung und der Reduzierung der Treibstoffversorgung auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Wasser in Gaza und die Fähigkeit der Krankenhäuser, medizinische Versorgung bereitzustellen.
Die Kammer stellte außerdem fest, dass Entscheidungen, die humanitäre Hilfe in Gaza zuzulassen oder zu erhöhen, oft an Bedingungen geknüpft waren. Sie wurden nicht getroffen, um die Verpflichtungen Israels nach dem humanitären Völkerrecht zu erfüllen oder um sicherzustellen, dass die Zivilbevölkerung in Gaza angemessen mit lebensnotwendigen Gütern versorgt wird. Tatsächlich waren sie eine Reaktion auf den Druck der internationalen Gemeinschaft oder auf Forderungen der Vereinigten Staaten von Amerika. In jedem Fall reichten die Erhöhungen der humanitären Hilfe nicht aus, um den Zugang der Bevölkerung zu lebensnotwendigen Gütern zu verbessern.
Darüber hinaus fand die Kammer hinreichende Gründe für die Annahme, dass für die Beschränkungen des Zugangs für humanitäre Hilfsmaßnahmen kein klarer militärischer Bedarf oder eine andere Rechtfertigung nach dem humanitären Völkerrecht festgestellt werden konnte. Trotz Warnungen und Appellen unter anderem des UN-Sicherheitsrats, des UN-Generalsekretärs, von Staaten sowie von Regierungs- und zivilgesellschaftlichen Organisationen bezüglich der humanitären Lage in Gaza wurde nur minimale humanitäre Hilfe genehmigt. In diesem Zusammenhang berücksichtigte die Kammer die anhaltende Zeit der Entbehrung und die Aussage von Herrn Netanjahu, der den Stopp der Lieferung lebenswichtiger Güter und humanitärer Hilfe mit Kriegszielen in Verbindung brachte.
Die Kammer sah daher hinreichende Gründe für die Annahme, dass Herr Netanyahu und Herr Gallant die strafrechtliche Verantwortung für das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung tragen.
Die Kammer stellte fest, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass der Mangel an Nahrungsmitteln, Wasser, Strom und Brennstoff sowie an bestimmten medizinischen Hilfsgütern Lebensbedingungen geschaffen hat, die darauf abzielten, einen Teil der Zivilbevölkerung in Gaza zu vernichten, was zum Tod von Zivilisten, darunter auch Kindern, aufgrund von Unterernährung und Dehydrierung führte. Auf der Grundlage des von der Anklagevertretung vorgelegten Materials, das den Zeitraum bis zum 20. Mai 2024 abdeckt, konnte die Kammer nicht feststellen, dass alle Elemente des Verbrechens gegen die Menschlichkeit der Ausrottung erfüllt waren. Die Kammer stellte jedoch fest, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit des Mordes im Zusammenhang mit diesen Opfern begangen wurde.
Darüber hinaus sind die beiden Personen auch dafür verantwortlich, dass sie durch die vorsätzliche Einschränkung oder Verhinderung der Einfuhr von medizinischer Ausrüstung und Medikamenten nach Gaza, insbesondere von Anästhetika und Anästhesiegeräten, großes Leid durch unmenschliche Handlungen an behandlungsbedürftigen Personen verursacht haben. Ärzte waren gezwungen, verwundete Personen und Amputationen, auch bei Kindern, ohne Betäubungsmittel durchzuführen und/oder waren gezwungen, unzureichende und unsichere Mittel zur Sedierung von Patienten einzusetzen, was diesen Personen extreme Schmerzen und Leiden verursachte. Dies kommt dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit anderer unmenschlicher Handlungen gleich.
Die Kammer sah auch hinreichende Gründe für die Annahme, dass das oben genannte Verhalten einen erheblichen Teil der Zivilbevölkerung in Gaza ihrer Grundrechte beraubte, einschließlich des Rechts auf Leben und Gesundheit, und dass die Bevölkerung aus politischen und/oder nationalen Gründen ins Visier genommen wurde. Sie stellte daher fest, dass das Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Verfolgung begangen wurde.
Schließlich kam die Kammer zu dem Schluss, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Herr Netanyahu und Herr Gallant als zivile Vorgesetzte strafrechtlich für das Kriegsverbrechen der vorsätzlichen Anweisung von Angriffen gegen die Zivilbevölkerung von Gaza verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang stellte die Kammer fest, dass die von der Anklagevertretung vorgelegten Unterlagen nur zu zwei Vorfällen Aussagen zuließen, die als vorsätzliche Angriffe auf Zivilisten eingestuft wurden. Es besteht Grund zu der Annahme, dass Herr Netanyahu und Herr Gallant es versäumt haben, Maßnahmen zu ergreifen, um die Begehung von Straftaten zu verhindern oder zu unterbinden oder die Angelegenheit den zuständigen Behörden zu melden, obwohl ihnen diese Maßnahmen zur Verfügung standen.
Quelle: https://www.icc-cpi.int/news/situation-state-palestine-icc-pre-trial-chamber-i-rejects-state-israels-challenges
eigene Übersetzung
- Offener Brief an die Richter:innen des Internationalen Strafgerichtshof
- Karim Khan macht Druck: Bringt Netanjahu und Gallant endlich hinter Gitter.
- Deutschland blockiert Haftbefehl gegen Netanjahu & Co und verschafft Israel Zeit für den Völkermord
- IStGH beantragt Verhaftung von Netanjahu und Gallant wegen Kriegsverbrechen in Palästinamehr zum Thema