24.07.2025: Norbert Heckl berichtet über die Konferenz "Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg!". Den zweiten Tag der Konferenz eröffnete wieder, wie schon am ersten Tag, Thorsten Stelzner mit eigenen Gedichten und Liedern gegen den Krieg, die nicht nur die Herzen, sondern auch die Hirne der über 200 Anwesenden berührten.
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3. Konferenz "Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg!" Norbert Heckl berichtet über den 1. Tag |
Das Podium "Zeitenwende als Frontalangriff auf die Interessen der Beschäftigten" leitete Ulrike Eifler mit der Feststellung ein, dass die Hochrüstung nicht nur den Sozialabbau verschärft, sondern damit auch das Vertrauen in die Demokratie bei vielen Menschen untergräbt. Geschichtlich sei der 1. Weltkrieg vor allem durch Aktionen der Arbeiterbewegung beendet und die Weimarer Republik erkämpft worden. Daraus zogen reaktionäre Kreise den Schluss, vor einem erneuten Krieg müsste erst die Arbeiterbewegung zerschlagen werden. Heute kommt es darauf an zu verhindern, dass die Arbeiterbewegung in die Politik der Kriegsvorbereitung einbezogen wird.
Der "Frontalangriff auf die Beschäftigten" finde auf 6 Ebenen statt:
- der Umverteilung; der Veränderung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit mit einem Verzichtsklima, das zu einem Gegenwind zu gewerkschaftlichen Forderungen führt und die Tarifpolitik unter großen Druck bringt;
- der Angriffe auf die Daseinsvorsorge;
- alle Investitionspolitik wird dem Primat der Kriegsertüchtigung untergeordnet;
- der ökologischen Zerstörung;
- der Einschränkung demokratischer Rechte, auch des gewerkschaftlichen Streikrechts;
- einer gestiegenen Eskalationsgefahr mit einem Rückfall in die Barbarei, wie wir es in Gaza erleben.
Dem steht die Notwendigkeit gegenüber, den Weg zu öffnen für eine andere menschliche Gesellschaftsordnung. Dafür braucht es eine breite Friedensbewegung mit dem politischen Kern von Sozialisten, Kommunisten und ja, auch Sozialdemokraten.
Doris Heinemann-Brooks, Bundesvorsitzende der ver.di-Senioren, machte es konkret anhand des Tarifabschlusses im Öffentlichen Dienst, bei dem der gestiegene Druck zu den beiden großen "Kröten" der "freiwilligen" Arbeitszeitverlängerung und der Überprüfung auf Verfassungstreue bei der Übernahme aus dem Ausbildungsverhältnis führten. Die Bundesregierung will die Arbeitszeitregelung aufweichen, ein 8%iger Stellenabbau im Öffentlichen Dienst ist geplant – allerdings nicht in "sicherheitsrelevanten" Bereichen. Dagegen müssen die Gewerkschaften Bündnisse eingehen.
Der Journalist Sebastian Friedrich nahm sich die Medienlandschaft vor, schilderte seine schlechten Erfahrungen mit den Öffentlich-Rechtlichen Medien. Interessen, die hinter Kriegen stehen, werden nicht aufgezeigt, viele Journalisten wären missionarisch, recherchierten nicht mehr sauber (auch aufgrund des Drucks, schnell zu liefern) und übernähmen das, was in ihr Weltbild, passt. Dieses Weltbild sei bei sehr vielen durch ihre bürgerliche und kleinbürgerliche Herkunft geprägt, was auch dazu führt, dass Sozialabbau für sie keine Rolle spielt.
Jan Dieren, SPD-MdB, der als einziger aus seiner Fraktion gegen das Aufrüstungspaket gestimmt hat, berichtete von den Gedanken, die Aufrüstungskosten aus dem Haushalt herauszunehmen, um schärfere Sozialkürzungen zu vermeiden – in einer Diskussion wurde dafür der Begriff "kreditfinanzierte Konsensstiftung" geprägt. Es würden nur noch militärstrategische Erwägungen angestellt, wonach alles auf einen Krieg zusteuere, und dafür eben Aufrüstung nötig sei – natürlich um ihn zu verhindern! Aus ihrer Geschichte heraus habe die Sozialdemokratie eine besondere Verantwortung, diesem Szenario entgegenzutreten. Wer in der SPD diese Verantwortung wahrnehme, werde als naiv, vergangenheitsbezogen und realitätsverweigernd diffamiert – für ihn dagegen sei das eine Zukunftsorientierung.
In der Diskussion zwischen den Podiumsteilnehmern zitierte U. Eifler den Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, dass Abschreckung nicht nur eine reaktive Komponente habe und sie forderte, von der Analyse, in der die Friedens- und die linke Bewegung stark sind, zur "Meuterei" zu kommen, in Anlehnung an das Buch von Peter Mertens, dem Generalsekretär der belgischen Partei der Arbeit.
Doris Heinemann-Brooks informierte über eine für September in Hamburg geplante 4tägige Übung zur zivilmilitärischen Zusammenarbeit ("Operationsplan Deutschland" und "Grünbuch 4.0" lassen grüßen!); Widerstand dagegen wird jetzt schon geplant.
Sebastian Friedrich sprach die Einordnung von Informationen an: Wichtig sei zu fragen, woher sie kommen; Informationen sind nicht neutral, und Medienkritik von links sei wichtig – dies war auch die Antwort auf einen Beitrag aus dem Publikum, in dem beklagt wurde, dass Medienkritik fast ausschließlich von rechts(aussen) komme. Er stellte auch fest, dass wir es jetzt schon wieder mit Berufsverboten gegen Linke zu tun hätten – dass sie gegen die Gefahr durch die AfD gerichtet seien, sei nur ein Vorwand.
Das Vormittagsprogramm beendeten vier Arbeitsgruppen:
Die erste zur Militarisierung des Gesundheitswesens mit Nadja Rakowitz von der Vereinigung demokratischer Ärztinnen und Ärzte und Julia Stange, MdB Die Linke, in der auch das bereits erwähnte "Grünbuch 4.0" eine Rolle spielte; leider wird dieses Grünbuch auch in der linken und friedensbewegten wie auch gewerkschaftlichen Diskussion bisher kaum zur Kenntnis genommen.
Eine weitere Arbeitsgruppe mit Ulf Immelt, Gewerkschaftssekretär des DGB Mittelhessen, bearbeitete das Thema "Militarisierung der Arbeitsmarktpolitik". Anhand überzeugender Zahlen wies er nach, dass der Verlust an industriellen Arbeitsplätzen nicht durch den Ausbau der Rüstungsindustrie ausgeglichen werden könne.
In der lebhaften Diskussion wurden Beispiele genannt, wo Rüstungsunternehmen gezielt an Beschäftigte von Betrieben herantreten, in denen Arbeitsplätze abgebaut werden. Mit moralischen Argumenten Belegschaften, die um ihre Arbeitsplätze fürchten, von der Alternative "Rüstungsproduktion" abzubringen, sei kein richtiger Weg, auch nicht, die Gewerkschaften wegen ihrer Zustimmung dazu zu geißeln. Es gelte, überall dort die Diskussion zu führen. Vor allem aber müssen wir politisch durchsetzen, dass Geld für sinnvolle Produkte und nicht für Kriegsproduktion ausgegeben wird.
Auch müssten wir Tarifkämpfe mit der Friedensfrage verbinden, wie es vielerorts in der ÖD-Tarifrunde geschehen ist – in verschiedenen Diskussionsrunden wurden Beispiele angeführt, wo bei Streikversammlungen der Zusammenhang unter Beifall der Streikenden hergestellt wurde.
Eine weitere Arbeitsgruppe mit Hans Schenk, Geschäftsführer von SCI Engineers Hamburg, beschäftigte sich mit "Schwerter zu Pflugscharen", also der Konversion von Kriegs- zu Friedensproduktion, die jetzt unter erschwerten Bedingungen zu führen ist: der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie hat seine Mitgliederzahl in den letzten Monaten mehr als verdoppelt!
Die vierte Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit der Militarisierung des Bildungswesens. Senta Pineau von der Uni Köln und Katharina Niebergall von der Jungen GEW Nordrhein-Westfalen befassten sich u.a. mit den Angriffen auf die Zivilklausel an Hochschulen und Universitäten (in Bayern ist es den Universitäten verboten, sich eine Zivilklausel zu geben) und den vermehrten "Besuchen" von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen.
"Weil es um alles geht: Gegen Kriegstüchtigkeit und Raketenstationierung in Deutschland und Europa"
Das abschließende Podium hatte die Überschrift: "Weil es um alles geht: Gegen Kriegstüchtigkeit und Raketenstationierung in Deutschland und Europa". Es diskutierten Ralf Stegner, SPD-MdB, Redner bei der Demonstration in Berlin am 3. Oktober letzten Jahres und Mitinitiator des – in SPD-Kreisen wohl berüchtigten – "Manifests" gegen Kriegstüchtigkeit und für Diplomatie, Özlem Demirel, EU-Abgeordnete der Partei Die Linke, Petra Erler, ehem. Staatssekretärin und gemeinsam mit Günter Verheugen Autorin des Buchs "Der lange Weg zum Krieg", Markus Hulm, 2. Bevollmächtigter der IGM-Verwaltungsstelle Salzgitter-Peine und Ole Nymoen, junger Podcaster, ebenfalls Buchautor ("Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde").
Petra Erler ging auf die Gefahr eines Atomkriegs ein, erinnerte an den sowjetischen Oberst, der in den 1980er Jahren nach einer Falschmeldung des Computers ("anfliegende US-Atomraketen") nicht auf den "roten Knopf" drückte, eine NATO-Übung, die so realistisch war, dass die sowjetische Führung sie fast für den Beginn eines Nuklearangriffs der NATO gehalten hätte. Die Vision von einem "Gemeinsamen Haus Europa" sei von der NATO seit 1990 verraten worden, und sie habe sich auch nicht an ihre Versprechen gehalten.
Özlem Demirel sprach über das EU-Weißbuch, das festhält, wie die EU ihre Stellung im internationalen Bereich verbessern, sich auf eine Neuaufteilung der Welt vorbereiten kann und muss, wie sie ihre imperialistische Politik unabhängig und eventuell auch gegen die USA durchsetzen kann.
Markus Hulm befasste sich aus gewerkschaftlicher Sicht mit dem Druck auf den Einstieg in die Rüstungsproduktion in Betrieben, in denen die Arbeitsplatzunsicherheit wächst; aus dieser Unsicherheit heraus ergibt sich Rede-bedarf der Beschäftigten, den die Gewerkschaften aufgreifen und wo sie Antworten finden müssen, sinnvolle Produktalternativen entgegensetzen oder auch Arbeitszeitverkürzung fordern.
Ole Niemoen setzte sich mit dem Widerspruch auseinander, dass unsere Gesellschaftsordnung einerseits Konkurrenz propagiert, andererseits aber auf "Solidarität" setzt, die sie als die Bereitschaft, für das eigene Land zu kämpfen und zu sterben, versteht. Er hätte den Eindruck, dass viele Jüngere sich im positiven Sinn radikalisierten; junge Erwachsene seien auch mit großer Mehrheit gegen die Wehrpflicht, Ältere aber dafür – das trug ihm Widerreden aus dem Publikum ein, Umfrageergebnisse deuten aber in diese Richtung. Generell wäre es möglich, junge Menschen stärker einzubeziehen, "es passiert gerade viel bei jungen Menschen".
Ralf Stegner leitete mit seiner Politisierung über die Gegnerschaft gegen Atomraketen in den 1980er Jahren und die Atomkraft ein, die zu seinem Grundverständnis geführt habe, dass jeder Mensch die gleichen Rechte hat, das gleiche Recht zu leben. Daraus ergebe sich seine prinzipielle Haltung als Kriegsgegner. Deutschland habe Aufgrund seiner Vergangenheit eine besondere Verpflichtung zur Beendigung von Kriegen beizutragen. Stegner stellte die rhetorische Frage nach Butter und Kanonen: "Glaubt denn jemand, dass bei 225 Mrd. für Rüstung (das sind die ominösen 5 % des BIP) noch Geld für Soziales da ist?" . Die große Mehrheit in seiner Partei aber tut zumindest so, als ob sie es glauben würde! Er griff den Gedanken der "strukturellen Nichtangriffsfähigkeit" aus den 1970er Jahren auf und stellte dem den Begriff der "Kriegstüchtigkeit" entgegen. Abschließend plädierte er für eine Zusammenarbeit der kritischen Stimmen aus der SPD mit der Friedensbewegung, wobei für ihn wichtig ist, "das Elend beider Seiten in Kriegen zu sehen".
In der Diskussion zur Raketenstationierung befragt, stellte er die Verbindung zu den Plänen für einen Raketenschild ("Iron Dome") her und fügte an, dass diese geplanten Raketen zum Überfall auf Russland gedacht seien. Man muss die Heuchelei benennen, mit der im Westen der Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilt wird, während die Bombardierung Gazas gerechtfertigt oder kleingeredet wird – der Widerstand gegen den Gaza-Krieg und die Friedensbewegung müssen zusammengeführt werden, war die einhellige Meinung des Publikums.
Markus Hulm stellte in seiner Schlussbemerkung fest, dass "wir als DGB-Gewerkschaften die Debatte führen müssen, obwohl sie unangenehm ist. Krieg darf nicht sein".
In ihren Schlussworten bedankten sich Derya Rust von der IG Metall-Verwaltungsstelle und Ulrike Eifler für die solidarische und angenehme Diskussionsatmosphäre. Ulrike Eifler erinnerte an den Satz von Willi Bleicher, ehemaliger Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg: "Wer den Frieden will, muss gegen den Krieg kämpfen."
Bemerkenswert an der Konferenz war eine weitere politische Verbreiterung sowohl auf den Podien als auch im Publikum, die von Kommunisten über Sozialisten bis hin zu Sozialdemokraten reichte, die sichtbar auch unter den Teilnehmern vertreten waren.
Bemerkenswert auch die hohe Zahl von haupt- und ehrenamtlichen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, vor allem von der IG Metall, von Ver.di und der GEW. Besonders erfreulich: viele junge Menschen, die sich auch engagiert und kämpferisch an den Diskussionen beteiligten. Auch die Teilnehmerzahl war größer als bei den ersten beiden Konferenzen, ebenso die Zahl derer, die sich per Livestream zuschalteten. Die Videos der beiden Tage wurden bis einschließlich Mitte der folgenden Woche von 1.700 bzw. ca. 1.000 Menschen aufgerufen, auch das mehr als nach Hanau und Stuttgart. Alles spricht also dafür – abgesehen von der Notwendigkeit – auch im kommenden Jahr eine Gewerkschaftliche Friedenskonferenz zu organisieren.