04.10.2019: Demo in Berlin für Mietstopp und Mietendeckel ++ SPD will gemeinsame Vereinbarung zu Mietendeckel brechen ++ DIE LINKE stellt klar: "Ein reines Einfrieren der Mieten wird es mit der LINKEN nicht geben!"
Trotz Regen haben weit über 4.000 Menschen am Donnerstag (3.10.) in Berlin an der Demonstration »Richtig deckeln, dann enteignen – Rote Karte für Spekulation« teilgenommen. Über 50 Initiativen, Verbände und Organisationen hatten zu der Demo aufgerufen.
Der Anlass für die Demonstration war die sich zuspitzende Diskussion über den geplanten Mietendeckel sowie die bereits drei Monate andauernde rechtliche Prüfung des Volksbegehrens »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. "Das Vorhaben steht unter Beschuss und der aktuelle Entwurf macht aus dem Deckel ein Sieb", heißt es in dem Aufruf des Bündnisses »Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn«. Mit dem Protest wolle man dem Senat zeigen, dass es einen richtigen Mietendeckel und dann die Enteignung der Immobilienkonzerne brauche.
"Im Moment ist Wohnraum ein Spekulationsobjekt. Eine Wohnung zu besitzen und dann die Miete regelmäßig zu erhöhen, ohne irgendetwas dafür zu tun, spült den Leuten Geld in die Tasche – und damit muss Schluss gemacht werden. Deshalb reicht ein kurzfristiges Instrument, das etwas abfedert, nicht. Nur Wohnraum als Gemeingut beendet Spekulation. Wir fordern die Enteignung beziehungsweise Vergesellschaftung von Wohnraum. Das heißt: die Überführung der Bestände in die Hände der Mieter*innen und der Stadtgesellschaft." Mieteraktivistin Susanna Raab (nd, 1.10.19: "Wir wollen einen radikalen Deckel") |
Der Koalitionsausschuss von SPD, DIE LINKE und Grünen hatte sich am 29. August auf einen Gesetzentwurf für Mietenstopp und Mietendeckel auf Grundlage eines Papiers der Senatorin für Wohnen, Katrin Lompscher (DIE LINKE), geeinigt. Die Möglichkeit zur Absenkung war hier bereits ein zentraler Bestandteil. Doch die SPD stellt den Kompromiss jetzt in Frage. Sie will vom Mietendeckel nichts mehr wissen. Der Senatsbeschluss für ein Berliner Mietengesetz, der nach dem bisherigen Terminplan am 15. Oktober gefasst werden soll, steht deshalb auf der Kippe. Dabei ist der zurzeit verhandelte Entwurf im Vergleich zur Rohfassung bereits entschärft und sogar weicher als der Vorschlag des Berliner Mietervereins. (siehe kommunisten.de, 5.9.19: "Kampf um Mietendeckel in Berlin")
"Der Mietendeckel könnte wie eine Droge wirken: Sie bewirkt einen Rausch, aber man erreicht schnell einen Zustand, in dem es ohne ihn nicht mehr geht. Bis hin zu Entzugserscheinungen, die große gesellschaftliche Schmerzen verursachen … ." Spiegel Online, 28.9.19 |
Der Koalitionskrach entzündet sich an dem Instrument der Mietabsenkung. Der aktuelle Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor, die Miete zu senken, knüpft dies aber an Bedingungen. Eine Absenkung ist demnach nur möglich, wenn die Nettokaltmiete einer Wohnung über der Mietobergrenze liegt und 30 Prozent des Gesamt-Nettoeinkommens des Haushalts übersteigt. Die Mieter*inneninitaitven kritisieren, dass schon der aktuelle Entwurf aus dem Deckel ein Sieb mache.
"Wir haben schon eine Mietpreisbremse, die nicht bremst, wir brauchen nicht auch noch einen Deckel, der nicht deckelt."
DIE LINKE kämpft vehement für den Vorschlag der Bausenatorin, der nicht nur einen Mietenstopp, sondern auch die Absenkung "überhöhter Mieten" vorsieht.
Demgegenüber erteilt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) dem Gesetzentwurf in wichtigen Teilen eine Absage. Er gehe davon aus, dass "die gesamten Vorhaben zur Absenkung der Mieten aus dem Gesetz herausgenommen werden", sagte er Ende September beim Spitzenverband der deutschen Immobilienwirtschaft (ZIA). Während gestern (3.10.) mehrere Tausend Mieter*innen durch die Stadt zogen, bekräftigte der Regierende Bürgermeister, dass er eine Absenkung von Bestandsmieten für problematisch halte, weil dies rechtliche Unsicherheiten und einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich bringen könnte.
Quelle: https://twitter.com/ZIAunterwegs/status/1178594468473257984 |
Auch Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hält nichts von einer Mietenabsenkung. Er will als Grundlage für den Deckel den Mietspiegel von 2019 heranzuziehen. Im Entwurf ist vorgesehen, als Grundlage für den Deckel den niedrigeren Mietspiegel von 2013 zu wählen, weil damals die Mieten noch einigermaßen bezahlbar waren. Wird der Mietspiegel von 2019 zu Grunde gelegt, wäre ein einfaches Einfrieren der Mieten die Folge, was mit der versprochenen Deckelung nichts mehr zu tun hat. "Diejenigen Vermieter, die fett zugeschlagen haben, würden bei einer Zugrundelegung des Mietspiegels 2019 belohnt", kritisierte die Landesvorsitzende der LINKEN, Katina Schubert.
"Ein reines Einfrieren der Mieten wird es mit der LINKEN nicht geben!"
"Die SPD stellt zentrale Bestandteile infrage, unter anderem die Mietobergrenzen und der Absenkungen", kritisiert Katina Schubert und stellt klar: "Ein reines Einfrieren der Mieten wird es mit der LINKEN nicht geben!" Die Mieterinnen und Mieter wären "gekniffen", so Schubert, wenn die Rückwirkung des Mietendeckels nicht gültig wäre und als Grundlage für das Instrument der Mietspiegel 2019 herangezogen würde.
Vizesenatschef und Kultursenator Klaus Lederer (DIE LINKE) verteidigt den Mietendeckel ebenfalls und erinnert daran, dass der Berliner Senat, getragen von SPD, Grünen und LINKEN, gemeinsam einen Eckpunktebeschluss gefasst hat, der "das Einfrieren der Mieten genauso vor(sieht) wie Mietobergrenzen und die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen abzusenken". "Mietsenkungen komplett auszuschließen bricht die gemeinsame Verabredung zu Ziel und Verfahren und gefährdet die selbst gesteckten Ziele inklusive der Stichtagsregelung", schreibt Lederer.
Wir finden nicht, dass ein bisschen Symbolpolitik genügt."Der Berliner Senat, getragen von SPD, Grünen und LINKEN, hat am 18. Juni gemeinsam einen Eckpunktebeschluss gefasst, der im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Er sieht das Einfrieren der Mieten genauso vor wie Mietobergrenzen und die Möglichkeit, unter bestimmten Bedingungen abzusenken. Daraufhin haben übrigens einige Wohnungskonzerne und Genossenschaften nichts Besseres zu tun gehabt, als umgehend Mieterhöhungen zu verschicken. Klaus Lederer, Facebook, https://www.facebook.com/DrKlausLederer/posts/2591178887601173 |
Der LINKEN-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Udo Wolf bekräftigte, dass sich DIE LINKE nicht mehr erpressen lassen wird. "Geändert hat sich die Art und Weise, wie Konflikte in der Koalition ausgetragen werden. Wir lassen uns nicht mehr erpressen. Eine Dreierkonstellation muss anders funktionieren. Deshalb lautet die Frage: Was will Rot-Rot-Grün mit dem Mietendeckel?", sagte er gegenüber dem Tagesspiegel.
Auf der gestrigen Demo hieß es, der Senat habe die Wahl: Entweder er stelle sich auf die Seite der Immobilienwirtschaft oder auf die der Mieter*innen.
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