28.04.2021: Für Kerem Schamberger sind Repression und Drohungen nichts Neues. Jetzt hat ein bayerischer AfD-Landtagsabgeordneter mit einer Anfrage an die Bayerische Staatsregierung das antifaschistische Engagement des Kommunikationswissenschaftlers in den Fokus gerückt.
Der ulrarechte AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier hat am 1. April eine schriftliche Anfrage mit dem Titel ″Solidarität mit Linksextremisten an der LMU″ gestellt. Er fragt darin die Staatsregierung und das Landesamt für Verfassungsschutz, wie sie die Solidaritätsbekundungen des Kommunikationswissenschaftlers Kerem Schamberger mit der Antifaschistin Lina E. auf Twitter bewerte, welche Verbindungen er in die ″linksextreme Szene (auch ausländisch)″ habe und warum so einer wie er an der Ludwig-Maximilians-Universität arbeiten dürfe. Schamberger bezeichne sich als Kommunisten und habe erklärt, an der Seite der HDP und des kurdischen Studierendenverbands YXK zu stehen. Der Uni-Mitarbeiter engagiere sich "bei der Partei Die Linke", enthüllt der Landtagsabgeordnete. Kein Geheimnis, denn Kerem Schamberger ist Direktkandidat der Linkspartei zur Bundestagswahl für München-Süd. Aber Christoph Maier weiß noch mehr und informiert darüber die Bayerische Staatsregierung: "Er ist weiterhin .. Mitglied des Vereins marxistische linke und engagiert bei der Aktionsgruppe Untergiesing".
″Klar ist, dass die AfD mit solchen Anfragen einen öffentlichen Skandal provozieren will″ erklärt Kerem Schamberger. ″Gleichzeitig markiert sie damit politische Gegner*innen, die damit zur Zielscheibe von rechten Anschlägen werden können. Deshalb muss darüber gesprochen werden und deshalb veröffentliche ich diese Anfrage″, ergänzt Kerem Schamberger.
Die Anfrage des AfD-Abgeordenten ist eine Fortsetzung der Drohung mit einem Berufsverbotes durch den Verfassungsschutz, die 2016 seiner universitären Anstellung monatelang im Wege stand.
|
|
|
Morddrohungen durch türkische Faschisten
″Neben ständiger Morddrohungen türkischer Faschisten in den letzten Wochen, melden sich nun also auch noch ihre deutschen Brüder im Geiste im bayerischen Landtag zu Wort″ sagt Schamberger. Schamberger wird ebenso wie die österreichische Grünen-Politikerin Berîvan Aslan, die Ko-Vorsitzende der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Cansu Özdemir, die Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut, der kurdische Journalist Nuri Akman und der Theologe Sami Grigo Baydar von türkischen Fachisten mit dem Tod bedroht.
In einer gemeinsamen Erklärung haben sie sich an die Öffentlichkeit gewandt und darüber informiert, dass die Drohungen von Accounts wie ″Jitemci.turkeyy″ oder "kodadiyesil" ausgehen In den Botschaften heißt es zum Beispiel: ″Gute Nacht, der Tod wird dich finden – Jitem″. Die Drohung ist mit einem Bild versehen mit einer Pistole, drei Patronen und einem türkischen Kaffee. Zusätzlich schickt der Account Videos, auf dem ein Leichnam an ein Auto gebunden ist und über den Asphalt geschleift wird.
Der Accountname ″Jitemci.turkeyy″ spielt auf den Geheimdiensts der türkischen Gendarmerie (Jitem) an, der in den 1990er Jahren Tausende Menschen ″verschwinden″ ließ, folterte und ermordete. Der Name "kodadiyesil" ist ein Bezug auf Mahmut Yildirim, einem berüchtigten Auftragsmörder des Jitem.
In der gemeinsamen Erklärung heißt es: ″Der Hass türkischer Faschist*innen richtet sich besonders gegen uns als aktive Kurd*innen, Armenier*innen, Aramäer*innen, Jüd*innen, gegen Linke sowieso. Bestärkt werden sie dabei von ganz oben, also von der türkischen AKP-Regierung - dies ist ein offenes Geheimnis.″ Die Erklärung schließt mit den Worten: ″Was die Faschist*innen mit den Morddrohungen bezwecken wollen? Uns mundtot machen. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern - nicht von allen bisherigen Angriffen und auch nicht von diesem. Ganz im Gegenteil, für uns heißt es nur noch mehr: Weiterkämpfen gegen Nationalismus und Faschismus. Dabei setzen wir auch auf eure Solidarität!″
Auch die AfD-Landtagsanfrage von Christoph Maier sei in diesem Zusammenhang des Einschüchterns und Mundtotmachens zu sehen, so Kerem Schamberger: ″Sie soll mich als Wissenschaftler, Aktivist und auch als Ersatzmitglied des Hauptpersonalrates des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst einschüchtern. Es ist ein Ziel der AfD, den Kultur- und Bildungsbereich in ihrem Sinne politisch zu ′säubern’″.
Hintergrund: Solidarität mit der Antifaschistin Lina E.
Aufhänger für die AfD-Anfrage ist eine Solidaritätserklärung von Schamberger mit der Antifaschistin Lina E., die seit Anfang November 2020 in Untersuchungshaft sitzt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr antifaschistische Aktionen gegen Neofaschisten und ihre Räume vor. Sie soll Gründerin einer ″kriminellen Vereinigung″ sein, weil sie einen Neonazi verprügelt haben soll, der rechtsextreme Kampfsportevents in Thüringen organisiert. Die ″Beweise″: Sie nutzt die Signal-App und hatte Perücken, Bargeld, Handys und Hämmer in ihrer Wohnung.
Der rechtsexremistische Landtagsabgeordnte Christoph Maier moniert: ″Am 27.03.2021 erklärte sich Schamberger auf Twitter mit der Linksextremistin Lina E. Solidarisch. Er twitterte: ′Übrigens: Free Lina. Antifaschismus ist kein Verbrechen.′″
Schamberger dazu: ″Es liegt in der Logik des Staates, der seit Jahren nicht konsequent gegen faschistische Organisierung vorgeht, der einen Verfassungsschutz am Leben hält, der diese sogar noch finanziert und personell unterstützt hat, jetzt diejenigen Menschen, die auf vielfältige Art und Weise gegen Nazis vorgehen, mit Repression zu überziehen, einzusperren und vor Gericht zu stellen. Wie viele rechte Soldaten, Polizisten und Reichsbürger, in deren Gärten und Garagen in den letzten Jahren Sprengstoff, Schusswaffen und Munition gefunden wurden, sitzen derzeit eigentlich ein?″
Der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier gehört übrigens zum (angeblich aufgelösten) faschistischen ″Flügel″ der AfD, demonstriert gemeinsam mit Nazis von der 3. Weg und singt dementsprechend auch gerne die erste Strophe des ″Deutschlandliedes″ in der Öffentlichkeit. Dass er seine Landtagsanfrage mit einem Artikel der ″Jungen Freiheit″, einer Zeitung der extremen Rechten, ″belegt″, passt da nur ins Bild. Dass auch ihm antifaschistischer Widerstand – auf der Straße und im Parlament – entgegengebracht werden muss, versteht sich von selbst.
„Jetzt erst recht: Freiheit für Lina E.“
Für Kerem Schamberger sind Repression, Hetze und Drohungen nichts Neues. Jahrelang wurde in München gegen ihn wegen des Zeigens von Symbolen der YPJ/YPG ermittelt, sogar seine Wohnung wurde durchsucht. Im Februar wurden alle diesbezüglichen Verfahren gegen ihn eingestellt.
Er bleibt seiner antifaschistischen Überzeugung treu und erklärt: ″Ich bleibe meiner antifaschistischen Überzeugung treu und sehe auch die Ludwig-Maximilians-Universität in einer antifaschistischen Tradition stehend. Die Gedenkstätte für die Widerstandsgruppe Weiße Rose im Hauptgebäude steht dafür ein: Wehret den Anfängen. Wobei diese schon längst begonnen haben.
Deshalb gilt immer noch und jetzt erst recht: Freiheit für Lina E. – Wir sind alle Antifa!″