27.09.2024: Die Gleichen, die sich über das Bürgergeld echauffieren und das 49-Euro-Ticket für nicht finanzierbar erklären, geben Steuerbetrügern einen Freifahrtschein. Durch ein neues Gesetz könnten 28,5 Milliarden aus illegalen CumCum-Geschäften bald für immer weg sein. Sehr viele CumCum-Täter werden ungeschoren davonkommen.
Am Donnerstag hat die Ampel im Bundestag das "Bürokratieabbaugesetz" beschlossen, um das Dickicht an Formularen und Bestimmungen in Deutschland lichten, wie die Bundesregierung sagt.
Doch das Gesetz hat es in sich. Ein kleiner Abschnitt wird folgenschwere Auswirkungen haben. Es geht darum, wie lange Unternehmen Buchungsbelege und Rechnungen aufbewahren müssen. Die sollen in Zukunft nach nur acht Jahren vernichtet werden können.
Dabei geht es auch um die wichtigsten Beweismittel für Ermittlungen gegen Milliardensteuerbetrügereien wie CumCum und CumEx, den größte Steuerraub der deutschen Geschichte.
Die kriminellen Geschäfte wurden auch durch enge Verstrickungen zwischen der Finanzszene und Politik geschützt. Vor allem die Geschehnisse in Hamburg stehen dafür sinnbildlich. Obwohl das Hamburger Finanzamt 2016 knapp 50 Millionen Euro CumEx-Gelder von der Warburg Bank zurückfordern wollte, entschied Hamburg in letzter Minute der CumEx-Bank die gestohlenen Steuergelder einfach zu überlassen. Kurz zuvor traf sich Olaf Scholz, damals amtierender Bürgermeister, mit Christian Olearius, Eigentümer der Warburg Bank. An die Inhalte der Treffen kann sich der jetzige Bundeskanzler aber nicht mehr erinnern. Laut Olearius’ eigenen Tagebüchern riet Scholz ihm allerdings, ein Verteidigungsschreiben an Finanzsenator Peter Tschentscher zu schicken. Tschentscher übermittelte das Schreiben an die Steuerverwaltung, wobei pikanterweise die Argumente der Bank markiert sind. Tatsächlich wurde schlussendlich auf eine Rückforderung verzichtet, womit die Ansprüche Ende 2016 verjährten. (siehe Finanzwende e.V., 28.09.2022: CumEx - Ein nicht enden wollender Skandal https://www.finanzwende.de/themen/cumex/)
Erst vor wenigen Jahren hatte der Bundestag die Verjährungsfristen für besonders schwere Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre angehoben. Mit der Regelung sollte Ermittlern die nötige Zeit verschafft werden, die hochkomplexe Verfolgung der Steuerstraftäter aufzunehmen.
28,5 Milliarden Euro – so hoch ist der geschätzte Schaden durch CumCum-Geschäfte in Deutschland. Zurückgeholt wurde von diesen Steuermilliarden weniger als ein Prozent.
Dennoch hat der Bundestag am Donnerstag ein Gesetz beschlossen, das es Banken ermöglicht, quasi legal Beweise zu vernichten, die ihre Beteiligung an CumCum-Geschäften belegen könnten. Die Unterlagen sind dann weg, die Steuermilliarden aber auch.
Steuerbetrug: Ohne Belege keine Anklage und keine Steuerrückforderung. Die Steuermilliarden sind dann weg
Ein Ermittlungsstopp für Staatsanwälte und Steuerfahnder, die Steuerbetrügereien wie Cum-Ex, Cum-Cum oder Umsatzsteuerkarusselle, mit denen Kriminelle den Fiskus um Milliardensummen bestahlen, auf der Spur sind. Weil Cum-Ex- und Cum-Cum-Fälle erfahrungsgemäß verschleiert werden, um die Aufklärung zu erschweren, kommt die Beteiligung zum Beispiel einer Bank meistens erst Jahre später ans Licht, sagt die einstige Cum-Ex-Chefermittlerin und heutige Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation "Finanzwende", Anne Brorhilker. "Doch je kürzer die Aufbewahrungsfrist, desto größer die Chance, dass die Beweise dann legal vernichtet sind."
Das Bundesfinanzministerium rechnet durch die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen mit Steuerausfällen in Höhe von 200 Millionen Euro im Jahr. "Die Realität dürfte weit düsterer aussehen. Denken wir an die Milliardenschäden durch Umsatzsteuerkarusselle, Cum-Ex und ähnliche Betrügereien. Finanzämter benötigen oft Jahre, um komplexe Steuerkonstrukte aufzudecken. Die geplante Verkürzung ist daher ein gefährlicher Schritt. Sie behindert die Aufarbeitung von Cum-Cum und ähnlichen Geschäften", sagen Experten.
Anne Brorhilker kritisiert: "Die Bundesregierung erleichtert es, Steuern zu hinterziehen. Eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren ist viel zu wenig, weil schwere Steuerstrafdelikte erst nach 15 Jahren verjähren. Die Täter könnten also eigentlich noch belangt werden, dürfen aber quasi legal Beweismittel vernichten. Die Unterlagen sind dann weg, die Milliarden auch."
Cum-Ex-Chefermittlerin wirft entnervt hin: "Die Großen lässt man laufen" |
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Organisierte Kriminalität in Nadelstreifen. Straffrei? |