Europa

Corona Impfdosen06.05.2021: Während bei der WTO über den Vorschlag Indiens und Südafrikas verhandelt wird, die Patente auf Impfstoffe gegen Covid vorübergehend auszusetzen, meldet sich US-Präsident Joe Biden zu Wort und sagte, dass er die Ausnahmeregelung für das geistige Eigentum des Impfstoffs unterstützen will. Jetzt liegt der Ball im Feld der Europäischen Union.

 

Die Auseinandersetzungen um Anti-Covid-Patente im Allgemeinen Rat der Welthandelsorganisation (WTO) gingen gestern (5.5.) in Genf weiter. Bisher haben zehn Treffen in sieben Monaten keinen Durchbruch gebracht und auch gestern endete die Debatte wieder einmal ohne Einigung.

Die Koalition von Ländern, die ein temporäres Moratorium für Patente fordern, angeführt von Indien und Südafrika, hat bisher die Unterstützung von über hundert Mitgliedsstaaten erhalten. Für die Verabschiedung des Moratoriums reicht es trotzdem nicht, denn bei der WTO benötigen Anträge eine Zweidrittelmehrheit der 164 Mitgliedsstaaten. Üblicherweise wird in Genf immer nach einem Kompromiss gesucht, mit dem alle einverstanden sind.

Im Wesentlichen sind die Verhandlungen, die im Oktober 2020 begannen, jedoch nicht vorangekommen und die Positionen bleiben unverändert. Einerseits fordern Indien und Südafrika die Beseitigung von geistigen Eigentumsbarrieren nicht nur bei Impfstoffen, sondern vor allem bei Medikamenten, die gegen Covid wirken, und bei diagnostischen Tests, die weniger Know-how erfordern und leicht reproduzierbar sind. Auf der anderen Seite argumentieren die Regierungen der kapitalistischen Zentren in denen die Pharma-Giganten beheimatet sind, dass die internationalen Handelsregeln bereits den Verzicht auf Patente erlauben, um die Verfügbarkeit von Medikamenten in Gesundheitskrisen zu erhöhen. Diese Verfahren gelten jedoch als schwerfällig und nicht praktikabel.

Joe Biden unterstützt das Moratorium.

In der WTO blockieren vor allem die USA und die Europäische Union bisher die Patentfreigabe. In den beiden Blöcken scheinen sich die Dinge jedoch zu ändern. Am gestrigen Abend gab Biden eine überraschende Zustimmung zu einem auf Impfstoffe beschränkten Moratorium. Die Nachricht könnte den Ausgang der Verhandlungen verändern und das internationale Image der USA gegenüber dem in der Ära Trump herrschenden Impf-Nationalismus verändern.

Der linke Flügel der Demokraten und Aktivist*innen hatten in den letzten Wochen mit Briefen und Demonstrationen Druck auf das Weiße Haus gemacht, den nun verkündeten Schritt zu gehen. Dementsprechend erfreut reagierte die Gruppierung der Parteilinken ″Congressional Progressive Caucus″ (CPC). Die Entscheidung könne Leben retten, komme keinen Moment zu früh und sei Ergebnis einer globalen Graswurzelbewegung, erklärte die CPC-Vorsitzende Pramila Jayapal.

Vor einigen Tagen hat die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, auf den Druck des linken Flügels reagiert und in einem Brief an Biden den Vorschlag gemacht, auf die geistigen Eigentumsrechte an den in den USA entwickelten Covid-Impfstoffen zu verzichten. Das geistige Eigentum an den Impfstoffen solle für die internationale Gemeinschaft geöffnet werden und nicht exklusiv den wohlhabenderen Ländern vorbehalten bleiben.

Jetzt folgt Biden den von der linken Strömung vorgebrachten Vorschlägen und ignoriert die Einwände der Republikaner. Zwölf republikanischen Abgeordnete hatten am Vorabend des WTO-Treffens die Biden-Regierung aufgefordert, den Vorschlag Indiens und Südafrikas nicht zu unterstützen.

"Wenn die Vereinigten Staaten auf geistige Eigentumsrechte verzichten würden, würde dies der Innovation und der Produktion schaden, und dies würde zu weniger Impfungen führen", schrieben die 12 Mitglieder des Kongresses in einem Brief an die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai. Diese äußerte jedoch, dass angesichts der Pandemie der Vorschlag, auf bestimmte geistige Eigentumsrechte im Rahmen der globalen Handelsregeln zu verzichten, dringend angegangen werden müsse. "Wie bei allem in dieser Pandemie ist Zeit das A und O", sagte Tai, als sie gebeten wurde, den Zeitrahmen für eine Entscheidung über den Patentverzicht zu benennen.

Corona US Patentfreigabe

 

Blamage für die EU und Merkel

Die Unterstützung für die Patentfreigabe durch den US-Präsidenten ist eine Blamage für die EU und Angela Merkel, aber auch für SPD und Grüne. Den Patentschutz aufzuheben, hat im Bundestag bislang nur die Fraktion von DIE LINKE gefordert. Keine andere Partei wollte mitziehen.

Dabei hat die Europäische Union ein enormes und entscheidendes Gewicht in der Frage der zeitweiligen Freigabe der Patente, denn sie wird in der WTO zwar nur von einer Person vertreten, hat aber ein Paket von 26 Stimmen. Die Position, die bei der WTO zu vertreten ist, obliegt dem Europäische Rat [Anm.: Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union], der dann die EU-Kommission damit beauftragt. Bisher stemmen sie sich gegen den Vorschlag Indiens und Südafrikas den Patentschutz auf Vakzine, Medizin, Diagnostika und Technologien gegen Covid-19 vorübergehend aufzuheben. In der Corona-Pandemie kostet das tausende Menschenleben.

Nachdem die EU-Kommission bisher als Hardliner und strikte Interessenverteterin der Pharma-Industrie aufgetreten ist, reagiert EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dementsprechend schmallippig auf den US-Vorstoß zur Aussetzung von Corona-Impfstoffpatenten. "Die Europäische Union ist bereit, jeden Vorschlag zu diskutieren, der diese Krise wirksam und pragmatisch angeht", erklärte sie. Man müsse sehen, wie der US-Vorschlag diesem Ziel dienen könne. Sie hält den Export von Impfstoffen für wichtiger. "Kurzfristig rufen wir jedoch alle Länder mit Impfstoffproduktion auf, Exporte zu erlauben und alles zu vermeiden, was Lieferketten stören könnte", sagte von der Leyen.

Auch der europäische Block bröckelt

Aber jetzt bewegt sich auch in der EU etwas. Vittorio Agnoletto, Sprecher der Kampagne zugunsten der Europäischen Bürgerinitiative "No Profit On Pandemic", verfolgt aufmerksam die Verhandlungen hinter den verschlossenen Türen der WTO: "Sowohl Belgien als auch Irland versuchen, eine ′Koalition der Willigen’ zu bilden, um sich der Europäischen Kommission zu widersetzen, die zusammen mit der Schweiz die rigideste Position der totalen Abschottung gegenüber den Vorschlägen Indiens und Südafrikas für ein Moratorium aufrechterhält, die in Kürze eine zweite Version ihres Plans angekündigt haben.″

Die Pharma-Giganten und ihre Lobby wollen den Patentschutz zum Wohle ihrer Profite aufrecht erhalten. Kein Wunder, dass der Weltpharmaverband IFPMA die US-Entscheidung als"enttäuschend" bewertet. Dementsprechend reagierten die Finanzmärkte: Die Aktienkurse von Impfstoffherstellern wie Biontech, Moderna und Novavax erlitten teils deutliche Kursverluste. So rutschte der Kurs der Moderna-Aktie um zwischenzeitlich mehr als sechs Prozent in den Keller.

Öffentlichen Druck für die Freigabe der Patente verstärken: ″Kein Profit mit der Pandemie!″

Corona Impfstoff fuer alle MedizinerAnders die internationale öffentliche Meinung. Diese hat sich bereits für das Moratorium ausgesprochen. Laut einer Umfrage der Popular Alliance for Vaccine, einem Netzwerk von Nichtregierungsorganisationen und Verbänden, sind in den G7-Ländern sieben von zehn Menschen der Meinung, dass ihre Regierungen dafür sorgen sollten, dass Pharmaunternehmen die Rezepturen und Technologien im Zusammenhang mit Impfstoffen teilen.

In Italien liegt dieser Prozentsatz sogar bei 82 % und ist damit der höchste unter den sieben großen Ländern. Das dürfte damit zusammenhängen, dass in Italien die linken Kräfte und NGO’s für die Europäische Bürgerinitiative "No Profit On Pandemic" mobilisieren. Von den bisher 183.000 Unterschriften, die in der gesamten Europäischen Union gesammelt wurden, kommen fast 50.000 aus Italien. Mit der Europäischen Bürgerinitiative "No Profit On Pandemic" wird die EU aufgefordert, den Antrag Indiens und Südafrikas auf Aussetzung des Patentschutzes für Impfstoffe und Medikamente gegen COVID-19 zu unterstützen.

Der Vorsitzende der Partei der Europäischen Linken (EL), Heinz Bierbaum, kritisiert in einem Interview mit der Zeitung nd, dass die EL die Europäische Bürgerinitiative zwar unterstützt, aber wenig Mobilisierung dafür erfolgt.

Heinz Bierbaum: ″No Profit on Pandemic läuft vor allem in Italien sehr gut. Bei den Deutschen ist es wie immer etwas schleppend. Wir haben die Initiative mehrfach im LINKE-Parteivorstand eingebracht, es gab auch einen entsprechenden Beschluss. Bei den konkreten Aktivitäten müsste aber noch einiges nachgelegt werden. … Beim gesamten internationalen Bereich und bei der Europafrage sind wir längst nicht auf dem Niveau, das ich erwarte. Ich hoffe, dass die Themen nach der Bundestagswahl neuen Schwung bekommen. Wir haben eine sehr starke Binnensicht und DIE LINKE, die Partei, beschäftigt sich auch furchtbar gern mit sich selber. Das zu verändern, ist sehr mühsam. Aber diese Binnenorientierung liegt vielleicht auch etwas an der Geografie. Eine Partei wie die linke PDB in Belgien ist ganz anders europäisch drauf. Sie hat auch No Profit on Pandemic forciert.″ [1]

Dass der US-Präsident bereit ist, Patente auf Impfstoffe gegen Covid vorübergehend auszusetzen, und dass die EU bröckelt, ist vor allem dem Druck des globalen Südens und einer weltweiten Allianz progressiver NGOs zu verdanken. Jetzt gilt es, diesen Druck zu erhöhen.

Nach dem Allgemeinen Rat der WTO könnte die nächste Gelegenheit, das Kräfteverhältnis zu verschieben, am 21. Mai auf dem G20-Gipfel für globale Gesundheit kommen. Diesen wird die Europäische Kommission gemeinsam mit dem italienischen G20-Vorsitz in Rom durchführen. 

 

"Jeder verdient Schutz vor Covid-19! Kein Profit durch die Pandemie!"

Corona EBI no profit on pandemic ELEine breite Koalition aus Gewerkschaften des Gesundheitssektors, NGOs, Gruppen von Aktivist*innen, Studierenden und Gesundheitsexpert*innen haben die Europäische Bürgerinitiative "Jeder verdient Schutz vor Covid-19! Kein Profit durch die Pandemie!" ins Leben gerufen, mit dem Ziel Patente auf COVID19-Impfstoffe und -Medikamente aufzuheben. Gesundheit ist ein globales, öffentliches Gut.

Hier geht es zum Text und zum Unterzeichnen: https://noprofitonpandemic.eu/de/

 

 

 

Anmerkungen

[1] nd, 4.5.2021: Heinz Bierbaum: »Die Linke hat eine starke Binnensicht«
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1151597.heinz-bierbaum-die-linke-hat-eine-starke-binnensicht.html


mehr zum Thema auf kommunisten.de

 

 

 

Wir sprechen über Palästina

Gazakrieg Grafik Totoe 2024 04 07

mit Rihm Miriam Hamdan von "Palästina spricht"

Wir unterhalten uns über den israelischen Vernichtungskrieg, die Rolle Deutschlands (am 8. und 9. April findet beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag die Anhörung über die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord statt), die Situation in Gaza und dem Westjordanland und den "Tag danach".

Onlineveranstaltung der marxistischen linken
Donnerstag, 18. April, 19 Uhr

https://us02web.zoom.us/j/82064720080
Meeting-ID: 820 6472 0080


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Logo Ratschlag marxistische Politik

Ratschlag marxistische Politik:

Gewerkschaften zwischen Integration und Klassenkampf

Samstag, 20. April 2024, 11:00 Uhr bis 16:30 Uhr
in Frankfurt am Main

Es referieren:
Nicole Mayer-Ahuja, Professorin für Soziologie, Uni Göttingen
Frank Deppe, emer. Professor für Politikwissenschaft, Marburg

Zu diesem Ratschlag laden ein:
Bettina Jürgensen, Frank Deppe, Heinz Bierbaum, Heinz Stehr, Ingar Solty

Anmeldung aufgrund begrenzter Raumkapazität bis spätestens 13.04.24 erforderlich unter:
marxlink-muc@t-online.de


 

Farkha2023 21 Buehnentranspi

Farkha-Festival 2024 abgesagt.
Wegen Völkermord in Gaza und Staatsterror und Siedlergewalt im Westjordanland.
hier geht es weiter zum Text


 

 

UNRWA Gazakrieg Essenausgabe

UNRWA Nothilfeaufruf für Gaza
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Mehr als 2 Millionen Menschen, darunter 1,7 Millionen Palästina-Flüchtlinge, zahlen den verheerenden Preis für die Eskalation im Gazastreifen.
Zivilisten sterben, während die Welt zusieht. Die Luftangriffe gehen weiter. Familien werden massenweise vertrieben. Lebensrettende Hilfsgüter gehen zur Neige. Der Zugang für humanitäre Hilfe wird nach wie vor verweigert.
Unter diesen Umständen sind Hunderttausende von Vertriebenen in UNRWA-Schulen untergebracht. Tausende unserer humanitären Helfer sind vor Ort, um Hilfe zu leisten, aber Nahrungsmittel, Wasser und andere lebenswichtige Güter werden bald aufgebraucht sein.
Das UNRWA fordert den sofortigen Zugang zu humanitärer Hilfe und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln und anderen Hilfsgütern für bedürftige Palästina-Flüchtlinge.
Dies ist ein Moment, der zum Handeln auffordert. Lassen Sie uns gemeinsam für die Menschlichkeit eintreten und denjenigen, die es am meisten brauchen, die dringend benötigte Hilfe bringen.

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge

Spenden: https://donate.unrwa.org/gaza/~my-donation


 

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