09.11.2021: Wenig überraschend haben Daniel Ortega und die FSLN die Wahlen am Sonntag gewonnen ++ die populäre linke Politik der FSLN hat das Leben der Menschen verbessert und diese wollen, dass das so bleibt ++ Facebook zensierte im Wahlkampf ++ USA und EU erkennen Wahl nicht an und setzten weiter auf "Regime-Change" ++ Es geht nicht nur um Nicaragua: Das aufstrebende China ist für die USA im angestammten "Hinterhof" eine Herausforderung.
Wenig überraschend haben Daniel Ortega und die FSLN die Wahlen am Sonntag gewonnen. Schon seit Monaten lag die FSLN in Umfragen mit 50 bis 70% weit vor ihren Herausforderern, die in den Meinungsumfragen auf etwa 10 bis 15% kamen. 69,8% der Nicaraguaner*innen gehen davon aus, dass die Zukunft des Landes in den nächsten fünf Jahren von Stabilität, Sicherheit und wirtschaftlichem Fortschritt geprägt sein wird, und 79,3% erkennen die seit der Rückkehr der FSLN an die Macht erzielten Fortschritte an. Darin wird deutlich, dass die populäre linke Politik der FSLN das Leben der Menschen verbessert hat und diese wollen, dass dies so bleibt. Die Menschen, die 17 Jahre die "lange neoliberale Nacht" mit Korruption und erzwungener Armut durch die rechte Opposition erlebten, als diese an der Regierung war, wollen nicht, dass diese Zeiten zurückkehren.
Die eigentliche Gefahr für die FSLN lag in der Wahlenthaltung, obwohl 40 bis 45% mehr als genug wären, um die Kritik derjenigen zu entkräften, die nicht einmal 35% Wahlbeteiligung erreichen.
An der Wahl am 7. November beteiligten sich neben der regierenden FSLN die Partido Liberal Constitucionalista (PLC), der die beiden ehemaligen Präsidenten des Landes, Arnoldo Alemán (1997-2002) und Enrique Bolaños (2002-2007) angehörten; der Camino Cristiano Nicaragüense (CCN), angeführt vom Parlamentsabgeordneten und evangelikalen Prediger Guillermo Osorno; die Alianza Liberal Nicaragüense (ALN), die Alianza por la República (APRE) sowie die Partido Liberal Independiente (PLI).
Gewählt wurden die Präsidentschaft und die Vizepräsidentschaft, die 92 Abgeordneten der Nationalversammlung sowie die 20 Sitze im Zentralamerikanischen Parlament.
Ein Teil der zersplitterten Opposition rief zum Wahlboykott auf. Sie folgte damit der US-Regierung, die es vorzog, die parlamentarische Opposition, die fünf Parteien die gegen die FSLN und Daniel Ortega antraten, zu opfern und auf einen Wahlboykott und die Delegitimierung der Wahlen setzte, um größere Zustimmung für einen Regimewechsel zu erzeugen.
Internationales Aufsehen erregte, als Cristiana Chamorro Anfang Juli unter dem Vorwurf der Geldwäsche unter Hausarrest gestellt und von der Wahl ausgeschlossen wurde. Die USA haben der nicaraguanischen Opposition in den letzten Jahren über USAID, NED und andere Regierungskanäle mehr als 200 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Mit der Verabschiedung eines neuen Gesetzes, das eine ausländische Finanzierung von politischen Aktivitäten verbietet, sollte sich die Chamorro-Stiftung als "ausländischer Agent/Vertreter/Beauftragter" registrieren lassen, um gesetzlich autorisiert zu sein, weiterhin solche Finanzierungen zu erhalten. Aber das wollte sie nicht tun, weil es sie politisch diskreditieren würde, und wusch dann das Geld, das sie von den US-Staatsagenturen erhalten hatte, in ihrer Buchhaltung. Für die US-Regierung und die rechte Opposition ein willkommener Anlass, die Medienkampagne gegen den nicaraguanischen Wahlprozess zu intensivieren. Behauptet wird, dass Ortega Oppositionsführer*innen inhaftieren lässt, um zu verhindern, dass sie ihn bei den Wahlen besiegen. Doch selbst die der Opposition wohlgesonnenen "Umfragen" gingen davon aus, dass die bekannteste Oppositionskandidatin Cristiana Chamorro auf höchstens 21% der Stimmen gekommen wäre.
Überwältigender Sieg der FSLN bei einer Wahlbeteiligung von 65,23%
Am Montagnachmittag um 13.00 Uhr Ortszeit gab die Präsidentin des Obersten Wahlrates (CSE), Brenda Rocha, nach Auszählung der Stimmen von 97,74% der Wahllokale den zweiten Bericht heraus. Demnach beteiligten sich 2.876.559 Nicaraguaner*innen an der Wahl, 2.704.705 Stimmen waren gültig. Damit haben 65,23% der nicaraguanischen Bevölkerung an den allgemeinen Wahlen 2021 teilgenommen.
Bei der Wahl des Präsidenten hat Daniel Ortega (FSLN) 75,92% der Stimmen erhalten, sein engster Verfolger, Walter Espinoza von der Partido Liberal Constitucionalista (PLC), kommt auf 14,15% der Stimmen, was dem Ergebnis von 2016 (15,03 %) sehr nahe kommt. Die restlichen vier Parteien liegen alle unter vier Prozent (CCN: 3,30%; ALN: 3,15%; APRE: 1,78 %; PLI: 1,70%)
In der Nationalversammlung ist die FSLN künftig mit 75 Abgeordneten (+ Daniel Ortega) vertreten. Desweiteren PLC: 10; ALN: 2; CCN, PLI und APRE jeweils 1 Mandat; und die regionale Yatama ebenfalls mit einem Abgeordnetenmandat.
Im Zentralamerikanischen Parlament ist Nicaragua künftig mit 15 Abgeordenten der FSLN, zwei der PLC und jeweils einem von APRE, ALN und PLI vertreten.
CSE akkreditierte 232 Wahlbeobachter aus 27 Ländern und 600 Journalisten
Die Wahlen und die Stimmauszählung wurden von Vertreter*innen der kandidierenden Parteien und Wahlbeobachter*innen aus 27 Ländern überwacht. Zwar lud die Regierung keine Beobachter*innen der Organisation Amerikanischer Staaten OAS, der Europäischen Union und des Carter-Zentrums ein, der Oberste Wahlrat teilte aber mit, dass 232 Beobachter*innen aus 27 Ländern und 600 Journalist*innen bei den Wahlen anwesend waren. Insbesondere die OAS erweist sich immer wieder als Instrument der Regime-Change-Politik der US-Regierung, zuletzt beim Staatsstreich in Bolivien nach der Wahl von Evo Morales zum Präsidenten.
Tausende von Anhänger*innen der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront FSLN gingen am frühen Montagmorgen auf die Straße, nachdem sie die ersten Ergebnisse der Wahlen erfahren haben. |
Biden: Wahl "weder frei noch fair"
In der Berichterstattung über die Wahlen in Nicaragua folgen die internationalen Medien bis hin zu linken Zeitungen und NGOs einem Drehbuch, das im Voraus ausgearbeitet wurde, um einen Wahlsieg der Sandinist*innen zu diskreditieren, von dem sie wussten, dass er eintreten würde, unter anderem, weil die wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der sandinistischen Regierungen zu einer breiten Unterstützung vor allem der ärmeren Bevölkerungsschichten geführt haben.
So wird beklagt, dass – unter z.B. unter Verweis auf die der Chamorro-Familie gehörende Tageszeitung "La Prensa" - die oppositionelle Presse verboten sei. Tatsächlich erscheint die gedruckte Auflage von "La Prensa", die im Abonnement an die mittel- und obere Klasse verkauft wurde, nicht mehr. Die große Mehrheit der nicaraguanischen Gesellschaft liest keine Papier-Zeitungen. Die digitale Ausgabe der Zeitung La Prensa wird jedoch täglich ohne Probleme veröffentlicht.
Es gibt mehrere unabhängige, private Fernsehsender (Kanal 10, 12, 14, 23), die verschiedene Grade von oppositioneller Aggressivität zum Ausdruck bringen. Kanal 10 ist der gewalttätigste, und es ist normal, dass man dort an jedem beliebigen Tag sagen hört: "Der Diktator Daniel Ortega ist ein Verbrecher, der Bauern tötet" und nichts passiert!
Doch schon am Sonntagabend bezeichnete US-Präsident Joe Biden die Wahl als "weder frei noch fair und ganz sicher nicht demokratisch" und drohte mit neuen Sanktionen.
Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte die Wahl als "Fake". Sie diene einzig dazu, Ortega an der Macht zu halten, "ihr Ergebnis ist daher nicht legitim". Er kündigte an, die EU werde "weitere Maßnahmen ergreifen, auch Maßnahmen, die über einzelne Beschränkungen hinausgehen können".
Wahlen unter Bedingungen von US-Sanktionen
Im regionalen Kontext Zentralamerikas ist Nicaragua das einzige Land, das unter US-Sanktionen an die Urnen geht. Washington hat seit dem Triumph der sandinistischen Revolution im Jahr 1979, als es eine konterrevolutionäre paramilitärische Truppe für einen brutalen "Contra-Krieg" finanzierte, alle Methoden der Destabilisierung in dem mittelamerikanischen Land eingesetzt. Bis heute betrachtet die US-Regierung das sandinistische Nicaragua als Feind, oder wie es in einer von Ex-Präsident Trump unterzeichneten Präsidialbestimmung heißt, als "eine Bedrohung von ungewöhnlicher Schwere für die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten". Mit Wirtschafts- und Finanzsanktionen, Finanzierung der Opposition, Zensurmaßnahmen in sozialen Netzwerken und einer weltweiten medialen Desinformationskampagne versuchen die USA bis heute einen "Regimewechsel" in Nicaragua inszenieren zu können.
Facebook zensierte im Wahlkampf
Einer der jüngsten Fälle in Nicaragua ist eine Zensurkampagne vor den Wahlen durch Facebook, Instagram und Twitter. Wie Associated Press AP berichtete, hat Facebook im Oktober 937 Facebook-Konten, 140 Seiten, 24 Gruppen und 363 Instagram-Konten, die mit dem Netzwerk verbunden sind, geschlossen. Betroffen sind Journalist*innen und Aktivist*innen, die die Sandinistische Nationale Befreiungsfront (FSLN) unterstützen. Die Zensurkampagne fegte auch Medien, die eine linke Medienagenda vertreten, von den digitalen Plattformen. Profile mit Tausenden von Anhängern, die zu großen und einflussreichen Medien in diesem Land gehören, wurden abgeschaltet.
Facebook begründet die Abschaltung damit, dass die Konten "Informationen verbreiteten, die darauf abzielten, eine Meinung zugunsten der Regierung von Daniel Ortega und gegen die Opposition in Nicaragua zu schaffen". (AP, 2.11.2021, https://apnews.com/article/noticias-b20048939328c67fb2b8a85ac1febd2f)
Nicaragua gewappnet gegen weitere Sanktionen
Nach dem Wahlsieg der FSLN werden die einseitigen Zwangsmaßnahmen der USA in Form von Sanktionen wahrscheinlich zunehmen, und die EU wird sich dem wohl anschließen.
Das Land befindet sich jedoch in einer guten Position, um ihnen entgegenzutreten, denn neben der politischen Souveränität, die es heute besitzt, gibt es auch die Nahrungsmittel- und Energiesouveränität, die in den Jahren der Regierung von Daniel Ortega erreicht wurde.
Was die Landwirtschaft betrifft, so hat Nicaraguas genossenschaftliches und kleinbäuerliches Modell zu einer Verringerung der Ernährungsarmut geführt, Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen und eine nachhaltige Landwirtschaft ermöglicht. 90 % der Lebensmittel in Nicaragua werden im Land von Landwirten erzeugt, die in der Vereinigung der Landarbeiter (ATC) zusammengeschlossen sind. Die Lebensmittel sind billig, stammen aus der Region und werden nicht mit gefährlichen Chemikalien verarbeitet. Die Tatsache, dass die Landwirtschaft von Kleinerzeugern betrieben wird, sorgt dafür, dass traditionelle Methoden der Landnutzung und andere ökologisch nachhaltige Praktiken angewandt werden. Diese Anbaumethode hat sich zur Ernährungssouveränität entwickelt
In Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter hat Nicaragua einige ermutigende Erfolge erzielt. Frauen stellen 59% der Richterschaft, 56% der Exekutive, 45% der Nationalversammlung, 46% der Bürgermeister, 60% der Vizebürgermeister und 50% der Gemeinderäte, in vielen Teilen Nicaraguas gibt es Frauenkooperativen. Mit der Änderung des Wahlgesetzes wird vorgeschrieben, dass 50% der Wahlmandate von Frauen besetzt werden müssen.
Das öffentliche Gesundheitssystem ist das umfangreichste und modernste in Zentralamerika, mit 21 neuen Krankenhäusern, 46 renovierten und modernisierten Krankenhäusern sowie 1.259 Gesundheitsposten, 192 Gesundheitszentren und 178 Unterkünften für schwangere Frauen. Zweiundfünfzig Prozent der nicaraguanischen Gesamtbevölkerung ab zwei Jahren sind bereits gegen Covid-19 geimpft.
Während die Länder Lateinamerikas im vergangenen Jahr 7,4% ihres Bruttoinlandsprodukts verloren haben, ist die Wirtschaft Nicaragua um 2% gewachsen. Keine nicaraguanische Regierung hat jemals so viel Geld in den Tresoren der Zentralbank gehabt wie die jetzige, die laut Daten der Banco Central de Nicaragua (BCN) über Devisenreserven in Höhe von über 4 Mrd. US-Dollar verfügt.
Doch es geht nicht nur um Nicaragua.
Im "Hinterhof" der USA widerspiegeln sich die schlimmsten globalen Trends stärker und alle Konflikte und Widersprüche verschärfen sich in Lateinamerika. Die Welt ist von der Unipolarität zur Bipolarität zurückgekehrt und sogar zu einem neuen Kalten Krieg, der von den Vereinigten Staaten bereits offiziell erklärt wurde.
Für die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder ist die VR China in den letzten Jahren zum wichtigsten Handelspartner geworden. Das Volumen des bilateralen Handelsaustausches zwischen Peking und den Ländern der Region ist kontinuierlich gewachsen. Heute stellt China den wichtigsten Zielmarkt für Exporte aus Brasilien, Chile, Peru, Kuba, Uruguay, den zweitwichtigsten für Costa Rica und drittwichtigsten für Argentinien und Kolumbien dar.
Im Rahmen der weltweiten Hilfskampagne hat der lateinamerikanische Gesundheitssektor zahlreiche Mundschutzmasken, Beatmungsgeräte und Tests aus China gespendet bekommen. Während der Pharma-Gigant Pfizer/BionTech die Länder des globalen Südens Impfstoff nur mit Knebelverträgen liefert, unterstützte China schon früh den Kampf gegen COVID-19 mit der Lieferung von Impfstoffen und dem Aufbau von Produktionsstätten. Brasilien spielte eine wichtige Rolle in der klinischen Erforschung des chinesischen Impfstoffs CoronaVac.
Auf dem Treffen China – CELAC im September 2018 in Nanjing erklärte der Chef der Lateinamerikaabteilung des chinesischen Außenministeriums, Zhao Bentang, dass sich Lateinamerika mit 200 Milliarden US-Dollar zum zweitwichtigsten Ziel chinesischer Investitionen entwickelt hat. In Lateinamerika sind 2.000 chinesische Unternehmen tätig, mit 1,8 Millionen Beschäftigten. Die kommerziellen Transaktionen erreichten bereits 2018 145,3 Milliarden US-Dollar.
Das aufstrebende China ist für die USA im angestammten "Hinterhof" eine Herausforderung. Somit geht es den USA darum, ihren teilweise stark zurückgegangenen Einfluss auf die Länder der Region wiederzugewinnen, unbotmäßige Regierungen wie die Nicaraguas, Kubas, Venezuelas, … zu isolieren und zu stürzen, und die Kontrolle über die Naturressourcen durch "Regimewechsel" aufrecht zu erhalten.
mehr zu Nicaragua auf kommunisten.de
- USA versuchen, die Wahlen in Nicaragua zu sabotieren, Apr. 2021
- Die schwierige Darstellung der Ereignisse in Nicaragua, Okt. 2018