19.11.2024: Pünktlich zum G20-Gipfel hat China den größten Tiefseehafen auf der Pazifikseite Südamerikas eröffnet ++ Der Hafen in Chancay (Peru) wird das neue Drehkreuz zwischen Südamerika und Asien ++ Lateinamerika ‒ Eine umkämpfte Region zwischen zwei Machtpolen ++ EU drängt auf Abschluss des Mercosur-Abkommens
Pünktlich zum G20-Gipfel in Brasilien hat der chinesische Staatspräsident Xi Jinping gemeinsam mit der Präsidentin von Peru den Hafen in Chancay, Peru, eröffnet. Es ist der mit Abstand größte Tiefseehafen auf der Pazifikseite Südamerikas und einer der größten Schifffahrtshäfen der Welt.
Das 3,5 Milliarden Dollar teure Chancay-Hafenprojekt ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen China und Peru im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI). Er wurde unter der Leitung und Finanzierung des chinesischen Hafenbetreibers Cosco gebaut und finanziert.
Der Hafen liegt im Bezirk Chancay in der Provinz Huaral in Peru, etwa 80 Kilometer von der Hauptstadt Lima entfernt. Der Hafen ist durch einen Tunnel mit der Panamericana verbunden, die ihn direkt mit der Hauptstadt Lima verbindet.
Bei Umweltschützern ist der Bau des Hafens umstritten. In der Nähe des Hafens befindet sich ein Feuchtgebiet. China hebt hervor, dass die chinesischen Unternehmen, die den Hafen bauen, während der Bauarbeiten auf Lärmschutz, Beleuchtung und Staubentwicklung geachtet haben, um die Auswirkungen auf die "Bewohner" des Feuchtgebiets zu minimieren, und sich aktiv an der Rettung von Robben, Pinguinen, Pelikanen und anderen Tieren beteiligt haben, um die lokale Artenvielfalt zu verbessern. Dank fortschrittlicher Technologien Chinas werde der Hafen zu einem kohlenstoffarmen und modernen intelligenten Hafen ausgebaut.
Ökonomen heben hervor, dass der Bau des Hafens die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Perus vorantreibe, den technologischen Austausch fördere und den Lebensstandard der lokalen Bevölkerung verbessere. Nach Schätzungen einiger peruanischer Ökonomen wird der Hafen Peru voraussichtlich einen jährlichen wirtschaftlichen Nutzen von 4,5 Milliarden US-Dollar bringen, was 1,8 Prozent des BIP des Landes entspricht. Während der Bauarbeiten seien insgesamt 1.300 direkte und etwa 8.000 indirekte Arbeitsplätze geschaffen worden, was der lokalen Bevölkerung greifbare Vorteile bringe. Perus Wirtschafts- und Finanzminister, José Arista Arbildo, weist darauf hin, dass Perus Wirtschaftswachstumsrate derzeit bei 3,2 Prozent liege, aber mit all den Vorteilen, die der Hafen von Chancay schafft, könnte sie 5-7 Prozent erreichen.
Das neue Drehkreuz zwischen Südamerika und Asien
Der Hafen in Chancay ist als regionaler Knotenpunkt positioniert und wird das neue Drehkreuz zwischen Südamerika und Asien sein und hat eine neue Schifffahrtsroute namens "China Latin America Freight Route" geschaffen.
Sobald diese Schlüsselprojekt der Belt and Road Initiative in Betrieb ist, werden dort Frachten aus Ländern wie Chile, Ecuador, Kolumbien, Brasilien und Paraguay umverteilt. Die maximale Tiefe des Hafens beträgt 17,8 Meter, sodass er für ultragroße Containerschiffe mit einer Kapazität von bis zu 18.000 TEU ausgelegt ist. Außerdem wird die Seefrachtzeit von Peru nach China von 35 bis 40 Tagen auf etwa 23 Tage verkürzt, wodurch die Logistikkosten um über 20 Prozent sinken werden.
Bisher mussten Schiffe aus Peru häufig bis nach Kalifornien fahren, bevor sie genug Fracht für die Überquerung des Pazifiks an Bord hatten. Mit diesem neuen Hafen, der weitaus mehr Fracht aufnehmen kann, können Schiffe jedoch direkt nach Asien fahren und Transportkosten verringern.
Für die USA bedeutet dies, dass ihre Hafen Geschäft und die USA politischen und wirtschaftlichen Einfluss verlieren.
Für China und Lateinamerika bedeutet dies, dass die wirtschaftlichen Beziehungen noch enger werden.
Lateinamerika ‒ Eine umkämpfte Region zwischen zwei Machtpolen
In Südamerika hat man sich inzwischen daran gewöhnt, dass Unternehmen aus China in ganzen Branchen und Regionen die erste Geige spielen. So kontrollieren chinesische Staatskonzerne die Stromversorgung im Bundesstaat São Paulo, dem mit Abstand größten Wirtschaftszentrum Südamerikas, ebenso wie in der peruanischen Hauptstadt Lima.
In Lateinamerika sind chinesische Autos auf den Straßen längst allgegenwärtig. In Mexiko wird jedes dritte Fahrzeug von chinesischen Herstellern produziert. In Brasilien dominieren die chinesischen E-Autos ebenfalls den Markt. In São Paulo hat die chinesische Great Wall Motor Co. (GWM) ein Mercedes-Werk übernommen. Statt der C-Klasse werden hier jetzt chinesische Hybridautos hergestellt, 20.000 pro Jahr ist das Ziel. Im Nordosten des Landes hat Chinas größter E-Autobauer BYD (Build your Dreams) die stillgelegte Ford-Fabrik gekauft und will ab nächstem Jahr jährlich 150.000 E-Autos bauen.
In der chilenischen Hauptstadt Santiago fährt die größte städtische E-Bus-Flotte außerhalb Chinas. Kaum eine Straße in den Anden wird heute ohne chinesische Beteiligung oder Finanzierung gebaut. Im Bergbau der Region sind chinesische Konzerne längst auf dem Vormarsch.
Ob Solaranlagen, Smartphones, Autos, Energieversorgung, Bau von Eisenbahnen, Berg- und Straßenbau - China hat sich über die Jahrzehnte mit eigenen Marken und Produkten etabliert. Der Handel zwischen China und Lateinamerika hat rasant zugenommen. Im Jahr 2023 wurden Waren im Wert von fast 500 Mrd. US-Dollar zwischen China und Lateinamerika ausgetauscht, vor rund zwei Jahrzehnten waren es gerade einmal 18 Mrd. US-Dollar (2002).
Chinas Nachfrage nach Produkten wie Soja, Kupfer, Eisenerz, Öl und Lithium wird weiter steigen. Fast 90 Prozent des Handels werden über Brasilien, Mexiko, Chile, Peru und Kolumbien abgewickelt.
Noch sind die USA führend bei Investitionen und Handel mit Lateinamerika. Das liegt aber vor allem an Mexiko, das über ein Freihandelsabkommen (USMCA) eng mit den USA und Kanada verbunden ist. In Südamerika hingegen dominiert China eindeutig als Handelspartner. Über 20 lateinamerikanische Staaten möchten Chinas neuer Seidenstraße beitreten. Bolivien wurde beim jüngsten BRICS-Gipfel als BRICS-Partner aufgenommen, Kolumbien hat Interesse an einer Mitgliedschaft. (siehe kommunisten.de, 28.10.2024: "BRICS-Gipfel: Alte Akteure treten ab, neue betreten die Bühne.")
Trotz des anhaltenden Vormarschs Chinas in der Region drücken die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Lateinamerika weiterhin das Gewicht Nordamerikas aus, insbesondere in Ländern wie Brasilien, Mexiko und Argentinien. Auch ist zu bedenken, dass die USA im Gegensatz zu China, das in der Region mit anderen Strategien vorgeht, seit mehr als 200 Jahren ihre Dominanz in Lateinamerika ausüben, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell, militärisch und politisch. Gestern mittels Diktaturen, heute mittels institutioneller Mechanismen wie "sanfter Putsch" und Lawfare.
EU drängt auf Abschluss des Mercosur-Abkommens
Die Europäische Union, traditionell der zweitgrößte Handelspartner, wurde inzwischen von China überholt.
Auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro soll nun auch das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Südamerikas (Argentinien, Bolivien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) zur Sprache kommen. Mit dem Abkommen würde eine der weltweit größten Freihandelszonen mit über 715 Millionen Einwohnern (EU: 447 Millionen / Mercosur: 270 Millionen) entstehen. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sind wichtige Absatzmärkte für die deutsche Wirtschaft und wichtige Handels- und Investitionspartner der EU.
Doch es gehe dabei um mehr als nur um ein Handelsabkommen, betont der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD). Auch geopolitisch sei das Freihandelsabkommen entscheidend. Die EU-Mercosur-Allianz wäre das richtige Signal zur richtigen Zeit, um den künftigen US-amerikanischen Interessen unter Präsident Donald Trump und der chinesischen Expansion etwas entgegenzusetzen, heißt es aus Brüssel und Berlin.
Auch Brasiliens Präsident Lula da Silva kündigte an, dieses Abkommen mit der EU abschließen zu wollen. "Wir sind bereit, die Vereinbarung zu treffen", erklärte er vor Beginn des G20-Gipfels. Brasilien will im Rahmen einer multipolaren Weltordnung seine Wirtschaftsbeziehungen möglichst breit diversifizieren.