Wirtschaft

Streik Montanindustrie 195515.01.2020: Vor 65 Jahren, am 14. und 15. Januar 1955, legten die Metall- und Bergarbeiter des Haniel-Konzern, der Hüttenwerke Oberhausen und der Zechen der Gutehoffnungshütte mit Billigung der Hauptvorstände von IG Bergbau und IG Metall für eine Proteststreik die Arbeit nieder. Am 22. Januar streikten dann 600.000 Bergleute und 200.000 Stahlarbeiter vor allem im Ruhrgebiet in allen Schichten einen Tag lang gegen Angriffe auf die Mitbestimmung.

Auslöser für die Streiks war eine Provokation durch den einflussreichen Vorstandsvorsitzenden der Oberhausener Gutehoffnungshütte, Hermann Reusch. "Das Mitbestimmungsgesetz für Eisen und Kohle ist das Ergebnis einer brutalen Erpressung durch die Gewerkschaften. Es ist zu einer Zeit durchgesetzt worden, in der die Staatsgewalt noch nicht gefestigt war.", hatte er vor seinen Aktionär*innen getönt. Das Gesetz zur paritätisch Mitbestimmung in der Montanindustrie war 1951 unter dem Druck der Gewerkschaften vom Bundestag beschlossen worden; im Gegenzug verabschiedeten sich die Gewerkschaften von weiter reichenden Forderungen nach Sozialisierung der Montanindustrie.

Die "provokatorischen Äußerungen " wurden als "Angriffe auf die Rechte der Arbeitnehmerschaften" gewertet, denen man mit "entschlossener Abwehr" begegnen müsse, hieß es im Streikaufruf des Hauptvorstandes der IG Bergbau. Hermann Reusch war als einer der "übelsten Scharfmacher des Monopolkapitals" ein "rotes Tuch" für die Gewerkschaften. Er lehnte die 1951 gesetzlich verankerte paritätische Mitbestimmung in der Montanindustrie von Beginn an entschieden ab und bekämpfte die Gewerkschaften mit allen ihm möglichen Mitteln. Beim Nürnberger I.G.-Farben-Prozess trat er als Zeuge dem Vorwurf entgegen, dass die Großindustrie in besonderem Maß als Wegbereiter Adolf Hitlers gewirkt habe. Er organisierte maßgeblich die Finanzierung der Vertretung von Friedrich Flick im sog. Flick-Prozess, der im Nürnberger Justizpalast vor einem US-amerikanischen Militärgericht durchgeführt wurde und der erste von drei Prozessen gegen führende Industrielle Nazi-Deutschlands war.

Die Streikbilanz: 280.000 Tonnen Kohle, 60.000 Tonnen Stahl, 40.000 Tonnen Eisen weniger. Bundeskanzler Konrad Adenauer beklagte die "schwere Schädigung" der Volkswirtschaft und äußerte die Sorge, dass die Gewerkschaften in immer radikalere Hände geraten würden. Ein Streik bei den Reuschbetrieben sei angesichts der "törichten" Bemerkungen von Hermann Reusch "verständlich", "wenn aber darüber hinaus im gesamten Bereich Kohle und Eisen gestreikt werde, dann werde daraus ein politischer Streik", Adenauer bei einer Sondersitzung des Bundeskabinetts am 20. Januar 1955. Dem müsse entgegengetreten und "und die Verhältnisse klargestellt werden", weil der jetzige Streik "möglicherweise als eine Probemobilmachung für weitere politische Streiks anzusehen sei". (Protokollauszug der Sitzung in der Anlage)

Bundesminister Franz-Josef Strauß warnte davor, dass die Gewerkschaften beabsichtigen würden, "ihre Machtstellung total auszubauen" und erinnert daran, "dass wir uns 1951 einen innenpolitischen Konflikt nicht hätten leisten können und deshalb nachgeben mussten". Strauß stellte einen Zusammenhang zwischen den Streiks und der bevorstehenden Wiederbewaffnung und dem geplanten Aufbau der Bundeswehr her. Zitat aus dem Protokoll: "Nach der Meinung von Bundesminister Strauß geht es den Gewerkschaften darum, ihre Machtstellung total auszubauen. Auf dem Wege dahin sei der bevorstehende Aufbau einer Armee in Deutschland für sie äußerst störend. Ihr Gewicht als Massenorganisation und ihr politischer Einfluss gingen damit zurück, und sie würden gezwungen, sich auf ihr ureigenstes Interessengebiet zu beschränken."

Auch andere Minister sehen in den Aktionen der Gewerkschaften "eine Mobilmachung für einen Generalstreik, der den Abschluss der Pariser Verträge verhindern soll". (Anm.: Als Pariser Verträge wird das 5. Mai 1955 in Kraft getretene Vertragspaket bezeichnet, mit dem das Besatzungsstatut für die Bundesrepublik Deutschland beendet, deren Beitritt zur NATO und zur Westeuropäischen Union vertraglich vereinbart und der Weg zur Wiederbewaffnung geebnet wurde.)

Für den damaligen Bundesinnenminister Gerhard Schröder (CDU) war die zu diesem Zeitpunkt noch legale KPD am Werke. Man sehe, "wie schon jetzt mit dem Vorgehen der Gewerkschaften ein Teil des von der Kommunistischen Partei in Hamburg verkündeten Programms verwirklicht werde", so Schröder.

In der Erklärung der Bundesregierung wird dann auch betont, dass der" innere Frieden die entscheidende Voraussetzung" für "die Freiheit und den sozialen Aufstieg ganz Deutschlands" sei. Und weiter: "Jede Gefährdung des inneren Friedens leistet den Kräften Vorschub, die nur die Zerstörung der demokratischen Grundordnung erstreben. Schon glauben die kommunistischen Machthaber der Sowjetzone, frohlocken zu können."

Ob die "kommunistischen Machthaber der Sowjetzone" frohlockten, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass der Hauptvorstand der IG Bergbau jubelte: "Wir haben die Bewährungsprobe bestanden", hieß es in einem Flugblatt des Vorstandes und schrieb von "stolzer Freude" und "Zuversicht".

Bei der Rechtsnachfolgerin IG BCE ist nichts mehr von stolzer Freude über diesen Streik zu merken. Sie hat den Streik gegen den Angriff auf die Montanmitbestimmung wohl vergessen. Auf ihrer Jahrestagung für Betriebsrätinnen und Betriebsräte (3./4.12.19) unter dem Motto "Betriebliche Mitbestimmung in Zeiten des Wandels" beklagte ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis "ein abnehmendes Verständnis für das Prinzip der Sozialpartnerschaft". Die Betriebsrät*innen forderte er auf, zu fragen: "Welchen Blick entwickelt der Arbeitgeber auf die digitale Transformation? Wie bereitet sich das Unternehmen auf die Veränderungen in der Globalisierung am deutschen Standort vor?" Vor 65 Jahren fragte die IG Bergbau nicht nur, sondern sie mobilisierte und handelte für ihre eigenen Vorstellungen.

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