26.03.2020: Streik in Metallindustrie der Lombardei für Schließung nichtlebensnotwendiger Betriebe und für Gesundheitsschutz der Arbeiter*innen ++ Metallgewerkschaft FIOM: "die Konfrontation zwischen Gewerkschaften und der Regierung ist wieder aufgenommen" ++ Proteste bei Amazon: »Amazon Workers International« fordert die sofortige Schließung aller Amazon-Warenlager
Zu einem achtstündigen Streik in der Lombardei hatten gestern (Mi., 25.3.) die italienischen Metallgewerkschaften aufgerufen (Foto oben: Streikaufruf). Die hohe Beteiligung habe die große Unterstützung für die Forderungen der Gewerkschaften gezeigt, erklärte die linke Metallgewerkschaft FIOM-CGIL. Ihre Forderung sind: die Schließung aller "nicht wesentlichen" Betriebe und die konsequente Umsetzung der zwischen den Gewerkschaften, dem Unternehmerverband und der Regierung getroffenen Vereinbarung zum Schutz der Gesundheit der Beschäftigten in den "wesentlichen" Betrieben.
"In diesen Stunden ist die Konfrontation zwischen CGIL, CISL und UIL und der Regierung wieder aufgenommen worden."
"In diesen Stunden ist die Konfrontation zwischen CGIL, CISL und UIL [Anm.: die drei Dachgewerkschaftsverbände] und der Regierung wieder aufgenommen worden, und wir hoffen, dass dieser Streik zu den erwarteten und erforderlichen Ergebnissen führen wird", erklärt die FIOM.
"Auch im Notfall sind unsere Werkzeuge:
Tarifverhandlungen und Streik
für die Gesundheit,
für die Rechte,
für Löhne."
FIOM-CGIL
"Wir bremsen den ganzen Produktionsmotor des Landes", hatte Italiens Premier Giuseppe Conte in einer Fernsehansprache am 1. März gesagt. Vorerst bis 3. April sollen alle Fabriken, Unternehmen und Ämter geschlossen werden, deren Produkte und Dienstleistungen nicht notwendig sind für das Funktionieren der Gesellschaft. Conte zufolge bleiben nur Branchen offen, die "nötig" und "wesentlich" sind.
Mit diesem Erlass gab die Regierung dem Druck nach, der durch Streiks entstand, die in Unternehmen durchgeführt werden, die sich weigern, die Gesundheitsvorschriften einzuhalten. Insbesondere die Metallgewerkschaft FIOM hat zu Streiks in diesen Betrieben aufgerufen und gemeinsam mit dem Dachgewerkschaftsbund CGIL verlangt, dass die Arbeit eingestellt wird "mit Ausnahme der wesentlichen Dienstleistungen und der auf die Produktion und den Transport von Grundbedarfsgütern ausgerichteten".
"Die Einstellung der Produktionstätigkeit für etwa zehn Tage bedeutet eine Verringerung der Kontaktmöglichkeiten zwischen den Menschen und damit eine Eindämmung der Ansteckungswahrscheinlichkeit mit Vorteilen sowohl für die Gesundheit der Menschen als auch für unser Gesundheitssystem, das vor der Gefahr eines Zusammenbruchs bewahrt werden muss", erklärte die FIOM.
"Die Confindustria ist der Hauptträger der Ansteckung in unserem Land."
Maurizio Acerbo, Nationalsekretär von Rifondazione Comunista - Sinistra Europea
Doch die Hoffnung von Millionen von Arbeiter*innen in nicht lebensnotwendigen Wirtschaftszweigen, zu Hause bleiben zu können, um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Angehörigen zu schützen, wurde enttäuscht. Die Regierung gab dem Druck der Industriellen nach. "Der Begriff »wesentlich« wurde aus geschäftlicher Sicht gelesen, und so ist die Liste der erlaubten Aktivitäten ungewöhnlich und ungerechtfertigterweise angeschwollen: von der Luft- und Raumfahrt bis zu professionellen Studios, von Hotels bis zu Gummibetrieben, von der Militärindustrie bis zum Kohlebergbau", erklärte der Nationalsekretär der Partito della Rifondazione Comunista - Sinistra Europea, Maurizio Acerbo.
Nach Auffassung von Regierung und Industriellenverband Confindustria sind fast 60% Prozent der italienischen Lohnempfänger unverzichtbar.
Acerbo: "So führen Millionen von Menschen ein Doppelleben: Samstags und sonntags können sie als Bürger*innen, um sich vor der Ansteckung zu schützen, nicht einmal einen Spaziergang im Park machen; montags werden sie als Arbeiter*innen Busse und Straßenbahnen überfüllen und zur Arbeit gehen, wodurch sie sich selbst gefährden und die Maßnahmen zur Eindämmung der Ansteckung auf die gesamte Bevölkerung unwirksam machen."
Gesundheit, Sicherheit, Leben vor dem Profit!
Angesichts einer solchen interessegeleiteten Verantwortungslosigkeit haben die Gewerkschaften die Arbeiter*innen der Produktion, die für die Gesundheit und die Existenz des Landes nicht unerlässlich sind, zum Streik aufgerufen, um die Regierung zu zwingen, das verfassungsmäßige Recht auf Gesundheit und Leben wirklich an die erste Stelle zu setzen.
In den nächsten Tagen wird die Liste der "wesentlichen" Unternehmen von Gewerkschaften, Unternehmerverband und Regierung überprüft. Die FIOM kündigte an, dass sie nicht zögern werde, "alle Aktivitäten zu blockieren, die nicht den Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen entsprechen". Um die Gesundheit der Arbeiter*innen zu schützen, die Ausbreitung der Ansteckung einzudämmen und das Sterben einer ganzen Bevölkerungsgruppe zu stoppen, sollen nur noch diejenigen Unternehmen geöffnet bleiben, die wirklich wesentliche Tätigkeiten für die Gesundheit und die materielle Existenz der Menschen ausüben. "Alles andere muss ohne Tricks oder List gestoppt werden", so die Gewerkschaften.
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DGB und Sozialpartnerschaft in den Zeiten von Corona |
»Amazon Workers International« fordert die sofortige Schließung aller Amazon-Warenlager
Amazon profitiert von Corona. Jeff Bezos in knapp zwei Wochen um gut 10 Milliarden Euro reicher
Während Einzelhändler mit geschlossenen Läden massenhaft der Pleite entgegentreiben, boomt bei Amazon das Geschäft. Sogar die weltgrößte Biosupermarktkette, Whole Foods, hat Amazon mitsamt 91.000 Mitarbeitern und einem monatlichen Milliardenumsatz inzwischen übernommen. In diesen Tagen, in denen Millionen Menschen in Quarantäne das Onlineshoppen entdecken oder intensivieren, neben dem Versand von Unterhaltung ein Riesengeschäft.
Binnen 10 Tagen (Stand 24.3.) hat der Konzern um etwa 100 Milliarden Euro an Marktwert zugelegt. Sein Gründer und Hauptaktionär Jeff Bezos ist damit in nicht einmal zwei Wochen um gut 10 Milliarden Euro reicher geworden.
Da nun aber auch immer mehr Mitarbeiter*innen und Paketzusteller*innen sich mit dem Coronavirus infizieren und erkranken, hat der Konzern einen "Amazon Relief Fund" (Amazon Linderungs Fonds) aufgelegt. Damit soll Paketbot*innen und anderen Mitarbeiter*innen geholfen werden, sofern sie an Covid-19 erkrankt sind. Den eigenen US-Mitarbeitern wird im Fall einer Erkrankung nun mit großer Geste eine zweiwöchige Lohnfortzahlung gewährt. Der "Linderungs-Fonds" hat ein Gesamtvolumen von spärlichen 25 Millionen Dollar. Das hat Bezos in einer halben Stunde eingeschoben.
Amazon-Beschäftigte protestieren
"Wir haben gegen den Versuch des Unternehmens protestiert, von dieser Krise zu profitieren und dabei unsere Gesundheit zu gefährden", heißt es in einer Erklärung von »Amazon Workers International«. "Wir haben in Polen und Spanien protestiert. In Italien, Frankreich und New York sind wir in den Streik getreten. Wir haben gezeigt, dass es überall möglich ist, für unsere Gesundheit und unser Leben zu kämpfen. Wir haben gezeigt, dass wir nicht aufhören werden." (vollständiger Text hier)
Die Proteste richten sich gegen Arbeitsbedingungen in den Amazon-Warenlagern, in denen "in unmittelbarer Nähe zueinander, in einem immer höheren Arbeitstempo und oft ohne Gesundheitsschutzmaßnahmen" gearbeitet werden muss. Aber auch gegen die "Notfallmaßnahmen, die angeblich nur die Pandemie eindämmen sollen", aber zugleich "auch Proteste und Streikposten kriminalisiert, weil diese den Kontaktbegrenzungen unterliegen. Sie geben der Regierung Mittel an die Hand, um uns zum Schweigen zu bringen, während wir zusehen müssen, wie die verantwortungslose Politik Amazons die Verbreitung der Corona-Viren begünstigt".
"In Ländern, in denen es in der Öffentlichkeit verboten ist, sich zu versammeln, darf Amazon wie ein "Staat im Staat" agieren und genießt weiter alle Freiheiten des Marktes, während wir als Arbeiter*innen in geschlossenen Räumen zu Tausenden gefährdet werden. LKW-Fahrer*innen und Kuriere, die meist für Subunternehmen tätig sind, transportieren das Corona-Virus zwischen den Lagern. Nicht nur riskiert Amazon, dass wir, die Arbeiter*innen, selbst angesteckt werden, sondern auch dass unsere Familien sich infizieren. Auf diese Weise verbreitet sich der Virus immer weiter in die Gesellschaft."
Abstand halten, aber sich organisieren und protestieren
»Amazon Workers International« stellt sechs Forderungen. Darunter die "sofortige Schließung aller Amazon-Warenlager und -zentren bei voller Lohnfortzahlung für alle Arbeiter*innen, bis die Weltgesundheitsorganisation WHO das Ende der Pandemie erklärt hat".
»Amazon Workers International«: Erklärung in Zeiten der Corona-Virus-Pandemie
Während die Corona-Virus-Pandemie bereits tausende Menschenleben gekostet hat und noch viele weitere kosten wird, bleiben die Amazon-Lager rund um die Uhr in Betrieb. Regierungen ordnen einerseits Kontaktsperren bzw. »social distancing« an, andererseits zwingen sie die Arbeiter*innen zur Fortsetzung der Arbeit.
Amazon-Pakete werden weiter in Städte geliefert, die aufgrund der hohen Verbreitung des Virus vom Rest der Welt abgeschottet wurden, wodurch die Lieferant*innen erhöhter Gefahr ausgesetzt sind. In Ländern, in denen es in der Öffentlichkeit verboten ist, sich zu versammeln, darf Amazon wie ein "Staat im Staat" agieren und genießt weiter alle Freiheiten des Marktes, während wir als Arbeiter*innen in geschlossenen Räumen zu Tausenden gefährdet werden. LKW-Fahrer*innen und Kuriere, die meist für Subunternehmen tätig sind, transportieren das Corona-Virus zwischen den Lagern. Nicht nur riskiert Amazon, dass wir, die Arbeiter*innen, selbst angesteckt werden, sondern auch dass unsere Familien sich infizieren. Auf diese Weise verbreitet sich der Virus immer weiter in die Gesellschaft.
Nicht nur uns bei Amazon hat diese Krise schwer getroffen, sondern alle Arbeiter*innen. Einige Arbeiter*innen wie Krankenhaus- oder Supermarktmitarbeiter*innen erhalten nicht einmal eine angemessene Schutzausrüstung! Über die Notfallmaßnahmen, die angeblich nur die Pandemie eindämmen sollen, werden zugleich auch Proteste und Streikposten kriminalisiert, weil diese den Kontaktbegrenzungen unterliegen. Sie geben der Regierung Mittel an die Hand, um uns zum Schweigen zu bringen, während wir zusehen müssen, wie die verantwortungslose Politik Amazons die Verbreitung der Corona-Viren begünstigt.
Aber selbst wenn Amazon uns zwingt, weiterhin in unmittelbarer Nähe zueinander, in einem immer höheren Arbeitstempo und oft ohne Gesundheitsschutzmaßnahmen zu arbeiten, haben sich in der vergangenen Woche Tausende von uns zu Protesten organisiert. Wir haben gegen den Versuch des Unternehmens protestiert, von dieser Krise zu profitieren und dabei unsere Gesundheit zu gefährden. Wir haben in Polen und Spanien protestiert. In Italien, Frankreich und New York sind wir in den Streik getreten. Wir haben gezeigt, dass es überall möglich ist, für unsere Gesundheit und unser Leben zu kämpfen. Wir haben gezeigt, dass wir nicht aufhören werden. Amazon sollte außerdem wissen, dass eine zeitweise Lohnerhöhung, zudem von Land zu Land unterschiedlich, als ob unser Leben je nach Wohnort unterschiedlichen Wert hätte, nicht ausreichen wird, um unsere Gesundheit und unsere Sicherheit zu erkaufen.
Wir, Amazon-Arbeiter*innen aus der ganzen Welt, werden nicht schweigen, während die Gier unserer Bosse und die Feigheit einiger Regierungen und Behörden uns alle gefährden. Wir rufen die Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit dazu auf, ihre Mitmenschen und sich selbst zu schützen und Abstand zu halten, sich aber gleichzeitig zu organisieren, zu protestieren und bereit zu sein, zurückzuschlagen!
Wir haben sechs Forderungen an Amazon!
- Wir fordern die sofortige Schließung aller Amazon-Warenlager und -zentren bei voller Lohnfortzahlung für alle Arbeiter*innen, bis die Weltgesundheitsorganisation WHO das Ende der Pandemie erklärt hat!
- Amazon gibt einen Teil der Milliardengewinne, die von uns in den letzten Jahren erarbeitet wurden, an die Gemeinwesen zurück. Dafür sollen die öffentlichen Gesundheitssysteme der Länder, in denen Amazon tätig ist, mit 20 Milliarden Dollar unterstützt werden!
- Bis zur Schließung der Amazon-Lager und -zentren verpflichtet sich das Unternehmen weltweit, voll bezahlte Freistellung zu gewähren für
- Arbeiter*innen, die krank und/oder in Quarantäne sind,
- Arbeiter*innen, die sich jetzt um Angehörige kümmern müssen,
- Arbeiter*innen, die aufgrund von Schließung von Kinderbetreuungseinrichtungen & Schulen ihre Kinder selbst betreuen müssen! - Bis zur Schließung der Amazon-Lager und -zentren verpflichtet sich das Unternehmen, den Arbeiter*innen eine Gefahrenzulage zu zahlen!
- Bis zur Schließung der Amazon-Lager und -zentren verzichtet das Unternehmen auf Sanktionen gegen Arbeiter*innen, die Produktivitätsvorgaben deswegen nicht erreichen, weil sie sich an dem gefährlichen Arbeitsplatz um die Einhaltung von Hygienestandards für kümmern!
- Bis zur Schließung der Amazon-Lager und -zentren reduziert das Unternehmen die Arbeitszeit, ohne die Löhne und Gehälter zu kürzen. Arbeiter*innen benötigen diese bezahlte Freistellung, um sich auf die Auswirkungen des Corona-Virus auf ihr Leben einstellen zu können.
Amazon Workers International, 22. März 2020
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