25.09.2023: Streik auf weitere 38 Standorte ausgeweitet ++ GM und Stellantis im Visier des erweiterten Streiks der Gewerkschaft der Automobilarbeiter UAW ++ Ford gibt bei zweistufiger Bezahlung nach ++ Solidarität "von den Familien bis hin zum Präsidenten" – und Trump
"Ich habe mich bei jedem Schritt kristallklar ausgedrückt, und ich werde mich auch jetzt wieder kristallklar ausdrücken", erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Automobilarbeiter UAW, Shawn Fain, in einem Facebook-Videocast am 19. September. "Wenn wir bis Freitagmittag, 22. September, keine ernsthaften Fortschritte machen, werden die Arbeiter in weiteren Betrieben aufgefordert, sich dem Streik anzuschließen."
Seit Mitternacht des 14. und 15. September befinden sich rund 12.700 Beschäftigte aus dem GM-Werk im St. Louis-Vorort Wentzville (Missouri), dem Jeep-Werkskomplex in Toledo (Ohio) und dem Ford-Lackier- und Endmontagewerk in Wayne County (Michigan) im Ausstand. Die drei Autokonzerne GM, Ford und Stellantis (ehemals Fiat-Chrysler-Jeep-Peugeot-Citroën) beschäftigen zusammen 150.000 UAW-Mitglieder.
Bernie Sanders: Streikende UAW-Arbeiter kämpfen für die Zukunft Amerikas |
In seinem Videocast bezeichnete Fain den Streik als Teil eines "Klassenkampfes" zwischen den hart arbeitenden Autoarbeitern in den Autofabriken und den Konzernbossen, die fette Gehaltsschecks kassiert haben - zusammen mit den Finanzmagnaten der Wall Street, die in die Autofirmen investieren und von den Aktienrückkäufen der Firmen profitieren.
Mit der Streikkampagne "Stand Up!" will die Gewerkschaft die Big 3 aus dem Tritt bringen, indem sie die örtlichen Gewerkschaften aufruft, in letzter Minute und ohne Vorankündigung zu streiken.
Die Gewerkschaft fordert eine 46-prozentige Lohnerhöhung über einen Zeitraum von vier Jahren (entsprechend dem Anstieg der Vorstandsgehälter in den letzten vier Jahren), eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Rentenleistungen, die Wiederherstellung der Teuerungszulagen, ein Ende der unterschiedlichen Lohngruppen für ältere und neu eingestellte Beschäftigte, die Wiederherstellung der festgelegten Rentenleistungen und eine 32-Stunden-Woche mit 40 Stunden Lohn.
Die UAW wurde im Jahr 2009 gezwungen, das Ende der Teuerungszulagen (Cost-Of-Living Adjustment COLA) zu akzeptieren. Dies und das zweistufige Lohnsystem gehörten zu den wichtigsten Zugeständnissen, die die Bundesregierung den Gewerkschaften im Rahmen ihres Rettungsplans für Kreditbürgschaften abgetrotzt hatte, nachdem Fiat-Chrysler und GM infolge des Wall-Street-Crashs 2008 pleite gegangen waren. Ford meldete damals zwar nicht Konkurs an, schaffte die Teuerungszulagen aber ebenfalls ab.
Fain erinnerte daran, dass die UAW ihre umfassenden Verhandlungsvorschläge vor etwa acht Monaten allen Big 3 vorgelegt hat, die Unternehmen die Gewerkschaft aber bis vor kurzem nicht ernst genommen haben. "Die Automobilarbeiter haben lange genug gewartet, um die Dinge bei den Big 3 in Ordnung zu bringen. Wir warten also nicht mehr und wir machen nicht mehr länger mit."
"Es ist an der Zeit, den Unternehmen zu zeigen, dass wir vereint sind, die Nase voll haben und uns gegen die Gier der Konzerne wehren."
Shawn Fain, Vorsitzender der Gewerkschaft der Automobilarbeiter UAW,
Streik bei GM und Stellantis ausgeweitet
Am Freitagmittag (22.9.) war es dann so weit. Die United Auto Workers (UAW) hat die Beschäftigten in 38 weiteren Standorten aufgerufen, sich ihrem "Stand Up!"-Streik anzuschließen.
"Alle Teileauslieferungszentren bei GM und Stellantis werden bestreikt. Wir werden überall sein, von Kalifornien bis Massachusetts, und wir werden weitermachen und den Streik nach Bedarf ausweiten", sagte Fain.
Zu den 38 von Fain aufgelisteten Betrieben gehören 5.625 Beschäftigte in 20 Bundesstaaten; darunter Teilewerke in mehreren Städten, die die Endmontagewerke von GM und Stellantis mit Motoren, Antriebssträngen und anderen Komponenten für Autos, Lastwagen und Geländewagen beliefern,
"Wir werden den Teileauslieferung stilllegen, bis diese beiden Unternehmen zur Vernunft kommen und ein ernsthaftes Angebot vorlegen", sagte UAW-Präsident Shawn Fain. "Die Werke, die bereits bestreikt werden, bleiben im Streik.
Ford lenkt ein
Nicht betroffen von der Ausweitung des Streiks ist Ford. Ford gibt sein zweistufiges Lohnsystem auf, erhöht sein Angebot zur Gewinnbeteiligung auf 13,3 %, stellt die 2009 gestrichenen Teuerungszulagen wieder her und stimmt der "sofortigen Umwandlung aller Zeitarbeiter in Vollzeitbeschäftigte" sowie dem Streikrecht der Gewerkschaft bei Werksschließungen zu, berichtete Fain. "Wir sind bei Ford noch nicht fertig, aber sie meinen es ernst, dass sie einen Deal wollen", sagte Fain. Daher wurden keine weiteren Ford-Standorte in die Streikliste aufgenommen. Bestreikt wird aber noch ein wichtiger Ford-Standort, nämlich das Lackier- und Endmontagewerk in Wayne County, Michigan.
Und die Gewerkschaft ist noch nicht am Ende mit ihren Streikaufrufen. Fain forderte die Mitglieder anderer Standorte auf, sich auf den Streiks vorzubereiten und diejenigen zu unterstützen, die bereits zum Streik aufgerufen wurden.
Streik der kanadischen Autoarbeiter:innen könnte die Big Three lähmen
Zudem bereitet in Kanada die Automobilarbeitergewerkschaft Unifor einen Streik bei Ford vor. Normalerweise liefen die Verträge in den USA und Kanada in verschiedenen Jahren aus, aber Unifor hat ihren letzten Vertrag so ausgehandelt, dass er mit dem Auslaufen der UAW-Verträge mit den Autokonzernen übereinstimmte. Unifor hat sich in der ersten Phase ihrer Verhandlungsstrategie auf Ford konzentriert. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die beiden anderen Hersteller durch eine mit Ford erzielte Einigung auf eine Linie gebracht werden können.
Die kanadischen Autobeschäftigten wollten am vergangenen Montag (18.9.) mit einem Streik gegen Ford beginnen, aber die Aktivierung der Streikposten wurde verschoben, nachdem Ford ein "substanzielles Angebot" vorgelegt habe. Ford hat zwei Motorenwerke in Kanada. Wenn die kanadischen Arbeiter in diesen Motorenwerken streiken, könnte dies die US-Produktion der profitabelsten Fahrzeuge von Ford lahm legen.
Solidarität "von den Familien bis hin zum Präsidenten" – und Trump
Fain wandte sich in seinem Video auch an die Öffentlichkeit. Er warnte die Kunden vor der Preistreiberei der Unternehmen und den Versuchen der Firmen, Preiserhöhungen auf die Arbeiter zu schieben. In einem früheren Video wies er darauf hin, dass die UAW-Mitglieder in den letzten vier Jahren im Vergleich zur Inflation tatsächlich Geld verloren haben und dass, während die Autopreise um 34 % stiegen, die Löhne der Arbeitnehmer nur um 6 % zunahmen.
Zum anderen forderte er die Öffentlichkeit auf, die Streikenden zu unterstützen, indem er jeden, "von den Familien bis hin zum Präsidenten der Vereinigten Staaten" einlud, sich den Streikposten anzuschließen.
Der demokratische Präsident Joe Biden, der sich in einer früheren Pressekonferenz den Slogan der Gewerkschaft "Rekordgewinne = Rekordverträge" zu eigen machte, hat sich erst vor der Frage gedrückt, ob er sich an den Streikposten beteiligen wird. Jetzt teilte er mit: "Am Dienstag werde ich nach Michigan reisen, um mich den Streikposten anzuschließen und mich mit den Männern und Frauen der UAW zu solidarisieren, die für einen fairen Anteil an dem Wert kämpfen, den sie mit geschaffen haben. Es ist an der Zeit für eine Win-Win-Vereinbarung, die die amerikanische Autoindustrie mit gut bezahlten UAW-Arbeitsplätzen florieren lässt."
Andere Demokraten, darunter der Vorsitzende des Arbeitsausschusses im Senat, Bernie Sanders (Ind., Vt.), die Abgeordnete Marcy Kaptur (D-Ohio), Senator Sherrod Brown (D-Ohio), Senator John Fetterman (D-Pa.) und hochrangige Amtsinhaber aus Michigan haben sich bereits entweder zu Wort gemeldet, sind zu den Streikposten gegangen oder haben beides getan.
Im Gegensatz dazu haben die republikanischen Präsidentschaftskandidaten die Autoarbeiter angegriffen. Der Senator und Präsidentschaftskandidat Tim Scott schlug vor, die Unternehmen sollten alle Streikenden entlassen. Im Unterschied dazu hat der frühere US-Präsident Donald Trump angekündigt, zu einer Kundgebung nach Michigan zu kommen. Er will versuchen, die Arbeiter davon zu überzeugen, dass er ihr Kandidat ist und nicht der Vertreter der herrschenden Klasse, der er in Wirklichkeit ist.
Fain ging in seinen Ausführungen weder auf die politische Unterstützung noch auf die Gegner ein, sagte aber, dass öffentliche Meinungsumfragen eine zunehmende Unterstützung für die Arbeiter zeigen, und zwar über Partei- und Altersgrenzen hinweg. Was Trump betrifft, so sagte Fain Anfang der Woche gegenüber CNN: "Wir können nicht weiterhin Milliardäre wählen".
Fotos: UAW