12.09.2025: Silberner Bär und 23 Minuten lang Standing Ovations für "The Voice of Hind Rajab” beim Filmfestival in Venedig ++ Film über die letzten Stunden der fünfjährigen Hind Rajab, bevor sie von israelischem Militär ermordet wird ++ Filme über Palästina sind in die Welt des Kinos vorgedrungen ++ 1.300 Schauspieler und Filmemacher weltweit verpflichten sich zum Boykott israelischer Filminstitutionen, die "in den Völkermord in Gaza verwickelt“ sind.
Kaouther Ben Hanias "The Voice of Hind Rajab” wurde in Venedig mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet und ist ein direkter Appell an die Filmindustrie, sich zum Völkermord in Gaza zu äußern Es war das unbestreitbare Ereignis der 82. Ausgabe der ältesten Filmschau der Welt und der meistdiskutierte Film des Festivals.
Der Film über ein fünfjähriges palästinensisches Mädchen, das von israelischen Soldaten in Gaza getötet wurde, erhielt bei den Filmfestspielen von Venedig 23 Minuten lang Standing Ovations.
Der von der tunesischen Filmemacherin Kaouther Ben Hania inszenierte Film "The Voice of Hind Rajab" versetzte einen Großteil des Publikums und der Darsteller nach der Vorführung in Tränen. In dem Moment, als die Stimme der kleinen Hind Rajab in der Sala Granda in Venedig ertönte, gab es niemanden im Saal, der keine Tränen in den Augen hatte. Nach der Vorführung brachen die Zuschauer in "Free Palestine"-Sprechchöre aus.
"Ich widme diesen Preis dem Roten Halbmond und all denen, die heute in Gaza Leben retten. Sie sind wahre Helden und versuchen, den Schreien der Menschen zuzuhören, denen niemand antwortet", sagte Kaouther Ben Hania. "Die Stimme von Hind ist die Stimme von Gaza. Das Kino gibt uns Mut. Sie ist nicht mehr da, aber ihre Präsenz ist noch immer hier, sie ist in ihrer Stimme, und sie wird weiterklingen, bis Gerechtigkeit herrscht. Und auch wenn sie uns sie nicht zurückbringt, erzählt sie uns weiterhin die Geschichte eines ganzen Volkes, das unter einem Völkermord leidet, der vom israelischen Regime begangen wird, das straffrei handelt."
Ben Hania unterstrich auch die Notlage von Hinds Mutter Wissam Hamada und ihrem Bruder Eiyad, die weiterhin in Gaza gefangen sind.
"In dieser Geschichte geht es nicht nur um Erinnerung, sondern auch um Dringlichkeit. Ihr Leben ist weiterhin in Gefahr, ebenso wie das Leben unzähliger Mütter, Väter und Kinder, die jeden Tag unter demselben Himmel voller Angst, Hunger und Bombardierungen aufwachen. Ich fordere die Staats- und Regierungschefs der Welt dringend auf, sie zu retten."
Enough is Enough, Free Palestine», fügte die Regisseurin hinzu. Ein Ruf, der vom Großteil des Publikums aufgenommen wurde.
Voice of Hind Rajab gewinnt zweiten Preis des Venedog Filmfestivals
https://youtu.be/1-NOqcasUFY
Die Geschichte der fünfjährigen Hind Rajab
Die Stimme von Hind Rajab erobert die Filmfestspiele von Venedig
https://youtu.be/l5wXHT86IRA
Der Dokumentarfilm, der im Rahmen des Festivals gezeigt wurde, erzählt die Geschichte von Hind, die im Januar 2024 mit sechs Familienmitgliedern in einem Auto aus Gaza-Stadt floh und von israelischen Panzern beschossen wurde. Ihr Onkel, ihre Tante und drei Cousins kamen bei dem Angriff sofort ums Leben. Hind und ein weiterer Cousin überlebten zunächst.
Am 29. Januar 2024 erhielt das Palästinensische Rote Halbmond Komitee dann einen Notruf, wie niemand ihn je erlebt hatte. Am anderen Ende der Leitung war die fünfjährige Hind Rajab, gefangen in einem Auto in Gaza. Mehr als eine Stunde lang flehte sie verzweifelt, ihre kindliche Stimme ganz rau vor Angst und Erschöpfung: "Bitte kommt und holt mich, hier wird geschossen."
Man hörte das Kind flehen: "Bitte kommt, ich habe Angst."
Die Helfer versuchten alles: beruhigende Worte, Versprechen der Rettung, das Entsenden eines Krankenwagens.
Um 19.30 Uhr verstummte die Stimme von Hind.
Bevor Sanitäter die Kinder erreichen konnten, hatten israelische Soldaten das Fahrzeug erneut unter Beschuss genommen und sie getötet. Der Krankenwagen wurde zerstört, die beiden Sanitäter wurden ebenfalls ermordet.
Eine Untersuchung von Forensic Architecture ergab, dass die israelischen Soldaten wussten, dass sich Kinder im Fahrzeug befanden, und dass mindestens 335 Kugeln auf das Fahrzeug abgefeuert wurden.
Hind Rajab - 5 Jahre alt - 355 Kugeln – Niemals vergessen! Niemals verziehen!
Fragmente dieser Anrufe verbreiteten sich im Netz und wurden zu einem der erschütterndsten Zeugnisse des Krieges in Gaza, gehört auf der ganzen Welt und doch unbeantwortet.
"Ich kann eine Welt nicht akzeptieren, in der ein Kind um Hilfe ruft und niemand kommt. Dieser Schmerz, dieses Versagen, gehört uns allen."
Kaouther Ben Hania über ihren Film
Aufzeichnung der letzten Momente der Gespräche von Hind Rajab mit der Rettungszentrale
https://youtu.be/BGh9fqcty0g
Die tunesische Regisseurin Kaouther Ben Hania, deren Kino stets an der Grenze zwischen Dokumentarfilm und Spielfilm operiert, hat diese Tragödie nun in "The Voice of Hind Rajab" verwandelt, einen 89 Minuten langen Spielfilm, der zugleich Zeugnis und Denkmal ist.
Der Film spielt im Laufe von 24 Stunden und handelt ausschließlich in einem Büro der Palästinensischen Rothalbmondgesellschaft, 52 Meilen von Gaza entfernt. "The Voice of Hind Rajab" ist eine Mischung aus Doku und Fiktion, die die Bemühungen palästinensischer Helfer dramatisiert, das gleichnamige sechsjährige Mädchen zu retten.
Bereits der Anfangshinweis macht die Bedingungen klar: "Dies ist eine Dramatisierung auf Grundlage realer Ereignisse. Die Notrufe wurden an diesem Tag aufgezeichnet."
Die Warnung wirkt erschreckend, doch die Realität, die folgt, ist noch unerbittlicher. Wenn überhaupt, untertreibt der Film sogar, was wirklich unermesslich gewesen sein muss.
Der Film nutzt Rajabs Stimme für das bewegende Drama, das sowohl die unmenschliche Bürokratie unterstreicht, die palästinensischen Helfern durch die Besatzung auferlegt wird, die schon lange vor dem 7. Oktober bestand.
Aufnahmen der realen Helfer, die mit dem gewalttätigen Chaos zu kämpfen haben, werden gegen Ende des Films Szene für Szene nachgestellt.
Offizieller neuer Clip "The Voice of Hind Rajab" von den Filmfestspielen von Venedig 2025
https://youtu.be/Q_RC04CZpAY
"Wir haben weltweit die Darstellung in den Medien gesehen, dass die Sterbenden Kollateralschäden sind. Das ist so entmenschlichend, und deshalb sind Kino, Kunst und jede Art von Ausdruck so wichtig, um diesen Menschen eine Stimme und ein Gesicht zu geben."
Kaouther Ben Hania.
Die Schauspielerin Saja Kilani, die eine der Mitarbeiterinnen des Roten Halbmonds spielt, gab eine eindringliche Erklärung ab, die seitdem in den sozialen Medien vielfach geteilt wurde.
Der neue Film über das fünfjährige Mädchen, das von israelischen Streitkräften in Gaza getötet wurde, ist "keine Meinung oder Fantasie, sondern in der Wahrheit verankert", sagte sie und forderte ein Ende des Völkermords durch Israel.
"Hinds Stimme ist eine von Zehntausenden von Kindern, die in den letzten zwei Jahren getötet wurden. Ihre Geschichte handelt von einem weinenden Kind. Niemand kann in Frieden leben, wenn auch nur ein einziges Kind um sein Überleben betteln muss."
"Im Namen aller Schauspieler: Reicht es nicht? Genug mit den Massenmorden, dem Hunger, der Entmenschlichung, der Zerstörung, der anhaltenden Besatzung", sagte sie.
Saja Kilani: https://x.com/MiddleEastEye/status/1963618233077932129
Solidaritätsbekundungen vieler Preisträger
Der Triumph des Films bei der Abschlusszeremonie am 6. September, als er den Silbernen Bären der Grand Jury gewann – die höchste Auszeichnung, die ein arabischer Film in Venedig seit Randa Chahal Sabags libanesischem Spielfilm The Kite aus dem Jahr 2003 erhalten hat –, wurde durch die beeindruckende Solidaritätsbekundung vieler Preisträger abgerundet.
Der italienische Star Toni Servillo, Gewinner des Preises für den besten Darsteller für "La Grazia", brachte seine Dankbarkeit und Unterstützung für die Hilfsflotte Global Sumud Flotilla (siehe kommunisten.de: "Die Global Sumud Flotilla ist auf dem Weg, um die Belagerung zu durchbrechen") zum Ausdruck, die letzte Woche von Barcelona aus nach Gaza aufgebrochen war, und betonte, dass dies "ein Gefühl ist, das vom gesamten italienischen Kino geteilt wird: Bewunderung für diejenigen auszudrücken, die mutig in See gestochen sind, um Palästina zu erreichen und ein Zeichen der Menschlichkeit in ein Land bringen, in dem die Menschenwürde täglich auf grausame Weise mit Füßen getreten wird."
Die italienische Schauspielerin Benedetta Porcaroli, Gewinnerin des Preises für die beste Darstellerin in der Nebenreihe Orizzonti für "The Kidnapping of Arabella", schloss sich Servillos Meinung an. "Sie [die Aktivisten] erinnern uns daran, dass es einen triftigen Grund gibt, morgens aufzustehen, und dieser Grund heißt Menschlichkeit."
Die indische Regisseurin Anuparna Roy, die für ihr Debüt "Songs of Forgotten Trees" den Preis für die beste Regie erhielt, sprach ebenfalls über den Völkermord in Gaza.
"Es ist derzeit unsere Verantwortung, Palästina beizustehen ... Ich mag damit mein Land verärgern, aber das ist mir mittlerweile egal."
Anuparna Roy, indische Filmregisseurin
Die marokkanische Regisseurin Maryam Touzani, die für "Calle Malaga" den Publikumspreis gewann, hielt eine herzliche Rede und betonte: "Die Freude, die ich empfinde, ist groß, aber ebenso groß ist der Schmerz, den ich empfinde, wenn ich heute diesen Preis entgegennehme. Ich empfinde Schmerz, weil ich wie viele andere die Schrecken nicht vergessen kann, die den Menschen in Gaza und Palästina jede Sekunde ungestraft zugefügt werden", sagte sie.
"Wie viele Mütter haben ihre Kinder verloren? Wie viele Kinder haben ihre Mutter, ihren Vater verloren, haben alles verloren. Wie viele noch, bis dieses Grauen ein Ende hat?"
Maryam Touzani, marokkanische Regisseurin
1.300 Schauspieler und Filmemacher weltweit verpflichten sich zum Boykott israelischer Filminstitutionen, die "in den Völkermord in Gaza verwickelt“ sind.
Der Erfolg von "Hind Rajab” markiert einen radikalen Positionswechsel Hollywoods gegenüber Palästina.
Der Film wurde von James Wilson, dem erfahrenen britischen Produzenten von "The Zone of Interest“ und "Shaun of the Dead“, koproduziert.
Große Namen aus Hollywood unterschrieben als ausführende Produzenten für den Film, darunter die Oscar-prämierten Regisseure Jonathan Glazer ("The Zone of Interest“) und Alfonso Cuaron ("Roma“) sowie Joaquin Phoenix, Rooney Mara und Brad Pitt.
Über 1.300 Schauspieler, Regisseure und Filmschaffende unterzeichneten eine Erklärung, in der sie sich verpflichteten, nicht mit israelischen Filminstitutionen zusammenzuarbeiten, die "in Völkermord und Apartheid gegen das palästinensische Volk verwickelt sind“.
"Als Filmemacher, Schauspieler, Filmschaffende und Institutionen erkennen wir die Macht des Kinos an, Wahrnehmungen zu prägen“, heißt es in dem Brief, der bisher von mehr als 1.300 Persönlichkeiten der Branche unterzeichnet wurde. "In dieser dringenden Krisensituation, in der viele unserer Regierungen das Gemetzel in Gaza ermöglichen, müssen wir alles in unserer Macht Stehende tun, um die Mitschuld an diesem unerbittlichen Horror anzugehen.“
In der Erklärung wird darauf hingewiesen, dass der Internationale Strafgerichtshof ein plausibles Risiko für Völkermord in Gaza festgestellt hat und dass die Besatzungspolitik und die Apartheidpolitik Israels gegenüber den Palästinensern rechtswidrig sind.
Unter Bezugnahme auf Filmmakers United Against Apartheid, eine 1987 von Filmemachern wie Jonathan Demme und Martin Scorsese gegründete Initiative gegen den Vertrieb von US-Filmen im Apartheid-Südafrika, erklärten die Unterzeichner, dass sie "sich verpflichten, keine Filme zu zeigen, nicht bei israelischen Filminstitutionen aufzutreten oder mit ihnen zusammenzuarbeiten – darunter Festivals, Kinos, Rundfunkanstalten und Produktionsfirmen –, die an Völkermord und Apartheid gegen das palästinensische Volk beteiligt sind“.
Zu den Unterzeichnern gehörten die Oscar-nominierten Filmemacher Yorgos Lanthimos – der in Venedig eine palästinensische Anstecknadel trug –, Ava DuVernay, Joshua Oppenheimer und der Oscar-prämierte Filmemacher Asif Kapadia sowie die Oscar-prämierten Stars Olivia Colman, Tilda Swinton, Javier Bardem und Julie Christie. Weitere Unterzeichner sind Mark Ruffalo, Ayo Edebiri, Riz Ahmed, Josh O'Connor, Cynthia Nixon und Rebecca Hall.
Filme über Palästina sind in die Welt des Kinos vorgedrungen
The Voice of Hind Rajab wird Tunesien bei den Oscar-Verleihungen im nächsten Jahr vertreten, All That's Left of You wird Jordanien vertreten und Palestine '36 wird Palästina vertreten – zum ersten Mal sind drei arabische Länder mit palästinensischen Geschichten in einem Jahr bei den Oscars vertreten.
Alle drei Filme haben Vertriebsverträge für Nordamerika und Europa, die in den kommenden Monaten Zehntausende von Zuschauern anziehen dürften.
Selten, wenn überhaupt jemals, waren palästinensische Geschichten in der Welt des Kinos so allgegenwärtig; nie zuvor wurde die palästinensische Sache von Hollywood so umfassend und bedingungslos angenommen wie jetzt.
Zusammen bieten alle drei Filme einen Zugang, um die Brutalität der israelischen Besatzung zu erkennen; alle drei Filme sind ein Plädoyer für die Anerkennung der Menschlichkeit des palästinensischen Volkes; alle drei sind ein Plädoyer für ein freies Palästina.