30.01.2022: Israel und Deutschland haben sich auf einen U-Boot-Deal geeinigt. Demnach soll ThyssenKrupp Marine Systems in Kiel drei U-Boote im Wert von insgesamt drei Milliarden Euro für Israel bauen. Das Geschäft ist umstritten - wegen Korruptionsverdachts und weil die U-Boote atomar aufgerüstet werden könnten..
Die Kieler U-Boot-Werft TKMS (ThyssenKrupp Marine Systems) hat sich mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf die Rahmenbedingungen für den Kauf von drei U-Booten der Dakar-Klasse geeinigt. Das Auftragsvolumen liegt demnach bei rund drei Milliarden Euro. Die Bundesregierung trägt – wie schon bei den bisher an Israel gelieferten U-Booten - etwa ein Drittel der Kosten. Das erste dieser U-Boote einer neuen Klasse soll innerhalb von neun Jahren geliefert werden. Um für den Auftrag gerüstet zu sein, hat TKMS nach eigenen Angaben rund 250 Millionen Euro in seine Werftanlagen investiert. damit sie "die größten U-Boote produzieren können, die jemals in Deutschland gebaut wurden" (Kieler Nachrichten 21.1.22).
"...speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten"
Nach den Worten von TKMS-Vorstandsvorsitzenden Rolf Wirtz handelt es sich bei der Dakar-Klasse um eine neue Konstruktion, "die speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten sein wird." Von diesen U-Booten der neuen Generation sollen nicht nur Torpedos verschossen werden und Kampfschwimmer ausgesetzt werden können, sondern es gibt auch Startschächte für Marschflugkörper. Sie können also mit Atomwaffen bestückt werden – was zwar auch schon bei dem Vorgänger-Modell (der Dolphin-Klasse) vermutet aber offiziell von keiner Seite bestätigt wurde. Zufrieden stellte der israelische Verteidigungsminister bei Vertragsunterzeichnung fest: "Ich bin zuversichtlich, dass die neuen U-Boote die Fähigkeiten der israelischen Marine verbessern und zur Sicherheitsüberlegenheit Israels in der Region beitragen werden".
Diese U-Boote sollen die Dolphin-Klasse ersetzen, wovon sechs Boote im Zeitraum von 1992 bis 2020 in Kiel gebaut und fünf an die israelische Kriegsmarine ausgeliefert wurden (das sechste befindet sich noch zur abschließenden Fertigstellung in Kiel). Die Lieferung der bisher letzten drei dieser U-Boote an Israel war öffentlich in die Kritik geraten, da dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und seinem politischen Umfeld Korruption vorgeworfen wird. Es war berichtet worden, dass ein Vertreter von ThyssenKrupp hochrangige israelische Regierungsbeamte bestochen habe, um den Auftrag für die U-Boote zu erhalten. Zur Zeit beschäftigt sich gerade ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss in Israel mit diesen Vorwürfen.
Außer Israel sind die Türkei und Ägypten bevorzugte U-Boot-Abnehmer
Doch Israel ist nicht der alleinige Adressat von U-Booten im Pulverfass Naher Osten. So erhielt Ägypten zwischen 2016 und 2021 ebenfalls vier Boote.
Besonders eng sind auch die Kontakte zum Erdogan-Regime in der Türkei. So werden sechs U-Boote in der Türkei "unter maßgeblicher Beteiligung des Konzerns 'ThyssenKrupp Marine Systems' gebaut. Die Lieferung der Bauteile wurde von der Regierung unter Kanzlerin Merkel im Jahr 2009 genehmigt und der Export mit einer sogenannten Hermesbürgschaft von 2,49 Milliarden Euro abgesichert. Dagegen hat vor allem der griechische Verteidigungsminister ausdrücklich protestiert. Denn die U-Boote könnten von der Regierung Erdogan dazu benutzt werden, eine expansionistische Politik der Türkei in der Ägais und im östlichen Mittelmeer zu verfolgen." (telepolis 1.2.21)
Die türkische Militärstrategie sei eine Art "Expansionspolitik zur See", sagt Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Es sei für ihn schwer nachvollziehbar, weshalb dieser Teil der ideologisch-konfrontativen Außenpolitik der Türkei so selten thematisiert werde. Bereits vierzehn auf der Kieler Werft konstruierte U-Boote tragen die türkische Seekriegsflagge.
Dieter Hanel, Vorsitzender des Arbeitskreises Wehrtechnik beim Unternehmensverband in Schleswig-Holstein hat Mitte Januar 2022 in der Zeitschrift "Europäische Sicherheit & Technik" in einem Grundsatzartikel "Kiel – ein dominanter Bundeswehr- und Rüstungsindustriestandort" an die Adresse der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt gefordert: "Die Kieler Unternehmen müssen sich auch weiterhin strategisch erfolgreich ausrichten, ihre Flexibilität und Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen sowie mit neuen leistungsfähigen Produkten im In- und Ausland ihre wettbewerbsfähige Marktposition erhalten. Die Stadt Kiel, die bis heute stets ein kritisches Verhältnis zum Militärischen hatte, sollte anerkennen, dass sie nicht nur ‚Sailing City‘ ist, sondern dass die Bundeswehr und die Rüstungsindustrie einen unverzichtbaren Beitrag zu Frieden und Freiheit unseres Landes sowie für die Wirtschaftskraft der Stadt leisten." [1]
In diesem Zusammenhang ist eine Initiative der Friedensbewegung von vor zehn Jahren immer noch höchst aktuell.
Brief von IPPNW an Kieler Oberbürgermeister (2012) – aufs Neue aktuell
Schon vor 10 Jahren (2012) war auf dem Ostermarsch in Kiel gefordert worden, die Auslieferung von U-Booten an Israel angesichts der zunehmenden Spannungen im Nahen und Mittleren Osten zu stoppen. Die Kieler Gruppe der IPPNW ( Internationale Ärztinnen und Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges/ÄrztInnen in sozialer Verantwortung) hatte in einem Offenen Brief an Kiels OB gefordert: "Wir sind entsetzt, mit welcher Selbstverständlichkeit in der Presse über die Lieferung von – bei HDW gebauten U-Booten – an Israel berichtet wird. Insbesondere empört uns, dass die Ausstattung dieser U-Boote für Nuklearraketen in keiner Weise problematisiert wird.
Kiel ist Mitglied der Mayors for Peace, worauf wir stolz sind und erleichtert, weil sich damit Kiel dem Grundsatz dieser Vereinigung verpflichtet, 'der Bedrohung durch Atomwaffen ein Ende zu bereiten und sich weltweit für deren Ächtung und Abschaffung einzusetzen'. (...)
Diese Lieferung von Waffen in das hochexplosive Spannungsgebiet Nahost verstößt gegen das Grundgesetz (Art. 26) und trägt zur weiteren Eskalation der akuten Kriegsgefahr bei. (...)
Der Einfluss der Waffenlobby auf unsere Politik und Wirtschaft ist besorgniserregend. Zum Erhalt von Arbeitsplätzen macht Kiel sich abhängig von der Waffenlobby und mitschuldig an der Gefahr, Krisen durch Kriege lösen zu wollen.
Wir möchten Sie deshalb um eine Stellungnahme zu unseren Bedenken bitten sowie um eine Beantwortung der Frage, welche Anstrengungen Sie unternehmen wollen, um im Sinne von 'Schwerter zu Pflugscharen' eine ernsthafte Rüstungskonversion in allen für die Rüstungsindustrie arbeitenden Betrieben in Kiel anzustreben, wie es Ihrer Verantwortung als 'Bürgermeister für den Frieden' entspricht."
Anmerkungen