29.03.2024: Fast 79 Jahre nach Ende der Nazidiktatur werden wieder Konten jüdischer Organisationen von deutschen Finanzinstituten gesperrt ++ Palästina-Kongress soll verhindert werden
Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" gab am Dienstag (26.3.) bekannt, dass ihr Konto bei der Berliner Sparkasse am 26. März mit sofortiger Wirkung eingefroren wurde.
"Im Jahr 2024 wird wieder einmal jüdisches Geld von einer deutschen Bank beschlagnahmt: Die Berliner Sparkasse friert das Konto der Jüdischen Stimme ein", so die Organisation in einer Erklärung.
Der Verein erhielt einen Brief von der Bank, in dem sie darüber informiert wurde, dass das Konto "vorsorglich" gesperrt wurde, und dass bis zum 5. April zahlreiche interne Vereinsunterlagen, unter anderem eine Liste mit vollständigen Namen und Anschriften aller Vereinsmitglieder, eingereicht werden müssten.
In dem Schreiben heißt es weiter, diese Maßnahmen seien Teil der "regulatorischen Bestimmungen", die die Berliner Sparkasse verpflichten, "die über unsere Kunden gespeicherten Daten in regelmäßigen Abständen zu überprüfen". Die Bank drohte auch damit, den Vertrag zu kündigen und das Konto zu schließen, falls die erforderlichen Dokumente nicht fristgerecht eingereicht würden.
"Es ist ein sehr gruseliger Brief. Man könnte meinen, sie arbeiten mit dem Landeskriminalamt zusammen. Die Vorgänge zeigen, wie sehr der Staat die deutsche Palästina-Bewegung behindern und schikanieren will."
Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdischen Stimme.
Die Jüdische Stimme erklärte, sie wisse nicht, ob hinter diesem Schritt Druck von Seiten der Regierung stecke oder ob die Entscheidung von der Bank selbst getroffen worden sei.
Die Organisation wirft der Bundesrepublik vor, trotz der Ablehnung ihrer Politik durch über 80% der deutschen Bevölkerung, mit Israels Apartheid- und Genozidpolitik zu kooperieren.
"Der Druck und die politische Verfolgung werden immer größer, je mehr Israel und seine Apartheidpolitik im Staat Israel und im Westjordanland, und nun seine genozidale Politik im Gazastreifen, an Zustimmung in der Welt verlieren, heißt es in der Erklärung der Jüdischen Stimme. Und weiter: "Die Bundesrepublik gehört zu Israels letzten treuen Verbündeten, und die deutsche Politik kooperiert mit Israels Apartheid und Genozid, obwohl über 80% der deutschen Bevölkerung die Politik der Bundesregierung nicht unterstützen."
zum Thema UN-Bericht: Anatomie eines Völkermordes |
Palästina-Kongress soll verhindert werden
"Die Repressalien des deutschen Staats gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung eskalieren täglich, sie reichen von Demoverboten bis zu Razzien, und jetzt wurde das Konto eines jüdischen Vereins im Namen der Antisemitismusbekämpfung gesperrt – von der Berliner Sparkasse, einem öffentlich-rechtlichen Finanzinstitut", sagte Wieland Hoban, Vorsitzender der Jüdischen Stimme.
Vor dem Hintergrund des in Berlin geplanten Palästina-Kongresses mit internationalen Rednern sieht die Organisation eine Zunahme der politischen Verfolgung.
Der Palästina-Kongress (https://palaestinakongress.de/), der vom 12. bis 14. April in Berlin stattfinden soll, möchte öffentliches Bewusstsein für die anhaltenden Völkerrechtsbrüche des israelischen Militärs in Gaza und die Rolle Deutschlands in diesem Krieg schaffen.
Der Berliner Palästina-Kongress bietet ein breites Spektrum an Rednern, organisiert Podiumsdiskussionen und Workshops und stellt einen Vernetzungs- und Organisationsraum für die pro-palästinensische Bewegung in Deutschland dar.
"Gemeinsam werden wir die Perspektiven unserer Bewegung auf der Grundlage einer gemeinsamen Resolution diskutieren. Praktische Schritte für Aktionen am Arbeitsplatz, in der Universität, in der Schule, in Kunst und Kultur werden diskutiert und beschlossen", heißt es auf der Website des Palästina-Kongresses.
Zu den Hauptrednern gehören der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, der palästinensische Journalist und Gründer des Nachrichtenmagazins Electronic Intifada Ali Abunimah und der palästinensische Arzt Ghassan Abu Sitteh, der 43 Tage lang in Krankenhäusern in Gaza operiert hat.
Die Israellobby versucht, den Kongress mit dem Vorwurf des "Antisemitismus" mit allen Mitteln zu verhindern. In den Boulevardmedien wird er mit schrillen Tönen als "Hass-Gipfel" zu dem "Tausende Antisemiten anreisen" diffamiert. Der Berliner CDU-Fraktionschef Dirk Stettner sagte im Abgeordnetenhaus: "Ein solcher Kongress wäre eine Schande für Berlin". Er forderte, dass "alles getan werden" müsse, um eine "Judenhasserveranstaltung" zu verhindern. Einige Tage zuvor hatte die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mitgeteilt, dass die Behörden den geplanten Palästina-Kongress im Blick hätten. Die Berliner Sicherheitsbehörden stünden dazu in engem Austausch.
Lea Rosh, Leiterin des Förderkreises Holocaust-Gedenkstätte, sagte: "Wir haben mit Empörung zur Kenntnis genommen, dass ein Kongress geplant ist, der offensichtlich nicht dem kritischen Diskurs, sondern der Vernetzung von israelfeindlichen und antisemitischen Gruppen dient. Wir fordern, die Veranstaltung zu verbieten".
Jetzt versucht die öffentlich-rechtliche Berliner Sparkasse dem Kongress den Stecker zu ziehen. Die Jüdische Stimme hat dem von Verbotsforderungen betroffenen Palästina-Kongress ihr Konto zur Verfügung gestellt. Die Konferenz wird über Ticketverkäufe und Spenden finanziert, nun ist eine nicht unerhebliche fünfstellige Spendensumme eingefroren.
"Als öffentliches Unternehmen ist die Bank an das öffentliche Recht gebunden und darf daher nicht willkürlich Bankkonten einfrieren, ohne eine Erklärung abzugeben, was sie nicht getan hat", so die Jüdische Stimme. Die Organisation hat einen Anwalt beauftragt, der bestätigt hat, dass die Sperrung des Kontos illegal ist und einen Vertragsbruch darstellt, so Hoban. Es gebe auch keine rechtliche Grundlage für ein mögliches Verbot des Kongresses.
In Solidarität mit der Jüdischen Stimme und allen anderen Menschen und Organisationen, die mit dieser Repression zu kämpfen haben, hat DiEM25 eine alternative Spendenseite für die Organisation des Palästina-Kongresses eingerichtet: https://i.diem25.org/de/donations/to/palestine-congress
Nicht in unserem Namen
Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost" wurde 2003 in Berlin gegründet und entstand als deutsche Sektion der 2002 in Amsterdam gegründeten Dachorganisation "European Jews for a Just Peace".
"Wir schließen uns den Juden in Europa und weltweit an und betonen, dass die israelische Kolonisierung und Besetzung Palästinas und die Unterdrückung des palästinensischen Volkes nicht im Namen und im Interesse der Juden weltweit erfolgt. Nicht in unserem Namen!", heißt es auf der Website. (https://www.juedische-stimme.de/)
Die Jüdische Stimme ist eine der bekanntesten pro-palästinensischen Organisationen in Deutschland und hat in den letzten Monaten geholfen, Proteste, Kundgebungen, Veranstaltungen und Gespräche in verschiedenen deutschen Städten zu organisieren.
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